Als Grabmal ungeeignet?

(über die Grabkammersysteme der Pyramiden des Alten Reichs)

von unserem Gastautor Reinhard Prahl


1. Die Arbeitshypothese

Die Pyramiden Ägyptens sind Königsgrabmäler. Diese Aussage finden wir in jedem ernstzunehmenden Buch, das sich mit den ägyptischen Pyramiden befasst. Dies mag zutreffen. Doch ist es uns deshalb nicht erlaubt, Fragen zu stellen, auf Unregelmässig- und Merkwürdigkeiten aufmerksam zu machen?

Abb. 1: Die ägyptischen Pharaonen galten im Alten Reich als irdische Personifizierungen des Gottes Horus (Bild). Später ließen sich die Herrscher des Nil-Imperiums als Söhne des Gottes Ra verehren.

Der König war vor allem im Alten Reich, im klassischen Zeitalter des Pyramidenbaus, der Gott Horus (Abb. 1) auf Erden, in der vierten Dynastie unter König Djed-ef-Ra kam die Bezeichnung Sohn des Ra, ägyptisch sA-RC (lies: sa-Ra) als in einer Kartusche geschriebener Königsname hinzu. [vgl. hierzu Barta, 1975, S. 8] Natürlich musste ein König mit allem einem Gott gebührenden Respekt behandelt werden, was natürlich, oder gerade auch auf die Bestattung zutrifft.

Meine Arbeitshypothese geht von folgender Feststellung aus: Eine Untersuchung der Grabkammersysteme dieser überwältigenden Monumentalbauten zeigt, dass zumindest in drei Fällen eine pietätvolle Bestattung der Mumie des Pharaos nicht gewährleistet werden konnte. Schuld daran war die Architektur der Grabkammersysteme. Daraus ergibt sich die Frage: Können Bauwerke mit offensichtlich immensen funktionalen Unzulänglichen wirklich Grabmäler sein?

2. Kurzer Überblick über die Göttlichkeit des Pharaos und die Bestattungsriten

Die soziale Pyramide der Menschheit, wie die Ägypter sie gesehen haben, gipfelt im König. Er ist den Göttern am nächsten, gehört eigentlich schon in ihre Welt, ist von ihnen `nicht zu unterscheiden´. In bestimmten Fällen tritt der den Menschen als ein Gott gegenüber, der kultische Verehrung empfängt.“ [Hornung in: Donadoni (HRG.) S. 328]

So charakterisiert der hervorragende Ägyptologe Erik Hornung die Göttlichkeit des Pharao. Doch nicht nur, dass der König den Göttern „am nächsten“ ist, wie es Hornung ausdrückt, er IST auch ein Gott auf Erden, ein übernatürlich vom Gott Re gezeugtes Wesen mit einer menschlichen Mutter. So erzählt es uns der Papyrus Westcar, eine Schrift aus der Hyksoszeit (1650 - 1550 v.Chr.) [ Barta, S. 8, anders Hornung, S. 346], die aber wohl bereits in der 5. Dynastie entstand. Schon seit frühester Zeit findet sich auf Reliefs der sogen. Horustitel, der den König mit dem höchsten ägyptischen Gott identifiziert. Diese Gottgleichheit bleibt dem Pharao mit Einschränkungen bis zum Ende der Pharaonenzeit erhalten. Zwar büsst er seine Unfehlbarkeit und seine Unantastbarkeit ein, doch nur er ist letztlich im Stande, im Ritual eine Gleichwertigkeit zu den Göttern zu erzielen. [Barta, S. 5]

In gewisser Hinsicht kulminiert diese Göttlichkeit im Königsamt im Tod des Herrschers. Denn nun kann er zu den Zirkumpolarsternen aufsteigen, um hier als Osiris von nun an über die Toten zu richten. Dieser Umstand macht das Bestattungsritual zu einer wichtigen Angelegenheit, die nach festen Regeln durchgeführt werden muss, denn nicht nur die Transformation des Verstorbenen zu Osiris hängt davon ab, sondern auch die Inthronisation des Nachfolgers. Erst wenn der König endgültig vergöttlicht und als Osiris wiedergeboren war, konnte er sich erneut in seinem Nachfolger inkarnieren und ihn somit zum König machen. Im mythischen Sinne war das Bestattungsritual somit auch gleichzeitig ein Wiedergeburtsritual. [Barta, S. 74] Bei dieser Wichtigkeit, die der königlichen Bestattung zugrunde liegt, dürfen wir also davon ausgehen, dass der Sarg mit der Mumie darinnen, mit besonderer Ehrerbietung und Vorsicht behandelt wurde. Doch konnte diese Vorsicht wirklich in allen Pyramiden Ägyptens gewährleistet werden?


