DNA-Studie: Neues über die Wikinger
(rmh) In seinem Artikel DNA-Studie offenbart falsche Vorstellungen über Wikinger vom 22.09.2020 stellt der Betreiber von grenzWissenschaft-aktuell.de Andreas Müller gleich zu Beginn fest:
"Die bislang umfangsreichste Genomanalyse von Wikingerskeletten zeigt, dass einige grundlegende bisherige Vorstellungen über die Nordmannen nicht vollständig und teilweise schlicht falsch sind."
Zunächst weist Müller daraufhin, dass das Bild der Wikinger heute meist geprägt ist von "Vorstellungen brutaler Piraten und brandschatzender Krieger, die, aus dem heutigen Skandinavien kommend, das restliche, beschiffbare Europa überfielen und Furcht und Schrecken verbreiteten", bevor er darauf hinweist, dass dänische und britische Genetiker jüngst die "bislang umfangreichste Genomanalyse anhand bekannter Wikinger-Skelette aus ganz Europa und Grönland" vorgelegt hätten, die bisherige Irrtümer über die Krieger aus dem Norden offenbaren.
Der in Nature veröffentlichten Studie ist unter anderem zu entnehmen:
" – Bei Skeletten, die in berühmten Wikinger-Begräbnisstätten in Schottland (also außerhalb des eigentlich Wikinger-Stammlandes) gefunden wurden, handelt es sich in Wirklichkeit nicht um gebürtige Wikinger, sondern um Einheimische, die Wikinger-Identitäten, Lebensweise und Bräuche angenommen hatten und in der Folge auch als Wikinger bestattet wurden.
– Zahlreiche Wikinger hatten keine blonden, sondern braune Haare.
– Die Wikinger-Identität beschränkt sich nicht nur auf Menschen mit genetischen Wurzeln in Skandinavien – zeigt die Studie doch, dass Skandinavien schon vor der Zeit der Wikinger, genetisch stark auch von Menschen aus dem „Ausland“, wie Asien und Südeuropa beeinflusst und geprägt worden war.
– Die frühen Wikinger-Plünderungen waren Aktivitäten, die lokal sehr begrenzt ausgeführt wurden und sich auf enge Familienmitglieder beschränkten." (Übersetzung durch Müller)
Die Studie wurde von einem Team um Dr. Daniel Lawson von der University of Bristol, Professor Eske Willerslev vom St. John's College an der University of Cambridge und gleichzeitig Direktor des Lundbeck Foundation GeoGenetics Centre an der Universität Kopenhagen durchgeführt. Die Wissenschaftler forschen sechs Jahre lang und gelangten zu Ergebnissen, die unser bisheriges Bild von den Wikingern grundlegend ändern. So zitiert Müller die Forscher mit den Worten:
"Es gibt da das stark von Literatur und anderen Medien beeinflusste Bild von den Wikingern als untereinander stark über Blutsbande verbundenes und isoliertes Kriegervolk, das plündernd gegen europäische Könige kämpfte. Genetisch haben wir nun aber erstmals gezeigt, dass diese Vorstellung nicht die wirkliche Welt der Wikinger abbildet. Unsere Studie verändert unser Bild davon, was ein Wikinger wirklich war. Tatsächlich hatten auch wir uns einen derart bedeutenden Genfluss zwischen Skandinavien, Südeuropa und Asien in Zeiten vor und während der Zeit der Wikinger zunächst nicht wirklich erwartet."
Willerslev sage weiter: "Dass die Wikinger genetisch so vielfältig waren, war bislang nicht bekannt" und "Jetzt aber sehen wir teils deutliche genetische Unterschied zwischen unterschiedlichen Wikingerpopulationen selbst innerhalb Skandinaviens. Das zeigt uns, das einige Wikinger-Gruppen sehr viel isolierter voneinander waren, als bislang gedacht." Willerslev legte nach mit den Worten: "Tatsächlich finden sich ebenso viele braunhaarige Wikinger unter den Wikinger-Skeletten wie blonde, was den genetischen Einfluss von außerhalb Skandinaviens belegt.", was wiederum das moderene Bild von in der Hauptsache blonden Wikingern widerlegt.
