William Willis - ein außergewöhnlicher 'Floß-Narr'

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von Bob Holtzman

Abb. 1 Mr. William Willis beim Bau der Seven Little Sisters

Thor Heyerdahls weltberühmte Kon-Tiki Expedition im Jahr 1947 brachte eine ganze Reihe von (ähem!) Nacheiferern hervor. Einige von ihnen versuchten, auf der Grundlage von Theorien, die von plausibel bis absurd reichen, ein wissenschaftliches Prinzip oder eine Theorie prähistorischer Besiedlung zu beweisen, wie Heyerdahl es getan hatte. Einige suchten Ruhm. William Willis (Abb. 1) hat es anscheinend aus reinem Vergnügen an der Sache getan.

Wie in Seaworthy: Adrift with William Willis in the Golden Age of Rafting (Abb. 3) von T.R. Pearson beschrieben, war Willis ein fast wurzelloser Abenteurer. Zu Beginn als Matrose der Handelsmarine tätig, trieb es ihn durch Dutzende von Arbeitsplätzen, er schrieb jede Menge unlesbare Literatur, praktizierte Yoga und ernährte sich makrobiotisch, Jahrzehnte bevor in den USA irgendjemand etwas davon gehört hatte. Als Mitt-Vierziger beschäftigte er sich über mehr als ein Jahr entsetzlicher Not in Französisch-Guayana hinweg mit einem verrückten, aber letztlich erfolgreichen Plan, dem Sohn seiner Vermieterin - einem Mann, den er nie kennen gelernt hatte - die Flucht aus der Strafkolonie auf der Teufelsinsel zu ermöglichen: einen speziellen Grund dafür hatte er nicht, aber die Schwierigkeit des Unterfangens und die Herausforderung scheinen ihm gefallen zu haben.

In etwa so kam es auch dazu, dass er im Alter von 60 Jahren beschloss, Heyerdahl in Bezug auf [die zu bewältigende] Entfernung, Selbstvertrauen, Entbehrungen und Kühnheit zu übertreffen. Er reiste nach Peru, baute sich ein Floß namens Seven Little Sisters (Abb. 2) und setzte ganz allein (wenn Sie seine Katze und den Papagei nicht mitzählen), mit Hungerrationen an Grundnahrungsmitteln, Rohzucker und ein paar anderen Kleinigkeiten ausgestattet, die Segel.

Abb. 2 Die Seven Little Sisters auf Hoher See

Willis war ein merkwürdiger Fall: Intelligent, umsichtig und in der Lage, eine sorgfältige Planung vorzunehmen, war er stets der Details überdrüssig, schon bevor er mit ihnen fertig war, wobei er im Prinzip zu sich selbst sagte: "Nun gut, so wird das schon hinhauen." Und wenn die Dinge dann doch schief gelaufen waren, schalt er sich stets selbst und meinte: "Ich wusste doch, dass das passieren wird!"

Als etwa sein einziges Großsegel weitgehend gerissen war, nahm er dies mit Gleichmut hin, denn er wusste, dass er ein Ersatzsegel hätte mitnehmen müssen. Dito, als die meisten seiner Wasservorräte verloren gingen, weil sie in rostanfälligen Behältern gelagert waren. Und als er mitten auf dem Ozean fast an einem durchgebrochenen Magengeschwür starb und später an aeinem eingeklemmten Leistenbruch litt - nun gut, er hatte ja gewusst, dass es diese Probleme gab, und ganz bewusst entschieden, sie nicht behandeln zu lassen, bevor er an Bord ging.

Stets verfügte er über die Selbsterkenntnis, ausschließlich selber für seine Schwierigkeiten verantwortlich zu sein, und in der Tat scheint es, dass er sich selbst absichtlich Steine in den Weg legte. Vielleicht hatte er eine Art Todessehnsucht. Vielleicht trieb es ihn herauszufinden, aus welchem Holz er wirklich geschnitzt war. (Er glaubte, dass er über eine fast übernatürliche Resistenz gegen die Auswirkungen des Alters verfügte.) Mit ziemlicher Sicherheit genoss er es, sich den Herausforderungen zu stellen, die solche Strapazen mit sich brachten.

Willis schaffte es, seinen Bestimmungsort Samoa zu erreichen, schrieb ein Buch über die Reise und erlangte einen bescheidenen Bekanntheitsgrad, der sich jedoch als flüchtig erwies. (Von seinem Buch The Gods Were Kind wurden in den USA weniger als 10.000 Exemplare verkauft, aber als es ins Russische übersetzt und in der UdSSR als Kinderbuch verkauft wurde, gelangten 100.000 Kopien in Umlauf!)

Abb. 3 Random House LLC, 26.06.2007 - 280 Seiten

Aber noch war es das nicht für ihn. Mehr als zehn Jahre später, in den frühen 70er Jahren, baute er ein weiteres Floß, das er - wieder ganz alleine - von Peru bis Australien steuerte. Dem folgten drei Versuche, den Atlantik in einem kleinen, offenbar nicht sehr geeigneten, offenen Segelboot zu überqueren. Die ersten beiden Versuche musste er aufgrund widriger Umstände und miserabler Fortschritte abbrechen. Bei dem dritten Versuch verschwand Willis, obwohl man sein Boot schlißlich wiederfand.

Seaworthy (nicht zu verwechseln mit Linda Greenlaws gleichnamigen Fischerei-Memoiren) bietet eine flotte, vergnügliche Lektüre und das faszinierende Profil eines sehr seltsamen, aber auch eigenartig bewundernswerten Menschen. Der Autor Pearson platziert Willis´ Abenteuer im Kontext seiner sehr umfänglichen Beschreibung der anderen bemerkenswerten Floß-Expeditionen jener Zeit: Heyerdahls Kon Tiki, Alain Bombards L' Heretique, Eric de Bisschops zwei Tahiti Nui-Expeditionen und DeVere Bakers gut finanzierter, aber lächerlicher Lehi-Expeditionen (die letztlich versuchen, Bakers phantastische, mormonisch inspirierte "Theorie" zu beweisen, dass die westliche Hemisphäre von alten Israeliten besiedelt wurde, die mit Flößen über den Indischen Ozean und den Pazifik segelten).

Man könnte begründeterweise vermuten, dass diese anderen Floß-Expeditionen vor allem deshalb erwähnt werden, um den Text auszupolstern, aber tatsächlich werden sie selbst faszinierend detailliert beschrieben, und sie haben die wichtige Funktion, Willis den Spiegel seiner Kollegen und Mitbewerber vorzuhalten, was ihr seemännisches Können, ihre Motiviationen, ihr Handwerk sowie ihre Ausrüstung, und auch die Wesensart ihrer Leistungen betrifft.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Bob Holtzman (©) wurde online erstveröffentlicht unter dem englischsprachigen Original-Titel "William Willis, Raft Wacko Extraordinaire" auf seinem Blog Indigenous Boats - SMALL CRAFT OUTSIDE THE WESTERN TRADITION am 10. Mai 2011. Bei Atlantisforschung.de erscheint er in eigener Übersetzung und redaktioneller Bearbeitung im März 2014.