Über den Ursprung des Lebens und die Entstehungsgeschichte des Menschen

von unserem Gastautor François de Sarre

Einleitung

Als junger Student, war ich 1967 bei einer Vorlesung des Zoologen Wolfgang F. Gutmann im Senckenberg-Institut (Frankfurt am Main) zugegen. Der zukünftige Professor - zu diesem Zeitpunkt war er Mitarbeiter der Sektion "Vergleichende Anatomie" - hatte bereits seine felsenfeste Überzeugung über den Entwicklungsweg der Tiere: Ihm war klar, dass die Evolution der Lebewesen als eine Abfolge von "Konstruktionen" (d.h. vollständig funktionsfähige Einheiten [1] verstanden werden musste. Sicherlich konnte man die Aufspaltungen in verschiedene Linien [Phyla] nicht aus dem Aufbau der heutigen Lebewesen ablesen, und eben nicht aus den fossilen Resten vergangener Epochen der Erdgeschichte!

Da konnte ich nur zustimmen. Ich war dabei, mich in Ichthyologie [Fischkunde] zu spezialisieren, und die traditionelle Ansicht, Fische ähnlich der heutigen Quastenflosser hätten einst das Land erobert, um sich dann in Amphibien [Lurchtiere] umzuwandeln, erschien mir geradezu ‚an den Haaren’ - oder besser gesagt: an den Schuppen - herbeigezogen!

Fest stand, dass in der heutigen Betrachtungsweise den Fossilien zuviel Achtung geschenkt wird… Das gilt auch (leider!) für die sogenannten Entwicklungsstadien zum Menschen, wie wir‘s im fünften Teil dieses Absatzes ersehen werden.


Die Entstehung der frühen Organismen

Vom Anfang an, sind die Organismen mechanische und eigenständige Systeme, die Energie aufnehmen und in ihrem Gefüge so wandeln, dass sie wiederum ihrem Aufbau und der Fortbewegung dienen. Lebende Organismen müssen durch Eigenleistung Materie und Energie beschaffen - und sich replizieren.

Die hier aufgeführte These zur Umwandlung der Tiere, ist aus Professor Gutmanns Überlegungen und Schriften entlehnt [2]. Sein Schüler, Manfred Grasshoff, hat sie 1993 in vorzüglicher Weise in den Seiten des Senckenberg-Magazins Natur und Museum ausgeführt [3]. Am Anfang waren einfache Bläschen (Vesikel): eine umschliessende Hülle und eine eingeschlossene Füllung! Das Prinzip der Individualität galt schon.

Abb. 1 Die Haupt-Evolutionslinien, die von den Gallertoiden (oben) ausgehen, führen zu den grundlegenden Konstruktions-Typen des Tierreiches. (Nach GRASSHOFF, 1993)

Diese urtümlichen Zellen, die äusserlich ‚modernen’ Bakterien ähneln, wurden schon früh mit Fasernetzen aus Eiweissen ausgestattet, die eine innere Verspannung und Verstärkung der Hülle erbrachten. Schon sehr früh muss eine Aufspaltung in der Entwicklung dieser "Präzyten" oder "Protozyten" genannten Organismen eingetreten sein, und zwar in solche mit festen Hüllen, die in ihrer Zellorganisation unbeweglich sind (spätere Bakterien), und andere mit weichen Hüllen, die sich durch Fibrillen verformten und auf diese Weise bewegten: Professor Gutmann nannte Letztere: "Motiloide" . Die Motiloide sind als Ahnen der Pflanzen, Algen, Pilze und Tiere anzusehen.

Zu den mehrzelligen Tieren hin, werden die "Gallertoide" gesetzt: Diese Tierkonstruktion ist gekennzeichnet durch Gallert-Einlagerung in ein inneres Schlauchsystem, das Endoplasmatische Retikulum, und durch Zilien, welche die Fortbewegung ermöglichen.

In Abb. 1 werden die Gallertoide ins Zentrum der Grafik gestellt, sodass sie die Ausgangsbasis für alle weiteren Evolutionslinien der mehrzelligen Tiere bilden: In der Gallertoid-Konstruktion sind alle wesentlichen Bauteile vorhanden, die den Aufbau der Tiere ausmachen!

Der einsichtige Leser wird sicher fragen, ob solche Gallertoide bereits als Fossilien entdeckt wurden. Ich würde antworten: Noch nicht! Wenn Gallertoide in den Gesteinen der Erde vorhanden sind, dürften sie älter sein [Prä-Kambrium!] als jegliche Sedimente, die bereits Überreste von mehrzelligen Tieren geliefert haben [Ediacara-und Burgess-Formen miteinbezogen].