3. Typische Beispiele für Die Grabkammersysteme der 5. und 6. Dynastie

Ich beginne meine Analyse mit den Pyramiden dieser Epoche, weil in dieser Zeit eine Standardisierung der Bauten im Pyramideninneren eintritt. Es seien drei typische Beispiele angeführt. Die erste Pyramide der 5. Dynastie ist die des UserkafRein sind die Stätten des Userkaf“ [Stadelmann, S. 160] Ein wie wir später noch sehen werden interessanter Aspekt ist sogleich der ebenerdige Eingang in nördlicher Richtung, was die Einbringung des Sarges sehr praktisch gestaltete. Mit einem Gefälle von 26°, 35´[Stadelmann, S. 161] führt ein 18,5 m langer Gang [Lehner, S. 161] in einen 8 m tief unter der Oberfläche liegenden Baugraben. Hier geht er in die Horizontale über und führt bis zur Grabkammer weiter. In der Mitte des horizontalen Ganges versperrt ein mächtiger Fallstein den Weg zur Grabkammer und zu einem Magazin.

Die Vorkammer mit den Maßen 4,14 x 3,12 m [Lehner, S. 140] liegt genau unter der Mitte der Pyramide. Von ihr aus führt ein etwa 1,575 m (3 E) langer Gang in die westlich gelegene Grabkammer [Stadelmann, S. 161]. Sie selbst misst 7,87 m x 3,13 m [ebd.] In der Grabkammer wurde ein leerer Basaltsarkophag gefunden. Alles in allem handelt es sich um eine recht einfache Konstruktion, in die leicht ein Begräbnis eingebracht werden konnte. so schreibt Stadelmann zu Recht: „Das Kammersystem des Userkaf ist einfach und unkompliziert.“ [Stadelmann, ebd.]

Der Nachfolger des Userkaf hiess Sahure, seine Pyramide „der Ba des Sahure erscheint“ [Stadelmann, S. 164]. Auch der Eingang dieser Pyramide befindet sich standardgemäss dicht über der Grundfläche der Nordwand . Ein kurzer absteigender Korridor aus Kalkstein mit einer Neigung von 24° 48´und etwa 4,25 m Länge [Stadelmann, S. 165] führt in ein „kleines Vestibül, hinter dem unmittelbar eine Fallsteinvorrichtung aus Rosengranit folgt.“ [Verner, S. 317]. Hinter dem Fallstein steigt die Passage mit 5° leicht an [Stadelmann, S. 166, Lehner, S. 142] und geht nach etwa 22, 3 m in einen ebenen, 3 Meter kurzen Gang über, der an der Grabkammer endet. Der Korridor hat für die Einbringung eines Sarges die idealen Maße, er ist 1,27 m breit und 1, 87 m hoch. Die Pyramide des Sahure verfügt damit über den höchsten Korridor aller Pyramiden des Alten Reiches.

Abb. 2: Die Pyramide des Userkaf. In der Grabkammer wurde lediglich ein leerer Basaltsarkophag gefunden, in dem vermutlich nie ein Pharao zur letzten Ruhe gebettet war.

Als letztes Beispiel soll hier die Pyramide des Unas „vollkommen sind die Stätten des Unas“ hervorgehoben sein, denn alle nachfolgenden Pyramiden der 6. Dynastie folgen im großen und ganzen dem Schema des Kammersystems dieser Pyramide. Auch der Eingang der Unas-Pyramide liegt ebenerdig unter einer Nordkapelle [Verner, S. 371]. Mit einer Neigung von 22° führt ein Gang von 14,35 m in eine Kammer mit den Maßen 2,47 x 2,08 m, die nicht viel mehr als eine Gangverbreiterung darstellt. Vielleicht diente sie dazu, bessere Bewegungsmöglichkeiten für das Einbringen der Fallsteine zu schaffen. Der Gang setzt sich dann horizontal über eine Länge von 14,10 m fort und wird von einer Kammer mit drei granitenen Fallsteinen unterbrochen, bis er schliesslich in der 3,75 x 3,08 m messenden Vorkammer mündet, die genau unter der Mittelachse der Pyramide liegt [alle Maße Stadelmann, S. 185]. Die Sargkammer misst 3,08 x 7,48.


