Über die Irrungen und Wirrungen in der Feldforschung
(dg) Ich kooperiere seit etwa zwei Jahren mit der Forschergruppe „Die Waldgeister“. Sie erkunden mit erheblichem Aufwand in Südwestdeutschland das Gelände nach Hinweisen von Uralt-Bauwerken oder alten Steinbrüchen. Ich habe mehrfach darüber berichtet. Einer der aktivsten Forscher kontaktierte mich kurz vor Jahresende mit einer beeindruckenden Beobachtung in Nordhessen. Dort gibt es um die Kleinstadt Gottsbüren herum nördlich von Kassel ein abgegrenztes, aber großes Areal, das im LIDAR-Scan über und über mit großen Rillen im Gelände schraffiert erscheint. Sollte diese Beobachtung ein Hinweis auf uralte Geoglyphen sein?
Ich selber hatte solche Aufnahmen auch noch nie gesehen. Deshalb kontaktierte ich den Kartographen Prof. Dr. Manfred Buchroithner und bat ihn um Hilfe, dieses rätselhafte Phänomen aufzuklären. Prof. Buchroithner antwortete mir nach dem Jahreswechsel. Er klärte mich auf, dass dies eine waldwirtschaftliche Anbaumethode der 50er und 60er Jahre war, um die Aufforstung großer Nadelwaldpopulationen zu begünstigen. Heute macht man das aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr.
Somit zeigte sich, dass eine Symbiose zwischen Berufswissenschaftlern und Bürgerforschern zu wichtigen Informationen führt, die in diesem Falle, die Bürgerforscher vor falschen und voreiligen Schlussfolgerungen bewahrt hatte. Die Forschergruppe „Waldgeister“ nahm diese Information dankbar auf und korrigierte ihre anfänglichen Spekulationen über vermeintliche frühgeschichtliche Geoglyphen. Das ist jedoch nicht immer selbstverständlich.
Bei der Zusammenarbeit mit anderen Hobbyforschern fällt mir häufig etwas Wichtiges auf: Einigen Amateurforschern fehlt mitunter das Handwerkszeug, mit unterschiedlichen Befunden und Fakten erkenntnisoffen umzugehen. Sie kritisieren die Archäologen allzu schnell als >>Betonkopf-Fraktion<<, um ihre eigenen Theorien bedingungslos zu verteidigen. Dabei wiederholen sie jedoch ähnliche Verhaltensweisen, die sie bei ihren vermeintlichen Gegnern – den Berufswissenschaftlern – so vehement kritisieren.
Deshalb appelliere ich dringend um mehr gegenseitige Toleranz und Achtung der Arbeit des anderen. Das, was Praxisexperten, sich über viele Jahre aufbauen, zerstören sie oft durch ihre erworbene Engstirnigkeit und Unfähigkeit, ihren eigenen Standpunkt kritisch zu reflektieren. Somit kommt es oft nicht mehr zu einem wissenschaftlichen Diskurs über die Fakten und Befunde, sondern nur noch um das Beweisen der eigenen Meinung. Doch das ist weder Wissenschaft noch Archäologie.
Aus diesem Grund zeigt dieses Beispiel exemplarisch auf, wie wichtig Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Amateuren und Berufswissenschaftlern ist. Dank an die wissenschaftliche Kartographie, dass dieser Irrtum durch die enge Zusammenarbeit beider Interessengruppen in Nordhessen verhindert werden konnte. Auf der anderen Seite liefern gerade die Amateurforscher wichtige Beobachtungen, die oft wert sind, mehr wissenschaftlich hinterfragt zu werden (Siehe Tauberbischofsheim u.a. Orte).