Die Entwicklung der Tierstämme

Als Professor Wolfgang Gutmann sein eigenes Bild von der Evolution prägte, waren die Zoologen noch bedacht, wie einst Haeckel vor ca. 150 Jahren, Stammbäume aufzustellen, die von den Polypen zu den Wirbeltieren empor leiteten. Fossilien dienten dabei als ‚Marker’ für eine sanft nach oben hinführende Evolutionswelle...

Seitdem hat man erstaunt festgestellt, dass im Kambrium [nach offizieller Zeitrechnung, vor ca. 500 Millionen Jahren] alle Tierstämme plötzlich ‚fertig’ da standen. Man wird also kaum von einer Evolution sprechen können, die sich über hundert Millionen Jahre hinweg langsam vollzogen hat, sodass alle Tierstämme hintereinander‚ der Reihe nach‘, bequem entstehen konnten!

Andererseits, brachten uns die Erkenntnisse der Anatomie bei, dass die Polypen, lange als ‚primitiv’ eingestuft, weil sie eine Körperwandung mit 2 Zellschichten und einen zentralen hohlen Körperraum aufwiesen, ähnlich wie bei den Gastrulae [= Embryonalstadien anderer Gruppen, auch der Vertebraten], nicht ‚einfache’ sondern ‚vereinfachte’ Tiere waren… Aber gerade in diesen Polypen hatte man seit Haeckels Zeiten urtümliche Formen erblickt, die unter den Gesichtspunkten der traditionellen Gestaltmorphologie die idealen Vorstufen zu den ‚höheren Tieren’ darstellten!

Und diese entwicklungsgeschichtliche falsche Vorstellung dauert bis heute an… Für Professor Gutmann jedoch galten solche Überlegungen nicht: die dünnwandige Organisation der Polypen und die Gallertstützung der Medusen werden eindeutig als abgeleitet erklärt, und zwar vom Konstruktionstyp der Gallertoide aus!

Die molekulare Genetik erbrachte weitere Beweise - und das wusste Prof. Gutmann vorerst nicht.

Moderne Genetiker haben herausgefunden, dass gewisse Homeobox-Gene in den verschiedenen Gruppen des Tierreiches erstaunlich ähnlich sind - und auch die selbe Funktion erfüllen [4]. Sie codieren zum Beispiel das Auge: So dürften die Augentypen der Insekten, Wirbeltiere oder Mollusken auf einen einzigen Ursprung zurückgehen!

Früher sprach man da bequem von ‚Konvergenz‘… Der bekannte Naturwissenschaftler Ernst Mayr fand es ganz normal zu behaupten, die Augentypen hätten sich ‚unabhängig voneinander’ mehrfach entwickelt. Nach dem Modell der Konstruktionen können wir aber voraussetzen, dass alle Tiere als Deszendenten der Gallertoide gleich entwickelt sind, und somit über die selben genetischen Anlagen verfügen!

Aber darauf kommen wir noch zu sprechen. Bleiben wir erst einmal bei den Gallertoiden des Präkambriums. Diese bilden den einzigen Konstruktionstyp, in dem die Bedingungen gegeben sind, die für die mehrzelligen Tiere (Metazoa) typischen Bauteile und Arrangements zu gestalten.

Vom Niveau der Gallertoide öffnen sich 2 Haupt-Entwicklungslinien, wenn die Möglichkeiten der Fortbewegung und die der Kanäle zur Nahrungsaufnahme in Betracht gezogen werden. Für Professor Gutmann bestehen also relativ wenig Möglichkeiten biotechnischer Art, die deduktiv ermittelt werden können - und die alle in der Natur verwirklicht erscheinen.

Es sind also 5 Hauptlinien dingfest zu machen (Abb. 1):

1. Antrieb zur Fortbewegung: 2 Modi (= ZILIENantrieb und/oder SCHLÄNGELbewegung länglicher Körperformen).

2. Zilienschwimmer: ihm stehen 3 Arten der Nahrungsaufnahme offen, die 3 Haupt-Evolutionslinien bahnen:

  • Die erste [= Tentakelfang] führt zu den Ctenophoren oder Rippenquallen
  • Die zweite [= Kanalvermehrung] zu den Schwämmen
  • Die dritte [= Kanalerweiterung] zu den Coelenteraten oder Polypen/Medusen

3. Schlängelschwimmer: Schlängelbewegung bei einigen Gallertoiden, um eine zweite Art von Propulsion zu erzeugen.

Es entstehen die Coelomräume in der metameren Anordnung der Körpergliederung. Dabei, schon auf frühestem Evolutionsniveau entwickeln sich 2 Optionen der Nahrungsaufnahme, die wiederum von den urtümlichen Gallertoiden aus in 2 Haupt-Evolutionslinien führen:

4. Bei der ersten [= Mundreuse]ist der Mundbereich starr gehalten: mit Zilienschlag wird Wasser hineingestrudelt und auf Nahrungspartikel ausgefiltert; es erfolgen eine Verdichtung der Längsmuskeln und die Entwicklung eines Achsenstabes [Chorda]. Diese Evolutionslinie führt zu den Wirbeltieren [zu uns!].