3.1 Die Höhe und Breite der Korridore

Ein kurzes Wort sei an dieser Stelle zur Höhe und Breite der Korridore gesagt. Abgesehen von der Sahurepyramide können eine Höhe und Breite von etwa 1,28 m als Standard für alle Pyramiden angesehen werden. Die kleinen Königinnenpyramiden sind im Durchschnitt ein wenig schmaler, ca. 1.05 m breit, aber die Werte varieren hier zwischen 0.97 m in der Königinnen-pyramide GIc in Gizeh und 1,19 für die der Neferhetepheres, einer Gemahlin des Userkaf [vgl hierzu Jánosi, Königinnen, S. 184] Dieser Wert mag uns vielleicht gering erscheinen, die Standardisierung weist jedoch eindeutig darauf hin, dass die Ägypter mit diesen Wert sehr gut zurecht kamen.

Diese Standardisierung beweist, dass dies zur Einbringung eines Begräbnisses durchaus genug war, zumal die Steinsarkophage üblicherweise während des Baus in die Grabkammer verbracht wurden. Im Wesentlichen mögen architektonische Aspekte über die Maße entschieden haben. Wahrscheinlich wurden die Särge an einem Seil die absteigenden Gänge hinabgelassen und am Übergang zur Horinzontalen in Empfang genommen. Von dort aus wurden sie dann bis in die Vor- und/oder Grabkammer gezogen.

Genauso praktisch wurde der Einstieg in die Substruktur angelegt. Die Nordrichtung ist höchstwahrscheinlich kultisch bedingt, doch die Ebenerdigkeit ist m. E. aus rein praktischen Erwägungen entstanden. So stellen die oben vorgestellten Pyramiden, die wie gesagt den Standard der 5. und 6. Dynastie, also den grössten Teil des Pyramidenzeitalters repräsentieren, den idealen Weg dar, den Sarg möglichst praktikabel, aber auch vorsichtig und pietätvoll in die Grabkammer einbringen zu können. Ein Blick auf die isometrische Zeichnung einer Substruktur mag dies verdeutlichen.


4. Der Beginn der 4. Dynastie

4.1 Meidum

Ganz anders, wesentlich unpraktischer waren die ersten drei Pyramiden der 4. Dynastie konzipiert. Als erstes betrachten wir die erste Pyramide des Snofru im Meidum, die als Stufenpyramide gebaut, aber im 30. Jahr zu einer glattwandigen Pyramide umgestaltet wurde. Der absteigende Korridor weist eine Länge von 58 Meter auf und ist somit wesentlich länger, als alle Korridore der oben behandelten Substrukturen. Er reicht bis unter die Basis der Pyramide. Um diesen Gang zu bauen, wurde extra ein Schacht ausgehoben, was aber immer noch einfacher war, als sich durch den Felsen zu graben, wie man es später in Gizeh tat. Der Gang ist nur 0,85 m breit, dafür aber immerhin 1,65 m hoch [nach Siliotti/Hawass beträgt die Höhe 1,55 m], was für den Transport eines Sarges mit Seilen genügen mag, aber schon sehr knapp wird, wie unten noch gezeigt wird.

Abb. 3: Skizze der "Roten Pyramide" des Snofnu in Meidum. Der absteigende Korridor weist eine Länge von 58 Meter auf und ist somit wesentlich länger, als alle Korridore der oben behandelten Substrukturen. Er reicht bis unter die Basis der Pyramide.

Der Eingang befindet sich im Norden in einer Höhe von 16,6 m [Lehner, S. 98]. Hier werden bereits die ersten Probleme deutlich, denn der Sarg musste zuerst in diese Höhe befördert werden, um von dort aus 58 m in die Tiefe herabgelassen werden zu können. Selbst Stadelmann fallen die Schwierigkeiten auf, die diese Konstruktion mit sich brachte: „Der Eingang zum Grabkorridor nach oben auf der ersten Stufe bedeutet gegenüber den älteren Lösungen eine erhöhte Sicherheit, komplizierte aber den Vorgang der Bestattung insofern, als die Stufe durch eine Holzrampe zum Transport des Holzsarges und vor allem der Blockiersteine zugänglich erhalten werden mußte.“ [S. 85]

Hinzu kommt, dass sich in der 3. Dynastie i. d. R. im Norden der Stufenpyramide ein Tempel befand, der wegen der Holzrampe nun hier keinen Platz mehr hatte. Stadelmann meint, dies sei der Grund für die Verlegung des Heiligtums zu Ostseitegewesen. Diese Änderung führte zu einer Kanonisierung der östlichen Lage der Totentempel. Darüberhinaus käme der höhere Einstieg dem Wunsch der Seele (dem Ba) des verstorbenen Pharao entgegen, die zum Norden aufsteigen wolle, um zu einem der Zirkumpolarsterne, der „Unvergänglichen“ zu werden. Dafür räumt der Ägyptologe im gleichen Atemzug schwerwiegende Nachteile ein, „zum Beispiel daß vor Verschluß des Eingangs - und evtl. auch nach nachher - bei starkem Regen Sturzbäche von der glatten Pyramidenfläche in den Gang hinabliefen und das Grab zu überschwemmen drohten, Fährnisse, die übrigens sicher schon bei den älteren Grabkonstruktionen aufgetreten sind.“ [Stadelmann, S. 85]

