Buchbesprechung Whitley Strieber Jesus
(rmh) Tatsächlich könnte der hohe Anspruch, den der Untertitel des Buches erhebt, durchaus zumindest annähernd berechtigt sein, wenn wir Striebers Argumentation folgen.
Strieber schreibt, dass die Lehre und Verheißung Jesu, (Strieber beschreibt die Lehre Jesus derart, dass im Himmelreich nicht nur alle gleich sind, sondern es darüber hinaus einen Weg gäbe, der es jedem, der ihn wirklich annimmt, ermöglicht, den Frieden dieses Reiches schon jetzt, vor dem Tod zu erfahren) vielen von uns die Verheißung der eigentlichen Lehre Jesu entglitten und zu religiöser Doktrin verkrustet sei bzw. abgelehnt würde, weil wir uns dieser Doktrin nicht unterwerfen wollten. Ebenso wie wir hätten die Menschen der Vergangenheit verstanden, warum Tod, Krankheit oder Unglücke geschehen müssen und so hätten sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen. So wollten sie – ohne eine Möglichkeit dazu zu haben – diese Lücke selbst schließen. Da sie dazu eben nicht in der Lage gewesen seien, hätten sie sich Götter vorgestellt, die Macht über die Natur hatten, die sie anbeteten und denen sie Opfer darbrachten. Der Autor verweist auf den Gnostizismus, der lehre, dass die Erkenntnis (auf griechen eben gnosis) notwendig sei, um die "von Gott erzeugten Illusionen" zu überwinden und mit dem Göttlichen eins zu werden.
Strieber beleuchtet das 1. Buch Mose und weist darauf hin, dass die Schlange, die in der Geschichte vom Garten Eden vorkommt, ein sehr altes Symbol ist, das in einem Pyramidentext als die Wirbelsäule repräsentiert. Der Autor des 1. Buch Mose habe für einen neuen Gott geworben: El, der zu Jahwe, dann zu Jehova und schließlich zum allmächtigen gestaltlosen Gott der modernen Welt geworden sei. Frühere Götter seien zu Dämonen umgedeutet worden.
Wir stünden heute an einem Wendepunkt und müssten entscheiden, ob wir die "wahre Botschaft" erkennen und verstehen wollten, um zu überleben. Es gäbe ein Angebot an die Menschheit von einer höheren Wesenheit, die wir in Ermangelung eines anderen Wortes durchaus Gott nennen könnten.
Nach Ausführungen zu diesen Themen kommt Strieber auf Jesus zu sprechen. Er sagt, dass es zu Lebzeiten Jesu vier Gruppen von Philosophien gab: Die Pharisäer, Sadduzäer und die Essener sowie eine vierte, die im Gegensatz zu den anderen dreien fanatisch entschlossen war, Israel von den Römern zu befreien. Weiter erinnert Strieber an das weitgehend unbekannte aber sehr interessante apokryphe Protoevangelium des Jakobus, demzufolge Maria - die Mutter Jesu - in ihrem zwölften Lebensjahr von ihren Eltern Joachim und Anna in den Tempel gebracht wurde, um dort zu dienen. Strieber legt die Möglichkeit nahe, dass sie dort als "Tempelprostituierte" arbeitete und aufgrund ihrer Schwangerschaft mit Jesus von Josef verstoßen wurde. Der antike Philosoph Kelsos hatte behauptet, dass ein römischer Soldat namens Pantera der Vater Jesu war.
Strieber erinnert daran, dass das Volk der Parther, dass im Gebiet des heutigen Iran lebte – seine Bedeutung wird von der Geschichtsschreibung stark vernachlässigt – ungefähr 50 Jahre vor der Geburt Jesu Unruhen im römischen Reich nach der Ermordung von Julius Cäsar genutzt wurde, um für kurze Zeit Judäa zu erobern. Die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland könne auf die Erinnerung an parthische Gesandte zurückgehen – eine Ansicht, die Strieber durchaus nicht exklusiv vertritt. Was die Geburt Jesu betrifft, so erinnert Strieber daran, dass vielfach angezweifelt wird, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde um weiter darauf hinzuweisen, dass Jesus Überlieferungen zufolge in einer Höhle und nicht in einem Stall geboren wurde. Er erkennt Ähnlichkeiten der Geburtsgeschichte Jesu mit der Geschichte eines anderer anderen Gottheit: dem Adonis. Die Vergleiche und Ausführungen Striebers dazu verblüffen. Strieber berichtet über die Kindheitsevangelien, in denen Jesu als arrogant und reizbar dargestellt wird und auch bereits heilt, und deutet an, dass sie keine reine Erfindung darstellen.
Strieber erklärt weiter, dass Pontius Pilatus Jesus nicht nur wegen Aufruhr, sondern vielleicht auch wegen des Einsatzes magischer Praktiken zum Tod am Kreuz verurteilte. Weiter merkt er an, dass das griechische Wort pistis, das in Matth. 8,10 ("Amen, das sage ich euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel bei niemandem gefunden") verwendet wird und in allen Evangelien vorkommt, nicht etwa bedeute, dass damit nicht der "Zustand des Glaubens" gemeint sei, sondern Jesus sagen wolle, dass dieser Mensch darauf vertraue, dass Jesus wahrhaftig mit der Macht Gottes ausgestattet sei. Jesus sei ein religiöser Ekstatiker gewesen, der von seiner Herkunft und seiner Rolle in der Welt absolut überzeugt gewesen sei und aus einem starken inneren Anspruch heraus gehandelt und Kranken Hoffnung vermittelt habe. Strieber bescheinigt Jesus Beredsamkeit, Intelligenz und eine Bereitschaft, mit der er die Herzen der Unterdrückten erreichte. Somit sei er eine wahrlich beeindruckende Persönlichkeit gewesen.
In der Geschichte der Hochzeit zu Kana erkennt Strieber Jesu' eigene Hochzeit – vermutlich mit Maria Magdalena. Die dort geschehenen Wunder seien symbolisch zu verstehen und Strieber erklärt die Symbole. Darüber hinaus sei die Geschichte von früheren Mysterien abgeleitet zu sein. Strieber geht intensiv auf das – wie das Protoevangeliums des Johannes weitaus unbekannte – Evangelium der Maria ein.
Strieber stellt weiter fest, dass Jesus offensichtlich absichtlich die römischen Behörden provozierte, fragt sich aus welchem Grund und bietet mögliche Antworten an. Weiter schreibt er, dass es zwischen Jesus und früheren "Sündenbockgöttern", deren Leiden er möglicherweise nachstellte, Ähnlichkeiten gibt. Der Autor ist sicher: Jesus hat die in den Evangelien beschriebenen Erlebnisse tatsächlich erahren. Sein Verhalten gegenüber Hohepriestern beschreibt als für Jesus typische Brillanz. Auf ihre Fragen antwortete er mit Gegenfragen, die sie aus bestimmten Gründen nicht beantworten konnten. "Jesus beging Selbstmord durch Kreuzigung" stellt Strieber weiter fest. Der Autor philosophiert über die Bedeutung des zu Beginn des Johannesevangeliums vorkommenden Begriffs logos, das im Allgemeinen mit "Wort" wiedergegebenen wird und kommt zu dem Schluss, dass in diesem Fall eher "Harmonie" gemeint ist.
Strieber geht weiter auf Fragen ein, wie: Was meint Jesus mit seinem berühmten Ausspruch "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen, den er am Kreuz ausrief und der Frage, warum Jesus sein wichtiges Lehramt aufgab. Zu Ähnlichkeiten der Berichte in den Evangelien zu älteren Mysterienreligionen hat Strieber viel zu sagen.
Der geht weiter auf das Turiner Grabtuch ein und stellt fest, dass darauf das Abbild eines toten Mannes zu sehen ist – nicht eines lebendigen, wie es andere Forscher wie Holger Kersten (nicht ganz unfundiert) annehmen. Anhand von Untersuchungsergebnissen sieht Strieber eine "Strahlungseruption", die eine "auferstandene Version von Jesus" hervorbrachte, mit deren Hilfe er "seine Anwesenheit auf der Erde noch eine gewisse Zeit über seinen Tod hinaus fortsetzen konnte".
Nicht zwangsläufig richtig liegt Strieber mit seiner Aussage, dass Jesus mit seiner Äußerung "Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis das dies alles geschieht" unabdingbar falsch liegt und somit kein Prophet war, denn mit diesem Geschlecht muss nicht zwangsläufig eine Generation gemeint sein (eine biblische Generation dauerte 40 Jahre), sondern es kann auch das Geschlecht der Juden gemeint sein oder alternativ bietet der Talmud an zwei Stellen grundsätzlich die Lesart "Inkarnation" für Generation an.
Vollkommen zu Recht erkennt Strieber, dass das Christentum nicht mit Jesus, sondern mit Paulus begann. Die Cyprianische Pest (fälschlicherweise als "Zyprische Pest" übersetzt - sie ist nach dem Kirchenschriftsteller Cyprian von Karthago benannt und hat mit der Insel Zypern nichts zu tun], die 541 nach Christus begann, war sei ein Faktor für die Abkehr vom Polytheismus. Strieber erkennt etwas von eklatanter Wichtigkeit: "[…] gab es im christlichen Glauben ein hochentwickeltes Konzept der Sünde, das die alten Religionen nicht kannten. So wurde die Schuld nicht [mehr] bei Gott gesucht, sondern bei den sündigen Menschen, und die Institutionen der christliche Religion wurde durch die Katastrophe nur noch gestärkt." (S. 263).
Von zentralere Bedeutung ist für Strieber die Beziehung, die Jesus zum Licht hatte. Wir müssten Jesus wieder als Lehrer betrachten und uns auf dieser Ebene mit ihm verbinden. Es sei falsch, Jesus als Gott zu betrachten und daraus zu schließen, dass wir selbst keinen Zugang zu den Fähigkeiten hätten, die er als Wundertäter und später als menschliches Lichtwesen demonstrierte. "Diese bewusste Energie – dieses Licht – kümmert sich um uns, und sei es nur durch die Kraft, die ihre bloße Existenz uns verleiht", schreibt Strieber und bemerkt, dass sie sich auch in unser Leben einmische und möglicherweise ein Teil von uns sei. Es sei wichtig, dem Beispiel Jesu zu folgen.
Strieber bringt wichtige Erkenntnisse ans Licht und könnte gut in weiten Teilen Recht haben. Unbedingt lesen!