Eine von Naturkatastrophen geprägte Kultur

Der Archäologe Christos Doumas sagt, die alte Zivilisation von Thera sei durch ihre Reaktion auf chronische Erdbeben und vulkanische Eruptionen geformt worden

von Iota Sykka - Kathimerini (16. 01. 2007)

Abb. 1 Teil eines Frieses mit der Abbildung einer Seeschlacht in Raum 5 des 'Western House' bei Akrotiri. es zeigt Krieger mit Helmen und rechteckigen Schilden.

Diejenigen, die auf der alten Insel Thera lebten, schrieben die häufigen Erdbeben und Vulkanausbrüche auf der Insel dem Zorn der Götter zu. Doch diese Mythenbildung, die aus dem Bedürfnis erwuchs, die chronischen Zerstörungen zu erklären, trug auch stark zur Herausbildung der Kultur der Insel bei, sagte ein führender Archäologe vergangene Woche: “Der Vulkan von Thera war für deren Bewohner eine permanente Herausforderung, auf die sie in vielfältiger Weise reagierten", sagte Professor Christos Doumas, Leiter der Ausgrabungen bei Akrotiri auf Santorin, bei einem Vortrag am letzten Donnerstag bei der Archaeological Society.

Doumas hielt fest, dass die prähistorische Siedlung von Akrotiri im Verlauf ihrer 3000-jährigen Geschichte zahlreiche Erdbeben durchmachte, welche sie sowohl physisch als auch sozial formten. “Viele [der Erschütterungen] waren von moderater Intensität, nur [kleine] Stöße, und hinterließen keine sichtbaren Spuren", sagte er. "Andere, die mächtiger waren, verursachten Schäden, welche wir noch heute inmitten der aufeinander folgenden Ruinen-Schichten verfolgen können."

Archäologen, welche die Ruinen von Santorin, Theras moderner Name, examiniert haben, sagen, es gäbe alle Anzeichen dafür, dass die Bewohner wussten, was im Fall eines Erdbebens zu tun war. Nach einer Erschütterung hätten sie die Straßen von Schutt gesäubert und Güter aus den Trümmern herausgeholt. Dies sei der Grund dafür, dass Objekte wie Möbel, Haushalts-Güter und sogar Nahrungsmittel außerhalb der zerstörten Stadt in zeitweiligen Lagern gefunden wurden. Die Ausgräber haben Betten und einen Sack Roggen entdeckt, und selbst ein Gefäß mit Fisch ist gefunden worden. (Abb. 2) "Wir finden sie heute unter Bimsstein begraben", sagte er.

Die Theraner reagierten auf Erdbeben in einer geordneten, disziplinierten und koordinierten Manier, fügte er hinzu. "Sie zogen nicht in Betracht,ihre Insel zu verlassen, auch wenn sie ihre Häuser von Zeit zu Zeit dem Erdboden gleich machte", sagte er. "Im Gegenteil machten sie sich nach dem Erdbeben umgehend an die Wiederaufbau-Arbeit, wofür es dort archäologische Evidenzen gibt; Haufen von Steinen und Erde, Materialien, die getrennt von den zerstörten Mauern lagen, sind häufig unter dem Bimsstein gefunden worden, so wie auch Güter, die aus den Ruinen geholt worden waren."

Abb. 2 Die Vulkanaus- brüche ließen den Thera- nern manchmal keine Zeit, ihr Hab und Gut zu retten. In den Ruinen bei Akrotiri fanden Archäologen un- längst Betten, einen Sack mit Roggen und sogar ei- nen Krug mit Resten kon- servierter Fische.

Sie benutzten das Material ihrer zerstörten Häuser für den Wiederaufbau. "Die Tatsache, dass gleichartige Steinhaufen in tieferen, mittel-kykladischen Strata, das heißt [aus der Zeit] vom 18. bis zum frühen 17. Jahrhundert v. Chr., gefunden wurden, zeigt, dass diese Praktik schon viel früher angewandt wurde und zum Standard wurde,” sagte Doumas. Sie ergaben sich nicht ihrem Schicksal, sondern "bauten ihre Häuser wieder auf, wobei sie nach Mitteln und Wegen suchten, wenn schon nicht die Erdbeben zu neutralisieren, dann doch zumindest die Widerstandsfähigkeit ihrer Gebäude zu erhöhen."