Man kann sich darüber streiten, ob sich ein ebenerdiger Einstieg oder einer in einer relativ großen Höhe mit einer grossen Neigung besser vor Wassereinbruch schützen lässt. Trotzdem stellt sich doch die Frage: hat also die Verkomplizierung der Einbringung der königlichen Bestattung in ein von Überschwemmung bedrohtes Kammersystem obendrein noch zur Verlegung des im Norden angestammten Heiligtums geführt? Dies scheint doch ein wenig viel auf einmal zu sein, zumal die Verlegung des Eingangs in die Höhe nicht die geringsten Vorteile hatte.

Abb. 4: Zeitgenössisches Relief des Pharao Snofru (Hor Neb-Maat, Seneferu, Soris) ca. 2670-2620 v.u.Z. Snofru gilt als Sohn des Huni mit einer Nebenfrau (Meresanch I). Durch Heirat mit seiner Halbschwester Hetep-Heres I wurde er zum Begründer der 4. Dynastie. Er war der Vater der Merit-Ites und des Cheops.

Wie dem auch sei. Der absteigende Gang verfügt zur Sicherung solcher Probleme über einen Schacht ähnlich dem in den Königsgräbern im Tal der Könige [hier wird er `Brunnen´genannt], der sich am Übergang zur Horizontalpassage befindet. Zur weiteren Sicherung vor Wassereinbruch, so Stadelmann [ebd.], sei die Grabkammer um 6,50 Meter erhöht worden und so führt ein senkrechter Schacht in diese Höhe hinauf und mündet in der Grabkammer mit den Maßen 5,90 x 2,65 x 5,05 Meter, übrigens dem ersten Kraggewölbe der ägyptischen Geschichte in einer Pyramide. Diese „Sicherungsmasssnahme“ musste die Bestattung noch einmal erheblich erschweren, immerhin musste der Holzsarg nun mit Seilen 6,50 m in Höhe gehoben werden, um schliesslich in der Grabkammer zu Ruhe zu kommen [vgl. auch Ernst in Kemet 4/99, S. 27].

Einen Steinsarkophag fand man übrigens nicht in der Grabkammer, noch nicht einmal Fragmente. Es scheint so, als sei nie einer vorgesehen worden [vgl. hierzu Stadelmann S. 85] denn es war üblich, den Steinsarkophag während des Baus in die Grabkammer einzubringen, er war schlichtweg zu gross, um durch die Tür zu passen. Auch Fallsteine wurden keine entdeckt, was sich nur noch in der „Roten Pyramide“ des Snofru (siehe unten) wiederholt.

Tatsache ist aber, die Pyramide hätte durchaus als Grabmal dienen können, denn sie wurde in 3. Phasen, zwei Stufenpyramiden und der Umbau in eine „echte“ Pyramide, errichtet. Mindestens die beiden Stufenpyramiden wurden fertiggestellt, denn beide waren verkleidet [vgl. auch Mendelsohn S.109 ff.]. Eine glatte Verkleidung sorgt bei einer Erweiterung natürlich für geringeren Halt [vgl. z. B. Verner, S. 189], was m. E. als Beweis dafür dient, dass jede Bauphase in sich abgeschlossen wurde. Aus all diesen Tatasachen dürfen wir schliessen, dass die Pyramide von Meidum von Anfang an nicht als Grabmal gedacht war.

Zwar soll der Bau später als Kultpyramide genutzt wurden sein, doch auch dies kann kaum seine ursprüngliche Funktion gewesen sein, das beweist die Architektur aller anderen uns bekannten Kultpyramiden, die erstens wesentlich kleiner sind und zweitens nicht über ein Gangsystem verfügen (wozu auch?), eindeutig. Wenn die „Falsche Pyramide“ [dies ist ihr arabischer Name] niemals ein Grabmal sein sollte, was aber war sie dann?


4.2 Die Knickpyramide in Dahschur

Ganz ähnliche Probleme wie in Meidum, nur wesentlich komplexer, finden wir auch in der Substruktur der Knickpyramide, des ersten als echte Pyramide geplanten Bauwerkes in Ägypten, vor.