5. Bei der zweiten [= Mund beweglich] wurde eben die Beweglichkeit des Mundrandes eingesetzt: es ergab sich eine Ausholung des Körpers aus den vorhandenene Coelomräumen, mit seitlichen Vorsprüngen und Aussteifungen, die zu einer peristaltischen Bewegung [= Körper-Peristaltik-Konstruktion], wie sie in der Anneliden-Konstruktion verwirklicht wurde. Es entwickeln sich hier, einerseits die Arthropoden, und andererseits [= Muskelgitter-Konstruktion] die Mollusken mit Kriechsöhle.


Die Entwicklung der Wirbeltiere

Im Gegensatz zur traditionellen Ansicht, werden hier langgestreckte Tiere, zunächst ohne versteifendes Skelett, als Ausgangsformen gedacht. Diese Rekonstruktion des Evolutionsverlaufs wurde als die "Hydroskelett-Theorie" bekannt. Die entsprechenden Tiere - urtümmliche Schlängelschwimmer - lebten im flachen Ozean des Präkambriums. Sie gelten als Ahnen der Arthropoden [Krebstiere, Insekten, Spinnenartige], der Mollusken, der Stachelhäuter und der Chordaten [Wirbeltiere und verwandte Formen].

Wie bereits 1822 vom französischen Zoologen Etienne Geoffroy Saint-Hilaire erkannt, besteht im Grundbau kein wesentlicher Unterschied zwischen einem Krebstier und einem Wirbeltier, nur scheint Ersteres gegenüber dem Zweiten ‚verdreht‘… Wenn man z.B. einen Flusskrebs auf den Rücken stellt, liegen die Organe wieder so angereiht wie beim Wirbeltier: D.h., oben steht das Neuralrohr, in der Mitte verläuft der Darm, und unten das Herz-System!

So fand irgendwann im Verlauf der Stammesgeschichte eine Inversion um 180 Grad statt. Was wir jetzt von den Homeobox-Genen wissen, ist, dass sie sehr früh angelegt sind, und in den verschiedenen Tierstämmen, nach dem Prinzip des An- und Abschaltens, auf die gleiche Weise funktionieren Dies deutet darauf hin, dass tatsächlich ein Schlängelschwimmer am gemeinsamen Ursprung der Arthropoden und der Wirbeltiere stand. Dieser marine "Wurm" besass Sehzellen am Vorderende, und ein Hydroskelett (Coelomräume mit metamerer Körpergliederung). Dabei scheinen die gleichen Homeobox-Gene für die Stellung der gleichen Organe jetzt noch zu sorgen.

Für den französischen Biologen Thibaut Brunet [5], vollzog sich die Inversion (Umdrehung) in 2 Phasen: die erste (um 90 Grad) erfolgte in senkrechter Haltung, wobei Neuralrohr, Darm und Herz, wie beim bipeden Menschen angelegt sind; die zweite (wiederum um 90 Grad) ergab die heutige ‚normale’ Situation bei vierbeinigen Tieren.

Abb. 2 Phylogenetischer Stammbaum der Wirbeltiere (links, nach Homonculus-Modell) und der Schädellosen (rechts, nach Frankfurter Modell). Nach Gutmann 1972, Grasshoff 1993, F. de Sarre 1994

Abb. 2 zeigt die mögliche Aufspaltung in Wirbeltiere (links) und in Schädellose (rechts), in einer kombinierten Skizze aus Gutmanns Ansichten und aus persönlichen Überlegungen [= Theorie der ursprünglichen Zweifüssigkeit]. In Roland Roth‘s Zeitschrift Omicron berichtete ich bereits 1998 ausführlich über den urtümlichen "marinen Homonculus" [6], den ich aus der Schlängelschwimmer-Konstruktion ableitete. Meines Erachtens führt eben die Formbildung des Menschen zurück, bis zum Stadium des Homonculus, der im Meer seinen runden Schädel und vier Schwimm-Extremitäten entwickelte, bevor er zum Landleben überging!

