Wie zivilisiert war der Homo erectus bilzingslebensis?

Version vom 16. April 2016, 05:40 Uhr von Bb (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Abb. 1 Künstlerische Rekonstruktion eines Homo erectus bilzingslebensis von Libor Balák (©)

(bb) Kaum jemand, der ihn nicht kennt, den Homo neanderthalensis oder schlicht "Neandertaler", jenen Urmenschen-Typus, der nach den ersten Funden seiner Art im niederrheinischen Neandertal benannt wurde; aber kennen Sie auch den Homo erectus bilzingslebensis? (Abb.1) Wenn nicht, dann sollten Sie diese Bildungslücke schnellstens schließen, sofern Sie sich für die Entwicklungsgeschichte des Menschen und zivlisations-historische Fragen interessieren. Diese Hominiden, die vor mehr als einer viertel Million Jahren im heutigen Ostdeutschland gelebt haben, wirbeln das althergebrachte Verständnis vom "tierhaften Urmenschen" nämlich ganz schön durcheinander!

In Thüringen, südlich des Kyffhäusergebirges, liegt inmitten ländlicher Idylle das Dorf Bilzingsleben (Abb. 2). Dort befindet sich in einem Steinbruch unweit des kleinen Ortes eine der - ohne Übertreibung - sensationellsten archäologischen Fundstätten der Welt. Auf der sogenannten "Steinrinne" befinden sich die Reste eines festen Siedlungsplatzes von Hominiden des Homo erectus-Typs, die vor etwa 300 000 Jahren in dieser Region ansässig waren. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der Anthropologe Prof. Dr. Dietrich Mania der Erforschung dieser Fundstätte, über die es bei der Forschungsstelle Bilzingsleben heißt: "Der Fundplatz auf der Steinrinne ist seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt, doch erst im Jahre 1969 wurde die eigentliche Hauptfundschicht mit dem Lagerplatz während quartärgeologischer Untersuchungen durch Dietrich Mania entdeckt." [1]

Im Laufe der jahrelangen Grabungsarbeiten gelang es Prof. Dr. Mania und seinem Team, den vollständigen Siedlungsplatz dieser Hominiden freizulegen und zu rekonstruieren. Dies kommt einer wissenschaftliche Sensation gleich, da die Forschung sich nun erstmals ein umfassendes Bild von Lebensumständen und -gewohnheiten dieser Urmenschen machen kann. Darüber hinaus birgt die Fundstätte jedoch auch hochbrisanten wissenschaftlichen 'Sprengstoff':

Abb. 2 Bei dem kleinen Ort Bilzingsleben (hier der Blick von der Steinrinne auf das Dorf) in Thüringen wurden 300 000 Jahre alte Siedlungsspuren des Homo erectus entdeckt, die unser Bild vom "tierhaften" Vormenschen über den Haufen werfen...

"Die Rückschlüsse, die Professor Mania und andere Forscher aus den Funden ziehen können, sind atemberaubend, werfen sie doch einige bestehende Theorien über die Entwicklungsgeschichte der Menschheit über den Haufen. Diese Urmenschen, so die Erkenntnisse, konnten bereits sprechen, mit Symbolen arbeiten und kannten bestimmte Riten." [2]

So entdeckten die Wissenschaftler nicht nur Knochen und Knochenteile, die eindeutig mit Zeichen und Symbolen verziert worden sind, sondern auch einen Platz im Zentrum der Fundstätte, der von den hominiden Bewohnern dieser Siedlung mit großen Steinen "gepflastert" wurde. (Abb. 3)

Im Ergebnis verschieben die Resultate von Prof. Manias Forschung somit einerseits den Beginn menschlicher Kultur und Zivilisation um mehr als eine viertel Million Jahre zurück in die Vergangenheit [3], und belegen andererseits unzweifelhaft, dass viele vermeintliche Errungenschaften des Homo sapiens sapiens lediglich auf der Fortentwicklung und graduellen Verbesserung von Fähigkeiten, Erkenntnissen und Konzepten beruhen, die tatsächlich schon den bisher weit unterschätzten hominiden Vorformen und frühen Zeitgenossen des modernen Menschen zuzurechnen sind.