Abb. 5: Ganz ähnliche Probleme wie in Meidum, nur wesentlich komplexer, finden wir auch in der Substruktur der Knickpyramide, des ersten als echte Pyramide geplanten Bauwerkes in Ägypten, vor.

Die Knickpyramide verfügt über zwei Eingänge, einen im Norden, einen im Westen, was wirklich einmalig in Ägypten ist. Die Nordstruktur führt von ursprünglich 6, nach einigen bautechnisch bedingten Umbauten später 18,50 Meter Höhe aus in einer Neigung von 25° 24´ 74 m [Lehner, S. 102] m tief durch das Pyramidenmauerwerk [Stadelmann, S. 89] und anschließend noch einmal bis in eine Tiefe von etwa 23 Metern. [Haase, Sokar 2, S. 6]

Der Neigungswinkel sollte mit sehr leichten Abweichungen [nach Stadelmann, ebd. +/- 2°] übrigens Standard werden. Auffällig ist sofort die Verringerung der Höhe des Korridores, betrug sie in Meidum noch 1,65 m, waren es in Daschur glatt 50 bis 59 cm weniger [Stadelmann ebd. nennt eine Höhe und Breite von 1,10 m, Haase ebd. von jeweils 1,06 m]. Dafür wurde der Gang nun 20 cm breiter. Am Ende des Ganges erreicht man unmittelbar eine Kammer (A) von 5,4 m Länge und 12,6 m Höhe , der dieselbe Breite, wie der Gang, also 1,10 m nach Stadelmann aufweist. In 6,50 Meter Höhe (sic!) befindet sich ein Durchgang in die von Lehner „untere Grabkammer“ (B) genannte Räumlichkeit, die 6,3 x 4,96 x 17 m Höhe misst [Lehner, ebd.]

Um dort hinauf zu gelangen, gab es einst aller Wahrscheinlichkeit eine „mit hohen Stufen versehene Treppe“ [Haase, ebd.] Nachdem man den Sarg mit der vergöttlichten Mumie des verstorbenen Königs (siehe oben) also fast 100 Meter eine Neigung von über 25 ° hinuntergeschleift hatte, musste man ihn auch noch über eine unpraktisch konstruierte Treppe 6,50 m hoch hieven, und das nur um einen weiteren Durchgang zu erreichen! Nach Lehner und Haase war hier zwar die ursprüngliche Grabkammer erreicht. Nicht aber nach Rainer Stadelmann, der im Kammersystem dieser Pyramide den Beginn des sogen. Dreikammersystems der Substrukturen der Königspyramiden des Alten Reiches sieht. [vgl. Stadelmann, S. 92]. Hier soll der in der Fachliteratur als „Kamin“ bezeichnete seltsame „Raum“ erwähnt werden, der von der unteren Kammer aus durch ein „Fenster“ erreicht werden konnte. Nach Stadelmann sollte der „Kamin“ „eine Art Durchstieg in die obere Kammer“ darstellen, die von Anfang an als Grabkammer geplant worden sei. Sein Sinn und Zweck ist nicht bekannt, vielleicht liegen bautechnische Gründe für seine Errichtung vor.

Abb. 6: Eine Skizze des Innenlebens der Knickpyramide von Dahschur.

Damit kommen wir zum zweiten, westlichen Kammersystem, dessen Eingang sich in 32,32 m Höhe befindet. Der ansteigende Gang weist eine Steigung von 24° 17´und eine Länge von 67,66 m auf, „bis er auf ein etwa 20 m langes, horizontales Gangstück trifft.“ [Stadelmann, S. 93] Hier waren zwei Fallsteine vorgesehen, nur der westliche war aber heruntergelassen und von beiden Seiten versiegelt. Der ganze Korridor war mit Verschlusssteinen aufgefüllt, die Bestattung sollte nicht von diesem System aus in die sogen. „obere Grabkammer“ ( C ) (7,97 x5,26 x 16,5 m) eingebracht werden. Der hohe Eingang im Westen hätte dies eh sehr schwer gemacht und nach Stadelmann war auch der Verschluss nicht zu sichern [S. 93]

Und wieder müssen wir uns wundern: durch einen nur 74 cm breiten und nur etwa 92 cm hohen groben Gang der 18,8 m durch das Mauerwerk führte, sollte der Sarg in die Grabkammer transportiert werden! Stadelmann ist sich dessen jedenfalls sicher, „denn es ist dabei kein Zufall, daß dieser gewundene Gang von dem horizontalen Teil des oberen Korridors seinen Ausgang nimmt, und zwar zwischen zwei Blockierungssteinen, von denen der Westliche, zum Ausgang hin gelegene verschlossen, der östliche dagegen offengelassen wurde.“ [ebd.] Der Gang beginnt in Kammer B, führt am Kamin vorbei und endet zwischen dem ersten und zweiten Fallstein vor der Kammer C. Stadelmann glaubt, der Gang sollte den Kamin treffen, verfehlte ihn aber letztlich, aber vom Austritt in der Kragdecke der Kammer B bis zum Kamin sind es nur drei Meter, so dass es sich hier allenfalls um eine Annahme handeln kann. Sicher ist aber, dass der Durchgang später ausgehauen wurde, was einige Ägyptologen trotz aller Unwahrscheinlichkeit dazu veranlasst, hier einen Grabräuberschacht zu sehen.

