Von der Eiszeit bis Rethra

Auf der Suche nach Spuren der fernen Vergangenheit in der Feldberger Landschaft

von unserem Gastautor Frank Grondkowski

Abb. 1 Links: Karte zur geographischen Lage der Feldberger Landschaft (Mecklenburg-Vorpommern); rechts: Der Autor bei seinen Untersuchungen im Gebiet des Schlossbergs

Schon Hans Fallada beschrieb die Feldberger Seenlandschaft wie folgt: "Wer es nicht weiß, kann nicht ahnen, dass jeder dieser dunklen Waldstreifen einen tief ins Land eingeschnittenen, langen See bedeutet, Seen mit dem tiefsten, klarsten Wasser, von einem bezaubernden Türkisgrün oder Azurblau."

Die Oberfläche der Feldberger Landschaft wurde entscheidend in den letzten 25.000 Jahren während der Weichsel-Vereisung und in der anschließenden, bis heute andauernden, Warmzeit geformt. In einer ersten Phase wurden durch aus Skandinavien nach Mitteleuropa vorrückendes Gletschereis tief greifende Rinnen und Mulden gebildet, die durch von Gletschern isolierte Eisblöcke (Toteis) ausgefüllt wurden. Die anschließende Erwärmungsphase führte zur Überdeckung der Toteismassen mit Gletscherschutt. Der nächste Gletschervorstoß vor ca. 15.000 Jahren bildete im Feldberger Gebiet einen stationären Eisrand, der sich noch heute in der block- und geschiebereichen Pommerschen Haupteisrandlage verfolgen lässt. Das Schmelzwasser trat aus Gletschertoren im Eisrand aus und transportierte große Mengen von Sanden und Kiesen, die sich im Vorland der Endmoräne als Sander ablagerten.

Der Grund meiner Reise in die eiszeitliche Gefilde war einerseits die Suche nach Entspannung, in einer der besterhaltenen Endmoränenlandschaften Europas. Erholung an glasklaren Seen, in dichten unheimlichen Nadelwäldern und beim Spaziergang durch uralte Buchenbestände. Andererseits findet man mitten in dieser beeindruckenden, vielfältigen und faszinierenden Landschaft unübersehbare Hinterlassenschaften unserer Vorfahren.

Abb. 2 Ein Lageplan der slawischen Burganlage am Breiten Luzin

Zwischen dem Breiten Luzin, dem Reiher- und Hüttenberg erhebt sich der Schlossberg. Ein Schloss hat hier nie gestanden aber dafür findet man, die größte slawische Höhenburg (7. bis 9. Jhd.) Norddeutschlands, mit einem außerhalb der Burg gelegenen Platz für ein Heiligtum.

Hier vermuteten Archäologen das legendäre Heiligtum Rethra, das Delphi des Nordens. Im Oktober 1922 fand hier eine große Ausgrabung statt. Unter Berücksichtigung des Thietmarschen Textes und den örtlichen Gegebenheiten legten die Experten den Schlossberg als Standort für Rethra fest. Die gefundene Keramik war von außerordentlicher Schönheit und wurde nach dem Ort Feldberg benannt. Im Dienste des Bischofs vom Bamberg stand der Historiker Thietmar von Merseburg (Juli 975 – Dezember 1018). Er beschrieb den Standort der Rethra mit folgenden Worten:

"Est urbs quaedam in pago Riedirierum Ridogast nomine, tricornis ac tres in se continens portas (una quaeque per singula cornua), quam undique silva ab insolis et venerabilis circumclat magna. Duae eiusdem (?) portae cunctis introentibus patent, tercia quae orientem respicit et minima est tramitem ad mare iuxta positum et visa nimis horribile monstrat (quae nulli facile patet). In eadem est nil nisi fanum de ligno artificose compositum, quad pro basibus diversarum sustentatur cornibus betiarum."

Die Übersetzung lautet: "Im Redariergau liegt eine Burg mit Namen Ridogast, dreihörnig angetan mit drei Toren, ganz von einem großen Walde umgeben, den die Bewohner unversehrt und heilig halten. Zwei der Tore stehen allen die hinein wollen offen. Das Dritte, das nach Osten geht und ganz klein ist, hat einen Pfad zu dem nahe gelegenen und schauerlich anzusehenden See und bietet einen schauerlichen Anblick. In dieser Burg steht nichts als der Tempel aus Holz, kunstreich gebaut, der im Fundament von Tierhörnern getragen wird."

