'Der Brockhaus': Stichwort 'Atlantis' im Wandel der Zeit

(red) In diesem Beitrag, der kontinuierlich erweitert werden soll, dokumentieren wir, wie unterschiedlich das Stichwort 'Atlantis' im Laufe der Zeit in den Brockhaus-Enzyklopädien und -Lexika abgehandelt wurde.

Abb. 1 Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. Auflage von 1896

1) Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit. In sechs Bänden, Erster Band: A bis E, Amsterdam: Im Kunst- und Industrie-Comptoir, 1809, S. 94

Atlantis, der Name einer bei den Alten berühmten Insel, von welcher sie sagten, daß sie in dem Ocean (welcher von dem Berge Atlas den Namen erhalten) gelegen habe, die sie aber nicht mehr fanden, und daher sagten, daß sie untergegangen sei.


2) Allgemeine deutsche Real Encyclopädie für die gebildeten Stände, 1819, Band 1, S. 391

Atlantis, bei den Alten der Name einer Insel in dem atlantischen Ocean, von der ihnen durch einzelne kühne Schiffer, die sich in früher Zeit in da« Weltmeer hinaus gewagt hatten, dunkele Kunde zugekommen war. Ueber die Lage derselben mußten ihre Angaben natürlich sehr unzuverlässig seyn, und da sie sie in eine Gegend setzten, wo sich in späterer Zeit leine Insel fand, so waren sie der Meinung, daß sie untergegangen sey.


3) Allgemeine deutsche Real=Encyklopädie für die gebildeten Stände (Conversations=Lexikon.) In zwölf Bänden. Erster Band. Erster Band. A. bis Bl. Siebente Originalauflage. (Zweiter durchgesehener Abdruck) Leipzig: F. A. Brockhaus. 1830. S. 502

Atlantis, bei den Alten der Name einer Insel im atlantischen Ocean, von der ihnen durch einzelne Schiffer, die sich in das Weltmeer gewagt hatten, dunkle Kunde gekommen war. Über die Lage derselben mußten ihre Angaben sehr unzuverlässig sein, und da sie sie in eine Gegend setzten, wo sich in späterer Zeit keine Insel fand, so war man der Meinung, daß sie untergegangen sei. Doch vermuthet man, daß vielleicht phönizische oder carthaginensische Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, an die amerikanische Küste verschlagen worden und von dort späterhin glücklich nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein konnten, und daß also unter der Insel Atlantis des Plato, sowie unter der großen namenlosen Insel, von welcher Diodor, Plinius und Arnobius sprechen, nichts Andres als da« heutige Amerika zu verstehen sei. [So auch bereits in der Sechsten Original-Auflage, Erster Abdruck, 1824, S. 397; d. Red]


4) Achte Original-Auflage. Leipzig 1833, S. 482

Atlantis, bei den Alten der Name einer Insel im atlant. Ocean, von der ihnen durch einzelne Schiffer, die sich in das Weltmeer gewagt hatten, dunkle Kunde gekommen war. Uber die Lage derselben mußten ihre Angaben sehr unzuverlässig sein, und da man sie in eine Gegend setzte, wo sich in späterer Seit keine Insel fand, so war man der Meinung, daß sie untergegangen sei. Doch vermuthet man, baß vielleicht phöniz. oder karthag. Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, an die amerik. Küste verschlagen worden und von dort späterhin glücklich nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein könnten, und daß also unter der Insel A. des Plato im „Kritias", sowie unter der großen namenlosen Insel, von welcher Diodor, Plinius und Arnobius sprechen, nichts Anderes als das heutige Amerika zu verstehen sei. Solon hatte jene Sage von den Priestern in Ägypten erfahren und dieselbe noch im hohen Alter zum Gegenstande eines epischen Gedichts gewählt, von dessen Trefflichkeit, obschon es nicht vollendet war, Plato im „Timäus" und „Kritias" viel Anziehendes sagt.


