Lügen mit langen Beinen (Rezension): Unterschied zwischen den Versionen
Bb (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich (2003) [[Bild:Aich Buchcover.jpg|thumb|'''Abb. 1''' [http://en.wikipedia.org/wiki/Prodosh_Aich Prodosh Aich], LÜGEN MIT ...) |
(kein Unterschied)
|
Version vom 11. Dezember 2013, 22:28 Uhr
von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich (2003)
Der Rezensent hat Prodosh Aichs schier unglaubliche 'dokumentarische Erzählung' mit wachsender Faszination gelesen. Fast müßte man das Buch einen 'Wissenschafts–Krimi' nennen. Es ist immer wieder höchst lehrreich, wenn sich ein kompetenter Soziologe mit dem tatsächlichen Zustandekommen von vom Mainstream akzeptierten Lehrmeinungskomplexen (Paradigmata) beschäftigt – indem er Person, wissenschaftliches Lebenswerk und Umfeld der an deren Entstehung beteiligten Gelehrten intensiv studiert.
Dies hat Aich für die Behauptung einer 'indogermanischen Ursprache' respektive 'indogermanischen Sprachenfamilie' sowie einer 'indogermanischen Rasse' (ein Konzept, das ethnische und linguistische Kriterien vermengt) getan. Sein Werk dokumentiert, auf welche wissenschaftlich höchst fragwürdige Weise im Verlaufe des 17. bis 19. Jahrhunderts – von vermeintlichen Sanskrit-Gelehrten – dieser vielleicht folgenschwersten 'Weltbild-Luftballon' der Wissenschaftsgeschichte aufgepustet wurde. Aus dieser 'Arier'-Phantasterei entwickelte sich bekanntlich – nicht zwangsläufig, aber historisch faktisch – zunächst innerhalb der universitären Wissenschaft und in der Folge auch unter außeruniversitären Weltbild-Ideologen der ganze moderne Rassenwahn: die Vorstellung, es gäbe klar voneinander abgrenzbare Rassen der Menschheit, von denen einige höherwertig, andere minderwertiger seien. [1] Zuerst glaubte man, eine 'indogermanische Sprachengemeinschaft' zu erkennen, später eine 'indogermanische Sprachfamilie' [2] per Abstammung etwa im Sinne der Evolutions-Stammbäume der Paläontologie. Und schließlich war die 'Arische Rasse' ein vermeintlich unbezweifelbares Faktum geworden, typisches Produkt des christlich-europäischen Auserwähltheits-Ticks und Sendungsbewußtseins. Selbstredend könnte es sich bei den sogenannten 'indoeuropäischen' Sprachen ebenso gut um Kreolsprachen handeln. Forschungsarbeiten in dieser Richtung dürften vielversprechend sein.
Aich dokumentiert in seinem Buch, daß nicht einer unter den großen Namen dieses Forschungsgebietes zur 'indogermanischen Ursprache' – allesamt bekannte Gelehrte des 17. bis 19. Jahrhunderts, wie etwa Filippo Sassetti, Roberto de Nobili, Sir William Jones, Franz Bopp, Léonard de Chézy, Alexander Hamilton, F. Max Müller u.a. – auch nur entfernt die notwendige fachwissenschaftliche Kompetenz besaß, solche Thesen aufzustellen, wie sie sie de facto verfochten haben. Man sollte dieses augenöffnende Werk unbedingt selbst gelesen haben.
Der Rezensent war zwar im Verlauf langjähriger Studien zu dergleichen Themen auch schon zu der Erkenntnis gekommen, daß es sich bei dem seinerzeit erstellten Lehrmeinungsgebäude um ein eher 'windiges' Unterfangen gehandelt haben müsse. Aber wie schlimm die Sache wirklich steht, ist ihm erst durch Aichs gründliche Arbeit bewußt geworden. „Schlimm“ nicht nur wegen der äußerst mangelhaften fachlichen Kompetenz, die jene beteiligten Gelehrten als Kinder ihrer Zeit nun einmal besaßen. Es ist nämlich Aichs durchaus nicht von der Hand zu weisende zusätzliche These, daß besagte Gelehrte unter erheblichen Druck seitens europäischer Superioritäts- und Vorherrschafts-Interessen standen, ihren 'Arier-Luftballon' fleißig aufzublasen. Wobei wir unter 'Interessen' zunächst vorwiegend kirchlich-missionarische, später eher imperialistisch-kolonisierende zu verstehen haben. Eine der Schlüsselfiguren war dabei der nachmalige Lord Thomas Babington Macaulay, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (mit nur 31 Jahren) die Indienpolitik des Britischen Empires dominierte. Die Details, wie gesagt, sollte sich jeder selbst zu Gemüte führen. Es lohnt.
Anmerkungen und Quellen
Diese Rezension von Dr. Horst Friedrich (©), Wissenschaftshistoriker, wurde erstmals veröffentlicht in der ZEITSCHRIFT FÜR ANOMALISTIK, ISSN 1617-4720 (2003). Bei Atlantisforschung.de erscheint sie im Dez. 2013 im Dr. Horst Friedrich Archiv nach der Online-Version beim ACHARYYA VERLAG FÜR KRITISCHE WISSENSCHAFT in einer redaktionell bearbeiteten (Links und Illustration) Fassung.
Fußnoten:
- ↑ Siehe dazu bei Atlantisforschung.de auch: "Der Mythos von den angeblichen »Rassen« der Menschheit" von Dr. Horst Friedrich (1994)
- ↑ Siehe dazu bei Atlantisforschung.de auch: "Lügen mit langen Beinen - THE >INDO-EUROPEANS< AND THE CONCEPT OF >LANGUAGE FAMILIES<" von Dr. Horst Friedrich (englischsprachig, 2003)
Bild-Quelle: