Prähistorische Weltumrundung

Atlantis: Der verlorene Kontinent IV


von unserem Gastautor William Lauritzen

Fuller nimmt an, dass alte Seefahrer-Völker den Globus umrundet haben. Diese Hypothese ist ebenfalls kontrovers, aber schauen wir einmal, wohin sie uns führt. Fuller wurde durch seine Erfahrungen mit Schiffen und Meeresströmungen zu seiner Auffassung gebracht. Er stellt fest, dass Phönizier, nachdem sie den Mittelmeerraum verlassen hatten, nach Süden gesegelt seien, das Horn von Afrika umrundet, und den Indischen Ozean überquert haben könnten.


Abb. 6 Fullers Projektionskarte mit einer möglichen Weltumseglungs-Route.

"... nordwestwärts, auf seiner Hauptströmung vorbei an Nordaustralien, dann nach Norden mit der Japan-Strömung und den vorherrschenden Winden über China, Japan, und die Aleuten nach Alaska, und dann auf der selben Strömung südwärts zu den Westküsten [[Prä- und post-diluviale Zivilisationen in Nordamerika|Nord-] und Südamerikas... die 'Roaring Forties'-Winde und die Strömung trugen sie um das Horn herum in den Südatlantik, dann mit der Nordströmung entlang der südamerikanischen Ostküste ... Danach trug sie der Atlantische Golfstrom nach Norden ... vorbei am Kap Hatteras, Neu-Schottland, am Süden Grönlands, Island und Spitzbergen, wo das Eis sie zwang sich nach Westen zu wenden, bis sie auf das ihnen bekannte Skandinavien, die Britischen Inseln, etc. stießen, von wo sie nach Hause ins Mittelmeer zurückkehrten."[1]

Fuller erwähnt nicht die Tatsache, dass eine solche Umrundung bisweilen gegen die vorherrschenden Strömungen verläuft. Natürlich könnten alte Völker die Kraft des Windes ausgenutzt haben und gegen den Wind mittels "Zickzack"-fahrens oder "kreuzen" gesegelt sein. Was einsichtig zu sein scheint ist, dass alte Seefahrer sich entlang der Küstenlinien vorarbeiten würden, gerade wie ein Schwimm-Anfänger sich entlang der Wand eines Schwimmbeckens hält. Dann würden sie das unternehmen, was ich "Küstenfahrt-Bögen" [orig.: “shore-hugging leaps”; d.Ü.] - von immer größerem Umfang - nenne. Mit zunehmendem Selbstvertrauen würden sie auch Reisen über das Zentrum des Ozeans hinweg machen.

Damit sähen wir eine Entwicklung vom "Küsten-krabbeln” zum “Ozean-hüpfen.” Der bekannteste europäische "Ozean-Hüpfer" aus jüngerer Zeit ist vermutlich Kolumbus. Die altgriechischen Geographen, wie Hekataeos und Herodot, stellten sich die Welt als runde Scheibe vor, die von einem Ozean umgeben sei. Eine solche Betrachtung ähnelt kurioser Weise Fullers Projektion, und man fragt sich, ob diese Atlvorderen etwas derartiges im Sinn hatten.


Abb. 7 Die von W. Lauritzen neu interpretierte Friar-Karte.

Weltkarten, die man Hekataeos, Herodot und Eratosthenes zuschrieb, wurden übrigens viel später gezeichnet, basierend auf fragmentarischen Beschreibungen aus den Arbeiten dieser Männer. Diejenigen, die sie zeichneten, wussten vermutlich nichts über Nord- und Südamerika. Fuller interpretiert diese alten Karten als Weltkarten, die Asien, Nord- und Südamerika, den Golf von Mexiko, etc., zeigen.

Natürlich ist Fuller nicht die einzige Person, die annahm, dass alte Seefahrer von Ort zu Ort gereist sind. Es gibt eine große Menge von Literatur, die davon ausgeht, dass dies geschehen sei, und vermutlich eine ebenso große Menge, die das Gegenteil sagt. Besonders populär sind Bücher, die voraussetzten, dass alte Völker vor Kolumbus nach Amerika kamen. Zwei neuere Bücher, von denen ich gehört (sie aber noch nicht gelesen) habe sind American Discovery und The Friar’s Map of Ancient America, beide von Gunnar Thompson. 'The Friar’s Map of Ancient America' enthält eine interssante Karte, von der Thompson, wie Fuller, annimmt, sie zeige - lange vor Kolumbus - sowohl die Küstenlinien von Nord- als auch die von Südamerika.