Leider habe ich keine Angaben dazu gefunden, in welcher Höhe der sogen. „gewundene Gang“ aus der Kammer B austritt, doch für Kammer B zeichnet Stadelmann insgesamt 15 Rücksprünge bis zur Decke, die sich in einer Höhe von 17 Metern befindet, der Austritt befindet sich im 9. Rücksprung und wenn diese Zeichnung so korrekt ist, befindet sich der Austritt in einer Höhe von etwa 10,20 Metern. Eine Treppe wie in der Vorkammer scheint nicht vorgesehen gewesen zu sein und es stellt sich die Frage: wenn das Begräbnis durch diesen Korridor eingebracht werden sollte, dann wie? Und selbst wenn es geschafft war, den Sarg mit sicherlich viel Mühe und Not und unter Gefahr für Sarg und Mumie bis in die Höhe von über 10 Metern zu hieven, musste er immer noch durch einen n u r 7 4 c m b r e i t e n Gang geschafft werden. Immerhin könnte man einen Kasten- oder sogar Mumiensarg durch solch einen schmalen Gang mit viel Not befördern.

Der Kastensarg der Sat-Sobek etwa (in Hamm) stammt aus dem Mittleren Reich. Seine Maße betragen 1,86 m Länge x 0,435 m Breite x 051 cm Tiefe.[Graefe, Särge, S. 11); der Mumiensarg des Peti-Imen-menu aus der 25. Dynastie (Hamm) weist 2,02 L x 0,58 m B x 45 cm t auf. [Graefe, S. 23] Andererseits gibt es natürlich auch noch breitere Särge, z. B. der Sarg aus der sogen. Königscachette DB 320 in Deir el Baharia in dem Sethos I. lag, war 0,73 m breit und 0,82 m hoch [Rohl, Propheten, S. 101] Wie breit der Sarg eines Königs im Alten Reich durchschnittlich war, wissen wir nicht, doch die Maße können nicht sehr von den hier vorgestellten unterschieden sein, so dass man sich fragen darf, ob Kammer C jemals für ein Begräbnis vorgesehen war, wenn schwierig bis unmöglich war, den Holzsarg des Königs überhaupt dort hinein zu bekommen.

Abb. 7: Die "Rote" Pyramide von Dahschur. Auch sie hatte vermutlich nicht die Funktion eines monumentalen Grabmals für Pharaonen.

Davon abgesehen fand man auch in der Knickpyramide wieder keine Anzeichen eines Steinsarkophages, was sehr verwundert, denn natürlich wurde der Bau doch als Grabmal geplant und begonnen und so musste, wie in allen anderen Pyramiden des Alten Reiches auch, ein Sarkophag während des Baus in die Kammer transportiert werden, weil er später nicht mehr hindurch gepasst hätte. Oder doch nicht?


4.3 Die „Rote“ Pyamide von Dahschur

Die oben beschriebenen Probleme, die das Einbringen einer Bestattung erheblich erschwerten, oder wie im Falle der Sargbreiten nahezu unmöglich machte, setzten sich auch in Snofrus dritten und letzten Versuch eine perfekte Pyramide zu errichten fort. „Snofru möge erscheinen“ nannte der Pharao sein Bauwerk. Seine Substruktur darf als Weiterentwicklung der Vorgängerbauten gelten. In einer Höhe von 28 Metern führt ein Korridor an der Nordseite mit einer Neigung von 27° 56´ 62,63 m tief durch das Mauerwerk der Pyramide.[alle Maße sind Müller, Kemet 4/99 S. 19 entnommen]

Dort trifft er auf ein 7,43 Meter langes horizontales Teilstück, welches auf Bodenniveau aufliegt und direkt in die Vorkammer führt. Sie ist nord-südlich orientiert und 8,36 Meter lang, 3,65 m breit und 12,31 Meter hoch. Auch hier verfügen alle Kammern über ein Kraggewölbe. Ein 3,15 m langes Verbindungsstück leitet in die zweite Vorkammer über, die exakt in der Pyramidenmitte liegt, ansonsten aber mit der ersten Kammer völlig identisch ist.