Die wurmförmige Urform bestand damals aus einem zusammengedrückten, lanzettartigen Körper, ohne echten Kopf. Die wirkliche Innovation bei den zukünftigen Wirbeltieren war ein elastisches Stützorgan, das den Körper durchzog: die Protochorda, die zu unserer Wirbelsäule wurde. Damit unterschied sich dieser Wurm wesentlich von anderen wurmförmigen Kreaturen des Präkambriums.

Ein durchgehender Nervenstrang (Neuralrohr), die Vorbildung unseres Rückenmarkes, lag direkt auf der entstehenden Protochorda. Darunter befand sich der Darm. Das Tier war Allesfresser und ernährte sich von Nahrungsteilchen und kleiner Beute im Wasser. Hinter dem Mund begann der als Kiemenkorb ausgebildete Vorderdarm, der als Filterapparat und auch der Atmung diente. Während die Nahrungspartikel den Magen erreichten, gelangte das Atmungswasser über die Kiemenspalten in die Leibeshöhle (Coelom), die sich am Brachialporus nach aussen hin öffnete. Die Geschlechtsorgane waren paarige Säckchen. Durch den gleichen Branchialporus gelangten auch die Geschlechtszellen nach aussen.

Der Zoologie kundige Leser wird sicher in der oberen Beschreibung viele anatomische Eigentümlichkeiten erkennen, die ihn an das Lanzettfischchen (Amphioxus) erinnern: Achsenskelett, Neuralrohr, innere Segmentierung, Kiemenkorb. Auch gleicht die Lebensweise des zu den schädellosen Acrania gehörende Länzettfischchens, die unseres präkambrischen marinen Wurmes: sie sind beide Kleintierfresser.

Doch dürfte der Amphioxius eine späte Sonderanpassung darstellen: er lebt meist im Sand und ist im freien Wasser nicht aktiv. Auch Pikaia, von Paläontologen in Schichten des Kambriums entdeckt, sieht unserem marinen Wurm nicht unähnlich… Meines Erachtens stellt dieses Fossil ebenfalls eine Weiterentwicklung dar, die nicht zu den unmittelbaren Ahnen der Säuger und des Menschen gehört. Pikaia stand bereits auf einem Seitenast der Evolution und verschwand, ohne Nachfahren zu hinterlassen!


Die Abstammung des Menschen

In weiteren Stadien seiner marinen Entwicklung glich der Vormensch einer Meduse… Der obere Pol diente als Schwimmer: eine von Gas gefüllte Blase, die in den flachen Lagunen des Präkambriums eine Hinauf- und Hinunterbewegung gestattete. Bei Verhärtung der Zellenwand der Blase entstand die Hirnkapsel, dann der endgültige Kopf… Das Gehirn selbst wurde später durch eingewanderte Nervenzellen und Fasern aus dem Bereich des Neuralrohres gebildet.

So erkläre ich die doch eigentümliche originäre Rundung des primären Wirbeltierschädels, die vom Menschen bewahrt wurde. Wie vom Berliner Prof. Max Westenhöfer [7] in Erwägung gezogen, konnte eine derartige Kugelform wohl nur im Wasser entstehen, und keineswegs auf dem Lande, wie oft so noch geglaubt...

Beim Vorgang der Verhärtung des Skeletts bildeten sich die Extremitäten und der knochige Schädel mitsamt Gehirn. Dabei verschob sich die Protochorda wie ein Krummstab unter die Hirnkapsel, wie auch aus den embryologischen Fakten zu ersehen ist. Das Gerüst (Rumpf und Kopf) verblieb nunmehr in senkrechter Position "zugeriegelt". Das erklärt, warum die ersten Wirbeltiere, die das Land eroberten, natürliche Bipeden waren!

Abb. 3 Hypothetische Konstruktion des primitiven Wirbeltieres (Homonculus) mit rundem Schädel: wasser- und luftatmende Stadien. (Nach F. de Sarre 1991)

In den marinen Stadien mit rundem Schädel (Abb. 3) war zunächst eine, wahrscheinlich durch Außenkiemen stattfindende Atmung vorhanden. Dann wurde eine Luftatmung eingeschaltet, da das große Hirn auf eine, dem Metabolismus des ganzen Körpers auch entsprechende, reiche Sauerstoffzufuhr angewiesen war. Zum Luftaustausch dienten wohl zuerst unsere heutigen Ohrausgänge, oberhalb der Wasserlinie, später dann die Nase!

Gleichzeitig traten die Haare auf. Im Zusammenhang mit den Bedürfnissen des Zentralnervensystems, wurde eine thermische Regulation [Homöothermie] des Körpers dringend erforderlich. Da sie viel Energie verschluckt, kam es zu Differenzierung der Zähne: die zerkaute Nahrung wird alsdann viel besser vom Organismus verwertet!