Abb. 2 Deckblatt eines Macklot-Nachdrucks der Ausgabe von 1817 (Bd. 4)

5) Neunte Original-Auflage, 1843, S. 597, Zehnte Original-Auflage, 1851, S. 783

Atlantis ist einer uralten Sage nach, die Solon von den Priestern in Ägypten überkommen haben soll, der Name einer ungeheuern Insel im Atlantischen Ocean, die ebenso groß als Kleinasien und Libyen war. Über die Lage derselben sind die Angaben der Alten sehr unzuverlässig, und da sie in eine Gegend gesetzt wird, wo sich in späterer Zeit keine Insel fand, so kam man auf den Gedanken, daß sie untergegangen. Andere wollten in den Canarisehen Inseln Überreste der versunkenen A. wiederfinden; noch Andere, wie Rudbeck in seiner „Atlantica", verstehen darunter die skandinavische Halbinsel. Den meisten Anklang hat jedoch in neuester Zeit die Vermuthung gefunden, die Bircherod in einer Abhandlung „De orbe novo non novo" (Altd. 1635) zuerst aufstellte, daß vielleicht phöniz. oder karthag. Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, an die amerik. Küste verschlagen worden und von dort später glücklich nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein könnten, und daß also unter der Insel A. des Platon im „Kritias", sowie unter der großen namenlosen Insel, von welcher Diodor, Plinius und Arnobius sprechen, nichts Anderes als das heutige Amerika zu verstehen sei.


6) Kleineres Brockhaus'sches Conversations-Lexikon für den Handgebrauch. In vier Bänden. Erster Band: A - Chateauneuf, Leipzig 1854, S.296

Atlantis, der Sage nach der Name einer ungeheuren Insel im Atlant. Ocean. Die Angaben über ihre Lage sind sehr unbestimmt, und da sie in eine Gegend gesetzt wird, wo sich in späterer Zeit keine Insel fand, so vermuthete man, sie sei untergegangen. In neuerer Zeit (zuerst von Bircherod 1635) ist mehrfach die Ansicht ausgesprochen worden, daß Amerika, von dem durch einzelne dahin verschlagene phöniz, oder karthag, Schiffe dunkle Kunde nach Europa gekommen sein könne, zu der Sage Veranlassung gegeben habe.


7) Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände: Conversations-Lexikon, 11. Auflage, Band 2, F.A. Brockhaus, 1864, S. 317

Atlantis, einer uralten Sage nach, die Solon von den Priestern in Aegypten überkommen haben soll, der Name einer ungeheuern Insel im Atlantischen Ocean, die angeblich ebenso groß als Kleinasien und Libyen war. Ueber die Lage derselben sind die Angaben der Alten sehr unzuverlässig, und da sie in eine Gegend gesetzt wird, wo sich in späterer Zeit keine Insel fand, so kam man ans den Gedanken, daß sie untergegangen. Andere wollten in den Canarischen Inseln Ueberreste der versunkenen A. wiederfinden; noch andere, wie Rudbeck in feiner >Atlantica<, verstehen darunter die Skandinavische Halbinsel. Den meisten Anklang hat in neuerer Zeit die von Bircherod in einer Abhandlung >De orbe novo non novo< (Altd. 1685) zuerst aufgestellte Vermuthung gefunden: daß vielleicht phöniz, oder karthag. Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, an die amerik. Küste verschlagen worden und von dort später glücklich nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein könnten. Auf ihren Erzählungen beruhe die Sage von jener Insel, und unter der A. des Plato im >Kritias< sowie unter der großen namenlosen Insel, von welcher Diodor, Plinius und Arnobius sprechen, sei das heutige Amerika zu verstehen.