Abb. 8: Das vom DAI freigelegte Areal an der Ostseite der Roten Pyramide.

Bisher liegt ein für die Einbringung eines Sarges sehr praktisch konzipiertes Pyramideninneres vor. Nun aber, aus praktikabler Sicht völlig unverständlich, liegt der Übergang zur Grabkammer 8,60 m hoch ( ! ) in der Südwand der zweiten Kammer. Der Verbindungskorridor ist 7,36 m lang und wie der absteigende Gang 1,05 m hoch wie breit. Die Grabkammer ist als einzige Kammer der Pyramide ost-westlich orientiert, was kultische Gründe haben mag und mißt 8,35 x 4,18 x 14,67 m. Wie oben bereits erwähnt gibt es auch in dieser Pyramide anscheinend keine Sicherungsmaßnahmen, d. h. keine Fallsteine. [Stadelmann, S. 101], was für ein königliches Grabmal in dem unermessliche Schätze lagern sollten schon seltsam genug ist.

Doch auch in dieser Pyramide wurde keine Spur eines Sarkophages entdeckt. Das könnte allerdings in diesem Fall auch daran liegen, dass der Fussboden der Grabkammer vollständig (von Grabräubern?) entfernt wurde. Es wurden menschliche mumifizierte Überreste entdeckt. Die Tatsache, dass alle Knochen(teile) von einem einzigen Individuum stammen und sein anscheinend relativ hohes Sterbealter veranlasst den Ägyptologen Michael Müller in den Überresten die des Snofru zu erkennen.

Es gibt hierfür bisher nicht die geringsten anthropologischen oder medizinischen Anhaltspunkte, seltsamerweise behauptet Müller aber, diese wären auch nicht notwendig! Der archäologische Kontext in dem die Pyramide zu den Umgebungsbauten und dem unmittelbaren Umfeld steht, sei Beweis genug, dass es sich um Snofrus Mumie handeln müsse. [Müller, S. 20] Leider wird an dieser Stelle die Sturheit mancher Ägyptologen nur allzu deutlich, die anscheinend immer noch glauben, ihre Disziplin allein hätte alle Mittel in der Hand, um die ägyptische Geschichte hinreichend zu rekonstruieren.

Der archäologische Kontext der Pyramide verrät uns nämlich nicht mehr, als dass Snofru dieses architektonische Wunderwerk errichten liess. Eine tatsächliche Beisetzung kann daraus selbstverständlich nicht abgeleitet werden. Im Gegenteil sprechen die oben ausführlich dargelegten baulichen Unzulänglichkeiten eher für folgende Aussage: in keiner der drei Snofru-Pyramiden sollte je eine Mumie beigesetzt werden! Fast alle Pyramiden Ägyptens, ausser die Grosse- und die Snofru-Pyramiden verfügen über einen ebenerdigen Einstieg [vgl. u. a. Stadelmann, Lehner, Verner, Haase u. a.] Das trifft genauso auf die Königinnenpyramiden [vgl. hierzu Jánosi], ja selbst auf die nubischen Königsgrabmäler zu, die ja nach ägyptischen Vorbild konzipiert wurden.

Die nachfolgenden Bauwerke, dazu sind durchaus auch die anderen Gizeh-Monumente und die Chentkaues-„Pyramide“ zu zählen, verfügen über wesentlich einfacher gehaltene Substrukturen, die wie oben gezeigt, im wesentlichen aus einem absteigenden Korridor und einem sich daran anschliessenden horizontalen Korridor der in der Vorkammer mündet, bestehen. Nur auf die drei Snofru-Pyramiden und die Cheops-Pyramide trifft dies nicht zu. Warum wurde es dem Bestattungszug so schwer gemacht, den zum Himmel geflogenen Falken zu letzten Ruhe zu betten? Oder sollte nie ein Bestattungszug diese Bauwerke betreten?


5. Noch auf ein Wort

Schon die Stufenmastabas in Sakkara, deren Grabkammern immerhin etwa 30 m tief lagen, sorgten für eine relativ unkomplizierte Einbringung des Sarges. Vereinfacht ausgedrückt gibt es eine Treppe, die ebenerdig beginnt und zum Zentralschacht führt. Andererseits gibt es in der Djoser-Stufenmastaba noch einen 7 x 7 m breiten und 28 m tiefen Schacht, der direkt über dem Grabgewölbe endet. Über diesen Schacht konnte via Seilen relativ unkompliziert der Sarg herabgelassen werden. Es gab genügend Platz zum navigieren und auf dem Dach der Grabkammer war genügend Raum, um dort einige Leute zu postieren, die ihn in Empfang nehmen und so verhindern konnten, dass er zu stark aufschlägt und zerbirst. Selbst die Mastabas der Frühzeit sind für die Einbringung einer Bestattung recht praktisch gestaltet und auch die Privatgräber bilden hier keine Ausnahme.