Doumas nannte Beispiele: "Unter einem Gebäude aus der mittel-kycladischen Ära, über welchem das errichtet wurde, was wir heute als >Western House< (Abb. 1) kennen, wurde eine Schicht aus Fragmenten poröser Lava von 4 - 6 Zentimetern Stärke gefunden. Diese Fragmente, welche die Leute von Akrotiri heute Adralia nennen, sind im Überfluss auf dem nahe gelegenen Hügel Mavros Rachidi zu finden. Es hätte wie ein Zufall ausgesehen, wenn wir nicht auch eine [solche Lage] unter den Grundmauern eines zweiten Gebäudes mit dem selben Alter, Xestis 3, gefunden hätten." Die Schicht aus Adralia diente als Puffer, der die seismischen Erschütterungen absorbierte. Hölzerne Gitter, die zur Verstärkung von Mauern in mehrstök-kigen Gebäuden verwendet wurden, waren eine andere Form des Schutzes.

Abb. 3 Der mit Bimsstein bedeckte erste Stock eines Hauses bei Akrotiri.

Thera wurde erstmals in der Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. besiedelt. Jüngste geologische Untersuchungen zeigen, dass sich im Zentrum der Insel eine Caldera mit Wasser darin befand, welche einen einzelnen Ausgang zu zur See hin besaß, "zwischen [dem Platz] wo heute der Leuchtturm steht, und Aspronisi." Dort, im nördlichen Teil der Caldera, befand sich ein Inselchen. "Dies bedeutet, dass die frühen Bewohner sowohl einen Zugang zu der Lava, aus der es bestand, als auch zum Inneren der Caldera hatten. Somit war das vulkanische Gestein beinahe das einzige Rohmaterial, sowohl zum Häuserbau als auch zur Herstellung von Schiffen und Werkzeugen", sagte Doumas.

Sie verwendeten formbare Lava aus Mavro Rachidi und Mesovouna, um sowohl die ersten Hütten [zu bauen] als auch Objekte wie Stößel und Mörser zur Nahrungsmittel-Gewinnung herzu-stellen. Doumas erwähnte einen 1,30 Meter großen Stein-Krug, der aus dem dritten Millennium v. Chr. datiert, und einen aus, vermutlich in der Nähe gefördertem, Andesit gefertigten Herd. In Anbetracht seiner Dimensionen könnte dieses Gefäß einzigartig gewesen sein, und es ist der greifbarste Beweis dafür, wie der Mensch sich [dort] den Herausforderungen der Umwelt stellte. Wenn wir die Werkzeuge in Betracht ziehen, welche den Handwerkern zur Verfügung standen, um ihn zu herzustellen, so können wir annehmen, dass dies ein Lebenswerk war.

Santorin und sein Vulkan produzieren, wie Doumas bemerkte, noch immer materielle und intellektuelle Kultur. Er erinnerte seine Zuhörerschaft daran, wie es zum Bau des Suez-Kanals beitrug, als es über Jahre hinweg Fabriken mit Bimsstein und theranischer Erde versorgte. Die örtlichen Einwohner stellten ihre Häuser aus diesen Materialien her, der superbe Geschmack der örtlichen Weine ist dem Vulkan zuzuschreiben, und Schriftsteller und Künstler sind von seiner Schönheit und Zivilisation inspiriert worden. Doumas zollte den Bewohnern seine Anerkennung, die kämpften, um den Herausforderungen durch den Vulkan zu begegnen, der [gleich-zeitig] dazu beitrug, diese faszinierende ägäische Zivilisation zu kultivieren.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Iota Sykka wurde der englischsprachigen Online-Ausgabe von KATHIMERINI - Greece´s International English Language Newspaper entnommen, wo er am 16. 01. 2007 unter dem Titel "A culture shaped by natural disasters" erschien. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de.


Bild-Quellen

(1) Kathimerini, A culture shaped by natural disasters

(2) ebd.

(3) ebd.