Das Gebären lebendiger Jungen wurde zum Fortpflanzungsmodus, im Zusammenhang mit der Homöothermie und der besseren Energieausnutzung. Das war eine Voraussetzung zum Landbetreten! So wurde das Junge von seinem Erzeuger wie in einer Art tragbarem Aquarium mit sich getragen… Sicherlich wurde nicht nur die erworbene aquatische Lebensgewohnheit des Neugeboren befriedigt, sondern vor allem das Beibehalten des originären Charakters, eines grossen runden Schädels gewährleistet.

Der nächste Evolutionsschritt war eben das Austreten aus dem Wasser und die Adaptation an eine trockene Welt, anfangs am Ufer des Ozeans in einem noch feuchten Biotop.

Nur ein psychisch begabtes ‚neugieriges’ Wesen war damals imstande gewesen, diese wohl von den Paläontologen (die einen auf Stumpfbeinen herumwackelnden Fisch als das erste Landwirbeltier ansehen…) weit unterschätzte Leistung zu vollbringen! Wir (Homo sapiens) sind die direkten Nachfahren dieser einstiger Eroberer: sozusagen die an Land lebende Form, die sich aus dem marinen Homonculus [Urwirbeltier] entwickelte. Es gab nämlich Parallelformen, die im Wasser verblieben: sie wurden zu den heutigen Walen und Delphinen, die entwicklungsgeschichtlich den Ozean sicher nie verlassen haben [8]. Andere Gruppen gingen ins Meer zurück [Fische, Reptilien, Robben, usw.], sie sind wohl aus Vierfüßern hervorgegangen.

Denn auch die anderen Wirbeltiere, ob rezent oder fossil, sind auf den marinen Homonculus zurückzuführen. Seit Haeckel (1866) wissen wir, dass sich in frühen Stadien alle Embryonen der Wirbeltiere gleichen. Die Köpfe sind im Verhältnis zum übrigen Körper gross und rundlich; die aufrechte Haltung wirkt sehr natürlich: Als Prototypus zwingt sich gerade der menschliche Embryo auf! Am Anfang ihrer Entwicklung erscheinen die Tiere nah am Homonculus, dann differenzieren sie sich im Verlauf der fortschreitenden Ontogenese (Abb. 4).

Abb. 4 Die Homonculus-Konstruktion als Grundtypus (Vorstufe) verschiedener Wirbeltier-Typen. Von links nach rechts: bipeder Mensch, quadrupeder Hund, bipeder Vogel, quadrupedes Reptil. (Nach F. de Sarre 1994)

Im Tierreich gibt es weitere Beispiele, wo ein Grundtypus zu mannigfaltigen Formen Anlass gibt: Denken wir an die Nauplius-Larve bei Krebstieren, die zu Krabben und Langusten führt, aber auch zu den Seepocken, zu den Entenmuscheln und zu merkwürdigen sackförmigen Parasiten der Krabben [Sacculina]. Sie stellen alle eine Weiterentwicklung aus dem einen Grundtypus dar, und dementsprechend stellen wohl die heutigen Vierfüsser eine Weiterentwicklung aus dem bipeden Homonculus dar.

Aus diesen Überlegungen heraus vervollständigt sich zusehend das Bild der stammesgeschichtlichen Entstehung der Wirbeltiere. Allerdings werden die alten Vorstellungen über die Evolutions-Reihen regelrecht um 180 Grad gedreht! 5. Die fossilen Menschen

Wenn der Homo sapiens zum direkten Nachkommen des terrestrischen Homonculus erklärt wird, was wird nun aus den fossilen Menschen - oder Menschartigen -, die Jahr für Jahr in mühseliger Arbeit von den Paläontologen ausgegraben werden?

Es sind ganz gewiss Nachstufen des ‚modernen’ Menschen, also dehominisierte Wesen im Sinne von Bernard Heuvelmans [9]. Einwandfreie Reste von echten Menschen wurden in älteren Sedimenten noch nicht entdeckt (oder als solche nicht anerkannt, siehe CREMO & THOMPSON 1993). Vielleicht wurde nicht an den richtigen Plätzen gesucht. Ausserdem dürfen viele Überreste jetzt unter dem heutigen Meeresniveau liegen.

Es ist auf jeden Fall sehr bedauerlich, dass unter falschen theoretischen Voraussetzungen, fossile Hominiden, wie Australopithecus, "Homo" habilis oder die Pithecanthropus, stets als unmittelbare "Ahnenformen" des Homo sapiens angesehen werden. Viele dieser Fossilien gehören gar in die natürliche Variationsbreite des Menschen: am Anfang ihrer Entwicklung stellen sie lediglich Varietäten dar!