Warum wurden also gerade die Snofru-Pyramiden und die Cheops-Pyramide anders gebaut? Vielleicht weil sie gar keine Gräber waren? Was aber dann? Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Doch die oben genannten Unzulänglichkeiten sind nun einmal da, sie sind samt und sonders der gängigen Fach- und populärwissenschaftlichen Literatur entnommen und für jeden nachprüfbar.

Wenn wir ganz ehrlich sind ist es doch offensichtlich, dass die eben beschriebenen Pyramiden nur eines mit ihren „Nachfolgern“ gemeinsam haben: den pyramidenförmigen Oberbau. Damit hat es sich dann aber schon. Unter diesen Umständen kann die ägyptologische Erklärung einfach nicht genügen, weitere, vor allem interdisziplinäre, Untersuchungen mit neuen Fragestellungen sind angesagt. Gerade hier könnte die alternative Archäologie neue Ansatzpunkte bieten.


Verwendete Literatur

Arnold, Dieter (2000): Lexikon der ägyptischen Baukunst, Düsseldorf

Barta,Winfried (1975): Untersuchungen zur Göttlichkeit des regierenden Königs, München/Berlin

Budka, Julia (1999): Die Pyramide von Meidum - Das Verbindungsglied von Stufenmastaba und echter Pyramide in: Kemet 4/99 S. 9-13

Donadoni, Sergio (Hrg (1992): Der Mensch des Alten Ägypten, Frankfurt/Main

Ernst, Otto Dr. (1999): Die Rätsel der Grabkammern in den Pyramiden des Snofru in: Kemet 4/99 S. 27-28

Jánosi, Peter (1996): Die Pyramidenanlagen der Königinnen, Wien

Graefe, Erhart (o. J. ): Sat-Sobek und Peti-Imen-menu. Zwei ägyptische Särge aus Assiut und Theben, Hamm, München

Haase, Michael (1999): Im Zeichen des Re, München

ders. (2000): Das Rätsel des Cheops ist der Pyramiden, München

ders. (2001): Snofru und die Pyramiden von Dahschur Teil 1 in: Sokar Nr. 2, S. 4-12

ders. (2001): Im Schatten der Pyramiden von Dahschur in: Sokar Nr. 2, S. 12-14

ders. (2001): Snofru und die Pyramiden von Dahschur Teil 2 in Sokar Nr. 3, S. 8-17

Höber-Kamel, Gabi (1999): Der Bezirk der Knickpyramide in Dahschur in: Kemet 4/99 S. 3-17

Lehner, Mark (1999): Geheimnis der Pyramiden, München

Mendelssohn, Kurt (1999): Das Rätsel der Pyramiden, Augsburg

Müller, Michael (1999): „Snofru möge erscheinen“ - Die Rote Pyramide in Dahschur in: Kemet 4/99 S. 18-22

Rohl, David (1996): Pharaonen und Propheten, München

Siliotti, Alberto und Hawass, Zahi (o. J.): Pyramiden. Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches, Erlangen

Stadelmann, Rainer (1997): Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder, 3.Aufl. Mainz

Verner, Miroslav (1999): Die Pyramiden, Hamburg


Bild-Quellen

(1) http://www.louvre.fr/img/photos/palais/horus.jpg (nicht mehr online)

(2) http://www.let.leidenuniv.nl/saqqara/images/Saqqara/Monuments/Userkaf_Pyramid.jpg (nicht mehr online)

(3) http://www.ancient-egypt.org/topography/dashur/red_pyramid.html

(4) http://www.egiptoaldescubierto.com/personajes/snofru/snofru.html

(5) http://www.lts-orient.ch/Impressionen/images/Die_Knickpyramide.jpg

(6) http://www.semataui.de/AR/04-01.htm

(7) http://www.benben.de/Architektur/RotePyramide/RotePyramide.html

(8) ebd.


Literatur-Hinweis der Redaktion:

Auf der Suche nach der Mutterkultur.jpg

"Auf der Suche nach der Mutterkultur" (257 S., zahlr. Abb., Hardcover) von Gernot L. Geise und Reinhard Prahl erschien 2005 im Michaels-Verlag (Peiting). Erhältlich für € 24.00. ISBN: 5-89559-620-6