8) Brockhaus' Conversations-Lexikon, 13. Auflage, 1882, S. 137'

Atlantis war einem Mythos nach, den nach Plato im >Timäus< und im >Kritias< ein ägypt. Priester dem Solon erzählt haben soll, der Name einer ungeheuern Insel im Atlantischen Ozean, die angeblich größer als Asien und Libyen zusammen war, infolge eines Erdbebens aber dann versunken sein soll. Möglich, daß Platon durch eine Sage wie die von den Inseln der Seligen zu seinem Mythos von der A. sich hat anregen lassen. Manche wollen in den Canarischen Inseln Überreste der versunkenen A. wiederfinden; andere, wie Rudbeck in seiner >Atlantica<, verstehen darunter gar die Skandinavische Halbinsel. Vielfachen Anklang hat in neuerer Zeit immer wieder die von Bircherod in einer Abhandlung >De orbe novo non novo< (Altdorf, 1685) ausgeführte Vermutung gefunden: daß vielleicht phöniz. oder karthag. Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, an die amerik. Küste verschlagen worden und von dort später glücklich nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein könnten. Auf ihren Erzählungen beruhe die Sage von jener Insel, und unter der A. des Plato sowie unter der Insel, von welcher Diodorus und Plinius sprechen, sei das heutige Amerika zu verstehen. Aber wenn auch zu Plato irgendwelche Schiffernachrichten, etwa von den Canarischen Inseln, gelangt sein mögen, so bemerkt doch schon Strabo, der Philosoph habe die A. entstehen und wieder untergehen lassen, wie der Dichter die Mauer der Griechen vor Troja. Vgl. Martin, >Etudes sur le Timée de Platon< (Bd. 1, Par. 1841) und Susemihl in den Jahrbüchern für Philosophie< (Bd. 71).


9) Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910, S. 52.39

"Atlantis", einem Mythus zufolge, den nach Plato (im «Timäus» und «Kritias») ein ägypt. Priester dem Solon erzählt haben soll, der Name einer Insel im "Atlantischen" Ocean, die angeblich größer als Asien und Libyen zusammen war, infolge eines Erdbebens aber versunken sein soll. Möglicherweise hat Plato sich durch eine Sage wie die von den Inseln der Seligen zu seinem Mythus von der "Atlantis" anregen lassen. Manche wollten in den Canarischen Inseln Überreste der "Atlantis" wiederfinden; andere verstanden darunter gar die Skandinavische Halbinsel. Vielfachen Anklang hat die von Bircherod in einer Abhandlung «De orbe novo non novo» (Altdorf 1685) ausgeführte Vermutung gefunden, daß phöniz. oder karthag. Handelsschiffe, durch Stürme und Strömungen von ihrem Wege abgetrieben, nach Amerika verschlagen worden und von dort glücklich zurückgekehrt sein könnten und auf ihren Erzählungen die Sage von der "Atlantis" beruhe. –

Vgl. Martin, Études sur le Timée de Platon, Bd. 1 (Par. 1841); Susemihl in den «Jahrbüchern für Philologie», Bd. 71 (Lpz. 1855); Clarke, Examination of the legend of the "Atlantis" in reference to protohistoric communication with America (Lond. 1886).

In der Geologie wurde mit dem Namen "Atlantis" von Unger und von Heer eine hypothetische Landmasse zwischen Amerika und Europa bezeichnet, die zur Erklärung gewisser Eigentümlichkeiten der Flora der Tertiärzeit in Europa dienen sollte. In ähnlicher Weise hat später Neumayr Südamerika mit Europa durch Land zu einem Kontinent verbunden, um Übereinstimmungen in der Meeresfauna jurassischer Ablagerungen zu erklären. Auch zur Deutung der Eiszeit (s. d.) hat man eine "Atlantis" herbeigezogen. Diese Vermutungen sind nicht genügend begründet (s.Lemuria).


10) DER NEUE BROCKHAUS. Allbuch in fünf Bänden und einem Atlas. Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage, Erster Band A-D. F. A. Brockhaus Wiesbaden 1958, S. 134

Atl´antis die, - im Altertum eine sagenhafte Insel, nach Platon 'außerhalb der Meerenge' (von Gibraltar?), 'in der Gegend von Gades' gelegen; sie sei 'größer als Asien und Libyen zusammen' gewesen. Platon verlegte hierher das mächtige Reich, das '9000 Jahre' vor ihm von den Athenern besiegt wurde und dann im Meer versank. Die Frage nach der Lage von A. ist sehr umstritten. - Hennig: Das Rätsel der A. (1925); H. Petterson: A. und Atlantik (1948); W. Brandenstein: A. (1951).


Bild-Quelle

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