Abb. 3 Ein Abschnitt der Überreste des Ringwalls der alten Höhenburg

Der Tempel war wohl nur den Priestern zugänglich, denn hier wurde das Orakel in wichtigen Landesfragen konsultiert. Verehrt wurde auf Rethra der Sohn der Sonne: "Zuaraschiz". Als Orakel diente ein weißes Pferd. Es wurde nach der Zerstörung Rethras im Dezember 1068 durch die deutschen Ritter unter Burchard von Halberstadt als Beute entführt.

Ausgrabungen von 1967 ergaben dann wohl aber, dass die Burg schon vor der Rethra-Zeit verlassen war. Es handelte sich wohl um eine Burganlage der Wilzen, mit Platz für bis zu 1000 Personen. Die Wilzen entstammen slawischer Herkunft und könnten sinngemäß mit "Die Riesen" oder "Die Großen" übersetzt werden. Da das Wissen über die Wilzen im Wesentlichen auf den Aufzeichnungen der fränkischen Annalisten und Historiographen beruht, ist wissenschaftlich nichts bewiesen. In der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur, rund um die Besiedlung, kann man folgende selbsterklärende Textstellen lesen: „Anhaltspunkte für die Annahme, ...Erklärungen bleiben im Dunkeln, es ist versucht worden ...zu identifizieren oder ...so dass offen bleiben muss“. Braucht es mehr, um die Ratlosigkeit der Fachwissenschaftler zu belegen? So muss es doch legitim sein, eigene Gedankenmodelle mit ähnlichen „Fakten“ zu erstellen.

Der von mir besuchte Burgwall bestand aus Vor- und Hauptburg. Die Vorburg besaß einen heute noch sichtbaren Erdwall mit zwei Toren zum Schutz. Das Gelände der Hauptburg lag auf einem Plateau, das bis zu 36 m über dem Seespiegel lag. Damit war die Burg von Seeseite her kaum angreifbar. Weiterhin kann man bei der Wikipedia unter "Burgwall Feldberg" lesen: „Die Hauptburg hatte kein Wallsystem, sondern war wohl nur mit einfacheren Palisaden gesichert.

Abb. 4 Ein Blick ins Innere der alten Burganlage

Nun waren solche Burgwälle kein importierter Bautyp. Es bedurfte zunächst der Herausbildung bestimmter Siedlungs- und Sozialstrukturen der jeweiligen Bevölkerung. Sie entstanden nicht selten am Ort einer älteren, unbefestigten Siedlung. In einigen Fällen wurden sogar verfallene bronze- und eisenzeitliche Anlagen genutzt. Die Epoche der Eisenzeit, welche die Spätbronzezeit ablöste, dauerte etwa von 1800 bis 800 v.Chr. Die eiszeitliche Landschaft bot entsprechende Möglichkeiten, vorhandene Geländestrukturen zu nutzen, und der Hang zur Hauptburg wurde von Menschenhand geböscht. Die laut Literatur nicht vorhandenen Umfassungswälle existierten sehr wohl! Ja, sie wurden nach meinen Recherchen ebenfalls künstlich errichtet und sogar mit Steinen und Palisaden entsprechenden befestigt. Die Existenz einer schützenden Palisade kann nur vermutet werden, ist aber nicht belegt. Nimmt man nun eine Überbauung an, könnte es sich bei der Feldberger Keramik um die jüngsten Funde rund um den Schlossberg handeln. So besteht durchaus die Möglichkeit, dass unter diesen Erdhügeln Spuren früherer Besiedlungen zu finden sind. Damit wäre die Aussage der alten Chronisten, außerhalb der Burg befand sich das Heiligtum von Rethra, wieder im Spiel.

Wie schon beschrieben, beziehen sich die wissenschaftlichen Darstellungen lediglich auf die Überlieferungen der Historiker, den entsprechenden Ausgrabungen und deren Datierung und auf die vermeintliche Chronologie dieser Datierungen. Die Beschreibungen der Orte wie Jomsburg, Vineta oder des Schlossbergs belegen, dass die Historie der Besiedlung durch slawische Einwanderer auf wackligen Füßen steht.