Die Theorie der ursprünglichen Zweifüssigkeit schreibt dem Ursäuger einen aufrechten Gang zu. Somit gilt der Affenzustand als weitere Entwicklungsstufe im Dehominisationsprozess, nach dem Zurückziehen in die Bäume und der Änderung der Nahrungsgewohnheiten: Auf diese Weise entstand die für Affen typische Morphologie!

Im Falle des Pithecanthropus (Homo erectus), stellte ich im Pterodactylus-Magazin [11: 19-24, 2002] die Frage auf, ob unser vermeintlicher ‚Vorfahr’ in Wirklichkeit ein Wassermensch gewesen war. Viele der fossilen Funde werden unmittelbar am Meer (Java) oder im Bereich älterer Seen (Ostafrika) gemacht. War der Pithecanthropus gar ein Hochseeschwimmer, der mühelos zwischen fernen Inseln verkehren konnte, wie beispielsweise zwischen Java und Flores [die während des Quartärs nicht durch Landbrücken verbunden waren], und somit weiter nach Australien? Kam er auf diese Weise bis Nordamerika? Zwar wurden da keine fossilen Reste gefunden, doch Sichtungen von grossen haarigen Bipeden (Sasquatch oder Bigfoot genannt) werden im Nordwesten des Landes jährlich gemeldet.

Vor einige Jahren, habe ich bei einer Sitzung des International Bigfoot Society in Hillsboro (Oregon) die Hypothese geäussert, es handle sich da um amphibische Primaten [10] die vom pazifischen Ozean aus, in die dichten Wälder am Küstenrand vordringen, um sich zu paaren. Regelrechten Wanderwegen könne gefolgt werden, und die betreffenden Primaten würden entlang der großen Flüsse bis tief ins Innere des nordamerikanischen Kontinents eindringen, bevor sie gen Norden zurückwanderten, etwa in Richtung des Küstengebietes von Alaska.

In dieser Beziehung käme der aus Java fossil bekannte Meganthropus palaeojavanicus - womöglich eine Riesenform des Homo erectus mit hartem Schädel und knochigen Schädelfortsätzen wie ein Gorilla - gut für eine Identifizierung mit dem Sasquatch in Frage.

Warum eine Lebensweise im Ozean? Wie kam solch eine Spezialisierung überhaupt zustande? Ich würde folgendes zur Debatte bringen: Nach einer weltweiten, klimatischen und umweltzerstörenden Katastrophe hätte es passieren können, dass humane Populationen an Flussmündungen oder am Meerestrand [in Mangrovengebieten] isoliert wurden. Falls dieser Zustand über einige Generationen hinweg angedauert hätte, kann eine langsame Dekadenz einsetzen, sowohl auf geistiger Ebene, wie auch in anatomischer Hinsicht.

Abb. 5 Phylogenetischer Baum der Grundform Homo sapiens und ihrer Radiation im Pleistozän, mit der Abzweigung des Pithecanthropus und des H. neanderthalensis, jeweils nach Durchlauf einer aquatischen oder semi-aquatischen Phase. (Nach de Sarre 2002)

Im Falle vom fossilen Homo erectus, könnte der feste, massive Körperbau auf eine Lebensweise im Wasser hindeuten. Zwar spricht man dabei nicht von Adaptation, sondern eher von Exaptation, im Sinne des Paläontologen Stephen J. Gould: Eigentlich sind die Änderungen am Skelett, hautpsächlich Verhärtung der Knochen, aus physiologischen Ursachen heraus zu erklären! Die Knochenbildung wird nämlich von Hormonen aus der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) reguliert. Bei abnormaler Mineralien-Auflagerung infolge einer Störung des Kalkstoffwechsels, erfolgt eine Knochenverdickung, die besonders im sensiblen Bereich des Schädels zu bemerkenswerten Auswirkungen führen kann: das knochige Gewebe um die Schädelhöhlen schwellt an. So entstehen einige typischen Merkmale des Pithecanthropus: starke Knochenwülste über den Augenhöhlen (torus sus-orbitalis), fliehende Stirn, langgestrecktes Schädeldach. Dabei bleibt der aufrechte Gang erhalten. Doch für einen massiv schweren Körper ist der Aufenthalt im Wasser, zunächst nah am Ufer bei niedrigem, bauchhohem Wasserstand, dann in tieferen Bereichen, bestimmt sehr angebracht! Es gibt da andere Beispiele in der Säugetierreihe: Tapire, Flusspferde, Elefanten… Solch eine semi-aquatische Lebensweise gewährleistet das Beibehalten des massiven Skeletts, solange bis die Charakter genetisch festgeankert werden.