Die Forscher untersuchten die Genome von insgesamt 442 Wikinger-Männern, -Frauen, -Kindern und -Kleinkindern aus bekannten Wikingergräbern und -Friedhöfen. Darunter befanden sich die sterblichen Überreste von vier Wikinger-Brüdern, die am gleichen Tag gestorben und in einem Begräbnis-Boot beigesetzt worden waren.
Zur Zeit der Wikinger gab es noch kein eigenes Wort für "Skandinavien", doch die aktuellen Untersuchungen zeigten, dass die Wikinger aus dem heutigen Norwegen sich hauptsächlich nach Irland Schottland und Grönland wandten, Wikinger aus Dänemark aber nach England reisten, während die schwedischen Wikinger die heutigen baltischen Staaten ansteuerten.
Der Assistenzprofesor für Genomik an der Universität Kopenhagen Dr. Ashot Margaryan stellt fest, dass die Ergebnisse der Studie einige alte historische Fragen genetisch beantworten und einige frühere Vermutungen bestätigen kann, für die es bisher noch keine Beweise gab. "„Wir sehen nun, dass ein[ig]e Wikinger-Überfallgruppen zwar enge Familienmitglieder beinhaltet hatten (etwa die bereits erwähnten Brüder, deren Skelette in einem Boot in Estland gefunden wurden), dass aber auch der Rest der Besatzung genetisch verwandt war[]. Dieser Umstand legt nahe, dass diese Krieger alle aus dem selben kleinen schwedischen Dorf stammten."
Genetisch betrachtet seien die Wikinger nicht einfach nur Skandinavier gewesen, "sondern durchmischt mit Menschen mit südeuropäischen und asiatischen Erbgut-Wuzeln". Wie Müller betont, wurde dieser Umstand bislang noch nicht in Betracht gezogen. Die Wissenschaftler, die die Studie durchführten, sagen aber Müller zufolge konkret: " „Tatsächlich weisen viele Wikinger-Skelette sogar einen recht hohen Anteil nicht-skandinavischer Vorfahren auf und belegen damit einen fortwährenden Genfluss quer durch Europa".
Dies ist auch insofern interessant, dass diese Studie die Forschungen von Eire Rautenberg, die glaubt, dass die Nordeuropäer vom Schwarzen Meer stammen und jene von Steven M. Collins, der glaubt, dass die Europäer hautsächlich aus Parthien (und als Zwischenstation auch vom Schwarzen Meer mit dem Ursprungsland Israelitisches Nordreich kommen bestätigen könnte.
Die o. g. Studie zeigte weiter, dass sogar schottische Pikten zu Wikingern wurden, ohne dass sie sich mit Skandinaviern vermischten.Die Pikten seien "eigentlich keltischsprachige Menschen, die während der späten britischen Eisenzeit und im frühen Mittelalter im heutigen östlichen und nördlichen Schottland lebten." Und auch die Kelten kamen vom Schwarzen Meer, wenn wir Rautenberg und Collins glauben.
Müller beendet seinen Artikel mit einem Zitat eines Mitarbeiters der Studie, Professor Søren Sindbæk vom Moesgaard Museum in Dänemark, der sagte:
"Die skandinavische Diaspora etablierte Handelsrouten und Siedlungen von Nordamerika, über den europäischen Kontinent bis hinein in die asiatische Steppe. Die Wikinger exportierten Ideen, Technologie, Sprache, ihren Glauben und Praktiken und sie entwickelten neue sozio-politische Strukturen [...] Unsere Ergebnisse zeigen nun aber, dass die Wikinger-Identität sich nicht auf eine skandinavische Herkunft beschränkte."
Anmerkungen und Quellen
Vorwiegend verwendetes Material:
- Andreas Müller, "DNA-Studie offenbart falsche Vorstellungen über Wikinger", 22.09.2020 bei grenzWissenschaft-aktuell.de].
Bild-Quelle:
- ebd.