Moderne Laserscans (LIDAR) können die Vegetation in dem betreffenden Gebieten vollständig verschwinden lassen. Dann tauchen (links) Bodenreliefstrukturen auf, die man auf normalen 2D-Bildern niemals optisch wahrnehmen könnte. Hier ein großer Ausschnitt von der hessischen Landeswebseite () nordwestlich von Gottsbüren. //
Modern laser scans (LIDAR) can make the vegetation in the affected areas completely disappear. Then (left) ground relief structures appear that one could never visually perceive on normal 2D images. Here is a large excerpt from the Hessian state website () northwest of Gottsbüren.Der LIDAR-Scan offenbart „ackerfurchenartige Rillen“, die jedoch viel tiefer als gewöhnliche Ackerfurchen ins Bodenrelief eingekerbt sind. Genau diese auffälligen Oberflächendetails fielen den Mitgliedern der „Waldgeister“ bei ihren Recherchen auf. //
The LIDAR scan reveals "furrow-like ridges" which, however, are carved into the ground relief much deeper than ordinary furrows. It was precisely these striking surface details that the members of the “Forest Spirits” noticed during their research.Das normale HD-Bild des gleichen Gebietes. Keine Rillen, keine auffälligen Störungen, wie im vorherigen Bild rechts nahe der Mitte. Es handelt sich vermutlich um einen alten Steinbruch. Das Bild veranschaulicht, wie effektiv die Kombination von Feldarbeit und mit Computersuche im Forschungsthema ist. //
A normal image of the same area. No ridges, no noticeable glitches as in the previous image on the right near center. It is probably an old quarry. The picture illustrates how effective the combination of fieldwork and computer search is in the research topic.Ein Gruppenbild nach einer Geländeinspektion nahe Tauberbischofsheim. Einige Mitglieder der Forschergruppe und ich am Ende einer aufwendigen Suche nach verdächtigen Bauwerksresten. //
A group picture after a site inspection near Tauberbischofsheim. Some members of the research group and I at the end of an extensive search for suspicious remains of the old buildings.
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About the trials and tribulations in field research
I have been collaborating with the research group “Die Waldgeister” (Forest Spirits) for about two years. With considerable effort they explore the area in south-west Germany for indications of ancient buildings or old quarries. I have reported about it several times. One of the most active researchers contacted me shortly before the end of the year with an impressive observation in northern Hessen/Germany. There is a demarcated but large area around the small town of Gottsbüren north of the city of Kassel, which in the LIDAR scan appears hatched all over with large grooves in the terrain. Should this observation be a reference to ancient geoglyphs?
I myself had never seen such recordings. Therefore I contacted the cartographer Prof. Dr. Manfred Buchroithner and asked him for help in solving this mysterious phenomenon. Prof. Buchroithner answered me after the turn of the year. He explained to me that this was a forestry cultivation method of the 50's and 60's to favor the reforestation of large coniferous forest populations. This is no longer done today for economic reasons.
It was thus shown that a symbiosis between professional scientists and citizen researchers leads to important information, which in this case saved the citizen researchers from wrong and hasty conclusions. The "Forest Spirits" research group gratefully accepted this information and corrected their initial speculation about prehistoric geoglyphs. However, this is not always a matter of course.
When working with other amateur researchers, I often notice something important: Some amateur researchers sometimes lack the tools to deal with different findings and facts in an open-minded way. They are all too quick to criticize the archaeologists as a "concrete head faction" to unconditionally defend their own theories. In doing so, however, they repeat similar behavior that they so vehemently criticize in their supposed opponents – the professional scientists.
Therefore, I urgently appeal for more mutual tolerance and respect for each other's work. What practice experts build up over many years, they often destroy through their acquired narrow-mindedness and inability to critically reflect on their own point of view. As a result, there is often no longer a scientific discourse about the facts and findings, but only about proving one's own opinion. But that is neither science nor archaeology.
For this reason, this example shows how important cooperation and communication between amateurs and professional scientists is. Thanks to the scientific cartography that this error could be prevented through the close cooperation of both interest groups in North Hessen. On the other hand, amateur researchers in particular provide important observations that are often worth questioning more scientifically (see Tauberbischofsheim and other places).