Abb. 5 zeigt den genealogischen Baum der Gattung Homo in den letzten Jahrzehntausenden. Auf konventioneller Sicht soll die Abzweigung vom Pithecanthropus (Homo) erectus vor ca. 2 Millionen Jahren erfolgt sein, und die jüngere Abspaltung des Hyperanthropus (Homo) neanderthalensis vor knapp 500.000 Jahren. Anfangs gleichen sich beide Stadien, denn eine semi-aquatische Phase im Verlauf ihrer Entwicklung scheint unerlässlich zu sein!

Einerseits werden die Pithecanthropus bald zu einer weiteren Aufgabelung einsetzten [manche Formen werden in die Wälder zurückehren, andere verbleiben im Wasser und entwickeln sich gar zu echten Ozeanswesen], andererseits dürfen die Neanderthaler zu den bekannten Glazialzeit-Gestalten werden, die einst Westeuropa besiedelten, in einer Epoche wo die sapiens-Menschen südliche Breiten bevorzugt haben...

Pithekanthropen und Neanderthaler sind eben aus 2 verschiedenen Entwicklungsgeschichten entstanden. Das Dickenwachstum (Mineralisierung) der Knochen erfolgte in beiden Typen anders, wie aus histologischen Schnitten leicht erkenntlich ist: Beim Pithecanthropus beruht dies aus dem Schwellen der inneren und der äusseren Knochenwand, beim Neanderthaler ist die Zwischenschicht (Diploë) verdickt.

Beide ‚robusten’ Menschensorten sind logischerweise aus dem ‚grazilen’ Homo sapiens entstanden.


Epilog

Das hier vorgestellte Modell der Stammesgeschichte von Tier und Mensch steht im Gegensatz zu den traditionellen Entwürfen der Paläontologen und Naturwissenschaftler.

Zunächst dürfte die Entstehung des Lebens einen kosmischen Charakter besitzen. Jeder Organismus ist eine Konstruktion, eine vollständig funktionsfähige Einheit. Nach Professor Wolfgang Gutmann sind die Prinzipien des Aufbaus der Organismen Naturgegebenheiten, und gelten generell für alle Lebewesen.

Nicht fossil belegt sind die Gallertoide aus dem Präkambrium, die als Vorstufen aller heutigen (und früheren) Tiere gelten. In dieser Hinsicht gibt es keine Unterschiede zwischen ‚niedrigen’ und ‚höheren’ Tieren: Schwämme und Medusen, Krebstiere und Insekte, Mollusken und Stachelhäuter sind ebenso weit von den Gallertoiden entfernt wie die Wirbeltiere!

In der von mir vertretenen Ansicht entwickelten sich die Wirbeltiere aus der Homonculus-Konstruktion, die sich von der Arthropoden-Konstruktion durch eine Umdrehung und durch den Erwerb eines flexiblen Stabes, der ohne Kraftaufwand die längliche Form des Körpers beibehält, kennzeichnet. Eine anfängliche Blase stellt den runden Kopf dar, der das wachsende Gehirn als Füllung empfängt. Die Schwimm-Extremitäten entwickelten sich paarig am werdenden Skelett.

Somit war die menschliche Form in diesem Stadium bereits vollendet! Eine wichtige Erkenntnis ist hierbei, dass der Mensch nicht, wie in wissenschaftlichen Kreisen noch üblich behauptet, aus vierfüssig laufenden Tieren hervorgegangen ist, sondern sich selbständig aus dem eigenem Stamm entwickelt hat!

Kopf, Fuss (Bipedie!), Becken und Hand behielten beim ‚modernen’ Menschen (Homo sapiens) ihre originelle Ausstattung. Die übrigen (fossilen oder rezenten) Wirbeltiere, sowie Schwestergruppen, wie die Stachelhäuter, haben lediglich Seitenwege eingeschlagen. Alle leiten sich von der Homonculus-Konstruktion ab.

Der Mensch ist sozusagen undifferenziert (und primitiv!) geblieben: im Gegensatz zu den anderen Wirbeltieren, ist er geredezu "steckengeblieben"… Aus ihm können in gewissen Zeitabständen neue Tierformen hervorgehen.