Abb. 5 Eines der rund 100 bronzezeitlichen Hügelgräber in Gebiet der Feldberger Landschaft

Ein weiterer interessanter Hinweis zur Besiedlungsgeschichte des Feldberger Gebietes sind die rund 100 Hügelgräber aus der Bronzezeit (1800 – 600 v. Chr.). Grabhügel können weder zeitlich noch regional eingegrenzt werden. Es gibt sie in Europa regional beinahe durchgängig ab der Steinzeit über die Bronzezeit bis in die Eisenzeit und das Mittelalter. So wurden z.B. alleine in Mecklenburg-Vorpommern 4978 Einzelhügelgräber, sowie 81 Hügelgräberfelder mit ca. 1274 Grabhügeln dokumentiert. Einige davon habe ich persönlich besucht und war sehr erstaunt. Die Suche nach diesen Grabhügeln, in den dichten Wäldern rund um Feldberg, erwies sich als sehr schwierig. Die mächtigen Hügel müssen das Landschaftsbild jahrhundertelang beeinflusst haben, bis sie durch Wind, Flora und Bearbeitung wieder abgetragen und vergessen wurden. Das Erstaunliche ist, das sämtliche Hügelgräber frei von jeglichem Bewuchs sind. Mit dieser Erkenntnis gestaltete sich die anfänglich erschwerte Suche zu einem Kinderspiel. Da die Gräber nicht gepflegt werden, fällt - wie auf dem Foto (Abb. 5) zu erkennen - auf, dass es hier keine Vegetation gibt. Vielleicht sollte man hier ebenfalls entsprechende Messungen durchführen.

Über die Zeit nahmen die Hügelgräber, identisch zur Höhenburg, durch mehrfache Überbauung an Höhe zu, sodass sich ihre ursprüngliche Bedeutung nur erschließt, wenn man sie bis zum Grund abträgt. Nun gibt es nach meinen Recherchen Hoffnung, 'Licht in die Hügel' zu bringen. Durch die Luftbildarchäologie wurden und werden viele dieser Strukturen nach und nach wieder neu entdeckt. Die große Anzahl an Gräbern verschiedenster Kulturen zum Ende des Neolithikums und am Anfang der Bronzezeit im Raum Mitteldeutschland/Norddeutsche Tiefebene sind ein deutliches Indiz dafür, das diese Sichtweise überdacht werden muss. Deutsche und skandinavische Wissenschaftler sind derzeit intensiv darum bemüht, das Phänomen der Hügelgräber greifbar zu machen.

Abb. 6 Einer der rätselhaften steinzeitlichen 'Schalensteine', wie sie zu Hunderten in Europa entdeckt wurden

Ein weiterer spannender Bestandteil dieser alten Kultur sind die vielen hundert Schalensteine (Abb. 6) (markante Granitfindlinge mit tief eingearbeiteten Schälchen) welche in Europa ebenfalls vor dem Neolithikum einzuordnen sind. Wurden diese Schalensteine für rituelle Zwecke genutzt? Ein derartiger Hintergrund ist nicht bekannt sondern wird nur vermutet und doch wurden kreisrunde 'Schälchen' in die Oberfläche der Steine gerieben. Die meisten Schälchen, aus diesem Gebiet, müssen bei Bohrvorgängen entstanden sein. An Einigen war die Spur des Bohrstockes ähnlich gut zu erkennen wie bei Felsgesteinsäxten mit unvollendeter Vollbohrung. Das Max-Planck-Institut München hatte in den 1980er Jahren sogar eine Studie in Auftrag gegeben. Messungen an solchen Steinen ergaben eine höhere Radioaktivität als gewöhnlich! Von entscheidender Bedeutung sind die Stand- und Fundorte dieser Steine. Sie befinden sich auf Abdeckplatten von Großsteingräbern genauso wie auf den Stelen des Heiligtums in Stonehenge sowie am Nord-West-Ufer des Breiten Luzins. Die Verehrung der Toten durch den Bau von Großstein- und Hügelgräbern in Verbindung mit wertvollen Grabbeigaben und einer 'heiligen' Radioaktivität wirft neue Fragen auf.


Anmerkungen und Quellen

Verwendetes Material:

Bild-Quellen:

1) Links: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Feldberger seenlandschaft; rechts: Bildarchiv Frank Grondkowski (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2-5) Bild-Archiv Frank Grondkowski
6) http://www.kulturwerte-mv.de