Mit solchen Szenarien, die den Homo sapiens quasi von der 'Krone der Schöpfung' zu einem etwas größeren Zacken derselben reduzieren, beschäftigte man sich bisher lediglich im Lager der Nonkonformisten, wissenschaftlichen Häretiker und Vertreter alternativer Konzepte der Erd- und Menschheitsgeschichte - also im Kreise "pseudowissenschaftlicher Spinner" und "fehlgeleiteter Laien", für die unser wissenschaftliches Establishment selten mehr als ein müdes Lächeln oder Achselzucken übrig hat.

Abb. 3 Unter Knochenresten, Mikrolithen, Sand und Staub kaum zu erkennen sind auf dieser Aufnahme die Konturen der Steine, mit denen ein Platz im Zentrum der Fundstätte von den Hominiden "gepflastert" wurde.

Kein Wunder, dass Prof. Manias explizite und wissenschaftliche Forschungsergebnisse, die zu solchen Schlussfolgerungen und Thesen berechtigen, in der Scientific community keineswegs Jubelstürme der Begeisterung auslösen, sondern häufig auf Skepsis Ablehnung und Vorverurteilung stoßen.

Allerdings dürfte es Kritikern schwer fallen, die starke Kette von Indzien- und Evidenzen zu zerreißen, an welcher das Forscherteam um Prof. Mania so lange und akribisch geschmiedet hat. In diesem international besetzten Team, "das wenigstens seit 1975 besteht und dem Wissenschaftler aus vielen Ländern Europas, aber auch anderer Kontinente angehören und angehörten", arbeiten nämlich "neben Archäologen und Geologen auch Paläobotaniker, Paläozoologen, Chemiker, Geophysiker und Anthropologen (Mitglieder der Forschungsgruppe Bilzingsleben)"[4] interdisziplinär zusammen.

Zudem ist Mania kein 'skurriler' Außenseiter, sondern ein arrivierter Experte mit hoher Reputation, und die Forschungsgruppe Bilzingsleben ist unter Fachwissenschaftlern keineswegs in einem 'luftleeren Raum' angesiedelt. "So bestehen noch heute sehr gute Kontakte zur Arbeitsgruppe Schöningen um den niedersächsischen Archäologen Dr. Hartmut Thieme oder zur Forschungsgruppe Archäometrie des Heidelberger Max-Planck-Instituts um Prof. Günther A. Wagner." [5]

'Schützenhilfe' liefern den Wissenschaftlern möglicherweise aber auch die Ergebnisse des Paläoanthropologen Mike Morwood von der University of New England, der nachzuweisen können meint, dass der Homo erectus - schon Jahrhunderttausende vor der Bilzingsleben-Kultur - ausgedehnte Seereisen unternahm.

Seit dem Frühjahr 2003 hat nun auch die Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Besichtigung der sensationellen Funde von Bilzingsleben. Im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Halle werden sie in einer Dauerausstellung präsentiert. Neben vielen Original-Exponaten kann man dort u.a. auch eine exakte Replik des gepflasterten Platzes im Zentrum der Fundstätte in Augenschein nehmen.


Zurück zur Rubrik Paläo-Anthropologie und Atlantisforschung


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Webseiten der Forschungsstelle Bilzingsleben, unter http://mitglied.lycos.de/Bilzingsleben/ (nicht mehr online)
  2. Quelle: http://www.mdr.de/sachsen-anhalt-spezial/551759.html
  3. Anmerkung: ... was einmal mehr die Frage nach Sinn oder Unsinn der derzeit gültigen Gliederung der Erdzeitalter aufwirft.
  4. Quelle: Webseiten der Forschungsstelle Bilzingsleben, unter http://mitglied.lycos.de/Bilzingsleben/ (nicht mehr online)
  5. Quelle: ebd.

Weitere Informationen hier: Webseiten der Forschungsstelle Bilzingsleben

Bild-Quellen:

1) Libor Balák, "The Lower and Middle Palaeolithic", bei Antropark
2) http://mitglied.lycos.de/Bilzingsleben/ansicht.htm (nicht mehr online)
3) Wolfgang Hirsch, Urmenschliche Siedlung als Weltkulturerbe? - 370 000 Jahre alte hominide Funde in Bilzingsleben


Forschungsstelle Bilzingsleben:

http://mitglied.lycos.de/Bilzingsleben/fo-stelle.htm (nicht mehr online, s. aber hier)


Introductions in English:

http://www.showcaves.com/english/de/karst/Bilzingsleben.html

http://archaeology.about.com/gi/dynamic/offsite.htm?site=http://intarch.ac.uk/journal/issue8/vollen%5Ftoc.html