Zu diesen Formen gehören die von den Paläontologen und von der Weltpresse so hochgepriesenen ‚Lucy‘, ‚Toumaï‘, ‚Ororin‘, usw, die realistischer als Seitenäste im Stammbaum, nicht etwa als unsere ‚Ahnen‘, eingestuft werden sollen. Letztere Vorstellung ist ein geologisches Märchen: Der echte, aufrechtgehende und grossköpfige Mensch existierte lange vor ihnen! Überholte, dogmatische Vorstellungen der Schulwissenschaft werden, so denke ich, noch lange die (TV-)Aktualität beherrschen. Die Geschichte lehrt, dass Änderungsvorgänge [s. Kopernikus, Kepler und Galilei] in den Wissenschaften mühselig sind.

Zeitgenössiche Forscher [11] haben jedoch die Bahn geebnet, indem sie von der gängigen, unsinnigen "Savanne-Theorie" abrückten, und auf die entscheidende Rolle des Wassers in der Evolution des Menschen hinwiesen. Auch wenn meist von "Affen-Vorfahren" die Rede ist...

Der letzte Punkt charakterisiert die leider durch grosse Scheuklappen eingeschränkte Sichtweite und damit widersinnig gerichtete Vorgehensweise der Universitätsgelehrten, die einfach die Tatsache nicht auf sich laden können, dass die menschliche Form als Ausgangspunkt für weitere Tiergestalten gilt.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von François de Sarre wurde erstmalig am 6. Sept. 2003 in der Spezialausgabe von PTERODACTYLUS, redigiert für das Cryptozoologie Seminar in Berlin, publiziert. Bei Atlantisforschung.de erscheint er in einer redaktionell bearbeiteten Fassung nach der Online-Version bei LE BULLETIN DE LA BIPEDIE INITIALE - Editée par le Centre d'Etude et de Recherche sur la Bipédie Initiale: BIPEDIA, N° 22

  1. Anmerkung: Es wird also nicht mit Merkmalen [aus der Morphologie] und mit Anpassung ans Milieu [wie im Darwinismus], sondern mit Autonomie der Organismen und mit physikalischen Prozessen der Formerhaltung und der Energiewandlung, argumentiert!
  2. Wolfgang F. Gutmann & Klaus Bonik (1981): "Kritische Evolutionstheorie", Gerstenberg Verlag, Hildesheim.
  3. Manfred Grasshoff (1993): "Die Evolution der Tiere in neuer Darstellung", Natur und Museum, 123: 204-215, Frankfurt.
  4. Reinhard Junker & Siegfried Scherer (1998): "Evolution - ein kritisches Lehrbuch", Weyel Biologie, Giessen.
  5. Thibaut Brunet (2003): "Etienne Geoffroy Saint-Hilaire revu et corrigé par l‘embryologie et la génétique", Bipedia 21: 1-12, Nizza
  6. François de Sarre (1998): "Waren amphibische Hominiden die ersten Wirbeltiere, die je das Land betreten haben?" - Omicron, 5: 7-13, Roth-Publikationen, Fuldatal. - Siehe auch: François de Sarre (2003): "Waterhabits in Homo erectus and possible Survival", The Track Record, Hillsboro, Oregon, USA; oder: François de Sarre (2003), "WATERHABITS in HOMO ERECTUS and POSSIBLE SURVIVAL", BIPEDIA 22.1
  7. Max Westenhöfer (1942): "Der Eigenweg des Menschen". - W. Mannstaede, Berlin.
  8. François de Sarre (1994): "On the origins of Whales and Dolphins", Bipedia, 11: 1-8, Nizza
  9. Bernard Heuvelmans & Boris Porchnev (1974): "L‘Homme de Néanderthal est toujours vivant", Plon, Paris.
  10. Anmerkung: Eine interessante Parallele kann mit dem Eisbär (Ursus maritimus) gemacht werden, der, auch wenn mit dem Braunbär (Ursus arctos) nah verwandt, einwandfrei Adaptation zum Schwimmen im eiskalten Wasser aufweist. Ausserdem machte er lange Wanderungen um den Nordpol herum. So wäre die ökologische Nische für einen Meeresprimaten, in etwas südlicheren Breiten als denen des Eisbären, schon gebeben!
  11. Alister Hardy (1960): "Was man more aquatic in the past?" - New Scientist, 7: 642-645, London. - Marc Verhaegen et al. (2002): "Aquarboreal Ancestors?" - TREE (Trends in Ecology & Evolution), 17: 212-217; link - Studiecentrum Anthropologie, Mechelbaan 338, B-2580 Putte (Belgium). - Carsten Niemitz (2002): "A Theory on the Evolution of the Habitual Orthograde Human Bipedalism - The ‚Amphibische Generalistentheorie’ ", Anthropologischer Anzeiger, 60 (1): 3-66, Stuttgart.