Es ist nicht leicht für uns zu erkennen, wie es sich bei diesen Karten um Weltkarten handeln könnte. Aber dies war vor all den verschiedenen, modernen Karten-Projektionen, über die wir heute verfügen. Und denken Sie an die "küstenfahrenden" Seefahrer: Stellen Sie sich ein altes Schiff vor, das langsam den Küstenlinien folgt, und auf seiner Fahrt die Flüsse, Buchten und Einmündungen markiert. Ab und zu würden die Seefahrer an Land gehen, um Nahrung zu sammeln, zu jagen, oder vielleicht um mit den Eingeborenen Handel zu treiben. Bei ihrer Rück-kehr nach vielen Jahren würden sie versuchen, all diese Informationen auf einer einzigen, flachen Karte zusammenzufassen. (Vielleicht würden Informationsteile auf dieser Karte fehlen, aber solche Karten wären von hohem Wert und würden kopiert werden.)

Zur Unterstützung der Vorstellung einer Weltumrundung haben wir auch diese Erklärung aus Platons Atlantis-Geschichte, in welcher ein ägyptischer Priester sagt: "...denn dieses Meer, das sich innerhalb der Säulen des Herakles [dem Mittelmeer] befand, ist lediglich ein Hafen mit einer schmalen Einfahrt, aber dieses andere ist das wirkliche Meer, und das umgebende Land kann man wahrlich einen grenzenlosen Kontinent nennen." [Timaios 24e-25d; d. Red.]

Ein grenzenloser Kontinent wäre eine gute Beschreibung für das, auf was ein Seemann treffen würde, wenn er den Küstenlinien folgen würde, wenn er das Mittelmeer verließe und dann immer weiter fahren würde. Möglicherweise würde er wieder beim Mittelmeer ankommen, und die umgebende Landmasse würde ihm "grenzenlos" erscheinen. Fuller stellt fest, dass die See-völker miteinander zu tun hatten, grundsätzlich aber separate Kulturen darstellten, und dass sie verschiedene aber verwandte Namen führten: Die "V-Könige" ('V-Kings': V nach der bogen-förmigen Schiffsform) oder "Wikinger" ('Vikings', in Skandinavien "veekings" ausgesprochen), Venetier, Phönizier, Punier, Punter, (...) 'Punt' bedeutet 'Boot' und die Bedeutung von 'Pun' ist in einigen Sprachen 'rot', wie bei dem 'Roten Meer'. (+6)

Am 12. März 1998 berichteten Forscher (in Nature), sie hätten auf der Insel Flores, zwischen Java und Australien, Steinwerkzeuge gefunden, die mehr als 800 000 Jahre alt seien. Man nimmt an, es habe während der jüngsten Eiszeit keine Landbrücke zwischen Java und Flores gegeben, und so unterstellen die Forscher (Moorwood und Partner), dass der Homo erectus in der Lage war, mittels Seefahrt Wasserflächen zu überqueren. Obwohl die Funde noch sehr kontrovers sind (einige sagen, es habe eine Landbrücke gegeben, andere sagen, der Homo erectus sei geschwommen (sic! d. Red.), wieder andere sagen, es handle sich gar nicht wirk-lich um Werkzeuge), würden sie, sofern sie bestätigt werden, unsere Vorstellung vom Homo erectus und seinen Fähigkeiten grundlegend verändern. Und falls der Home erectus in der Lage war vor 800 000 Jahren seetaugliche Fahrzeuge zu bauen, dann konnte es der Homo sapiens vor 50 000 Jahren mit Sicherheit. Tatsächlich meinen wir, dass der Homo sapiens vor 40 000 Jahren über den Ozean nach Australien kam.

In der Newsweek-Ausgabe vom 26. April 1999 wird festgestellt, dass es unter Archäologen be-züglich der Besiedlung von Amerika einen Paradigmenwechsel gibt. Das alte Paradigma, das Clovis-Modell, besagt, dass Menschen, den Tieren folgend, die Landbrücke von Sibirien über-querten, als vor etwa 11 500 Jahren die Gletscher schmolzen. Wie auch immer, eine neue Fundstätte in Monte Verde, Chile, weit im Süden von Clovis, New Mexico, mit einem Alter von mindestens 12 500 Jahren hat dieses Paradigma geknackt. Die Datierung dieser Stätte wurde kürzlich verifiziert.

Einige Wissenschaftler denken nun, dass asiatische Völker in Kanus von Sibirien her dorthin gelangten. Sie wären der Küstenlinie auf der Jagd nach Seehunden nach Süden gefolgt. Dieses neue Paradigma, dass ich "Küsten-krabbeln" nenne, würde auf eine Stützung von Fullers Welt-umrundungs-Theorie abzielen.

  1. Quelle: Fuller, 1981, S. 34