Aaron DuVal und die Scott-Steine

Abb. 1 Von den vielen erfundenen Geschichten über angebliche Unterwasser-Relikte der Atlantier lassen sich einige mehr, und andere weniger leicht als Fakes identifizieren. Die vorliegende Geschichte gehört zur letzeren Sorte.

(bb) Während 'Ray Browns Kristallpyramide' und ähnliche Geschichten eher ins Kuriositäten-Kabinett gehören, kursieren andere, seriöser verpackte, Falsch-Meldungen häufig über Jahre hinweg in an Atlantis interessierten Kreisen, sorgen für Verwirrung, und tragen zum allgemein schlechten Ruf der Atlantisforschung bei.

Das beste Beispiel für einen solchen "Atlantis-Hoax" in jüngerer Zeit ist die DuVal-Story (im angelsächsischen Sprachraum unter Atlantologen eher als "Tale of the Scott Stones" bekannt) aus dem Jahr 1997. Damals ging am 21. Juni eine Meldung über die Ticker, die - zumindest ein interessiertes Publikum - weltweit aufhorchen lies. In einem Update dieser Presse-Mitteilung hieß es:

"Die Egyptology Society, angeschlossen an das Miami Museum of Science freut sich, die Entdeckung greifbare archäologischer Evidenzen bekanntzugeben, die auf die vormalige Existenz einer entwickelten Zivilisation hindeuten, die Tempel nahe Bimini gebaut hat, welche geologisch auf ein Alter von mehr als zwölftausend Jahre datiert werden können.

Eine vorläufige Analyse hat enthüllt, dass die Original-Strukturen, obgleich von geringerer Größe, weiter entwickelt als die Große Pyramide von Gizeh erscheinen. Die Außenmauern wurden vermessen, welche die selben einzigartigen Winkel aufweisen wie diejenigen an der Großen Pyramide. Dort gibt es exakte Orbital-Bahnen der Planeten und vermutliche Schächte zur Sternenbeobachtung, mit Metall verkleidete Wände und verschiedene Steine von unterschiedlicher Farbe (darunter rot, weiß und schwarz).

Andere Charakteristika ähneln entweder stark Formen bei megalithischen Stätten in Peru, Mexico, Yucatan, Irland und Skandinavien, oder sind mit ihnen identisch. Die Egyptology Society wird in diesem Sommer zu verschiedenen Meetings im Miami Museum of Science einladen, um die Evidenzen der Öffentlichkeit vorzustellen. Das erste Meeting (mit Welt-Premieren-Bildern und Video) am 25. July wird der Ehre des verstorbenen Wissenschaftlers und Explorers J. Manson Valentine gewidmet sein, der 1994 nach fünfundzwanzig Jahren der Forschung verstarb.

Kontakt: Aaron DuVal,...Präsident, Egyptology Society, Miami Museum of Science." [1]

War hier tatsächlich der, je nach Einstellung lange oder völlig unerwartete, jedenfalls handfeste und in seiner Komplexität völlig unbezweifelbare Beweis für die Existenz von Atlantis im Gebiet der heutigen Bahamas erbracht? Während DuVals erste Pressemitteilung zu den angeblichen Funden (06.07.1997) noch keinen direkten Verweis auf Atlantis enthielt, wurde er in einem Interview deutlicher, das er in der Folge einer New-Age-Organisation namens New Heaven New Earth gab: "Atlantis ist eine sehr sensible Angelegenheit", sagte er dort. "Vielleicht wird das hier der Auslöser dafür sein, noch mehr Menschen dazu zu bringen, Ideen zu erforschen, die in der Vergangenheit tabu waren. Megalithische Strukturen gibt es auf den Bahamas vermutlich nicht.

Diese hier ähneln eher dem, was man in Gizeh finden würde als dem, was man in Mexiko oder Peru finden würde, was sehr seltsam erscheint. Die Leute erzählen unglaubliche Dinge, dies könnte z. B. eine neue Interpretation des Verlaufs der menschlichen Geschichte erzwingen." [2] Auf Edgar Cayces Prophezeiungen angesprochen, erklärte er im selben Interview: "Diese Entdeckung steht im Einklang mit seinen Voraussagen. [...] Derzeit sagen wir nicht, dass es Atlantis sei, aber es ist sicherlich seltsam, wie diese Funde nicht nur zu Cayces Voraussagen passen, sondern auch zu Platons Schriften, bis hin zu den metallverkleideten Mauern." [3]

Einer derjenigen, die sich um konkretere Informationen zu dieser vermeintlichen Sensation bemühten, war Christopher Dunn vom US-Magazin Atlantis Rising, der sich umgehend daran machte Kontakt zu DuVal aufzunehmen. Tatsächlich erreichte der Fachjournalist Mr. DuVal telefonisch, der ihm zu seinem Erstaunen erklärte, dass ihm Dunn und seine Artikel keineswegs unbekannt seien. Begeistert schwärmte er dem Journalisten von diversen Ähnlichkeiten vor, welche die in der Pressemitteilung erwähnten Funde mit ägyptischen Objekten hätten, über die Dunn bereits berichtet hatte. "Emphatisch erklärte er, dass ich nicht enttäuscht werden würde, wenn ich nach Florida käme. Er sagte, wenn irgendjemand diese Stätte sehen solle, dann sei ich das. Auf weitere Nachfragen hin sagte er, dass die [am Fundort entdeckten] Steine nicht Teil einer erkennbaren Struktur seien; er wollte nicht darauf antworten als ich ihn fragte, ob sie sich noch an ihrem Ursprungsort befänden." [4]

Auch zu anderen wichtigen Fragen gab sich der "Ägyptologe" am Telefon schweigsam: "Ich fragte DuVal, wo sich die Fundstätte befinde, aber er weigerte sich die Örtlichkeit aufzudecken, indem er angab, die Stätte müsse geschützt werden. Er wollte mir auch nicht verraten, mit was für einem Transportmittel ich zu der Fundstätte gelangen könne. Er meinte, dass die Leute die wahre Natur [des Fundes] noch nicht erkannt hätten. Ich erklärte ihm, dass ich nicht zu seiner Konferenz am 25. Juli kommen könne, da ich in ein anderes Haus umziehen würde. Ich sagte ihm, dass ich es aber möglicherweise zu einem früheren Termin schaffen könnte."[5]

Dunn und Doug Kenyon, der Herausgeber von Atlantis Rising, waren der Meinung, dass sich DuVals Angaben überprüfen und verifizieren lassen müssten; möglicherweise handle es sich ja tatsächlich um eine bemerkenswerte Entdeckung. "Doug hatte bereits mit DuVal geprochen und hatte, obwohl er vorurteilsfrei blieb, seine eigenen Vorbehalte. Dann erzählte er mir von Richard Wingate, einem anderen Forscher und Freund von ihm, der in dieser Gegend gearbeitet hatte. Eine Prämisse, die von Wingate vertreten wurde, war, dass die Moselle-Untiefen (früher: 'Moselle-Riff') nahe Bimini die Ruinen einer prähistorischen Struktur seien. Viele der Stein-blöcke, aus denen der First Street-Landungssteg und andere in Miami bestehen, wurden dem Moselle-Riff entnommen und in den 1920ern auf Lastkähnen herüber gebracht. Zur Stützung seiner Prämisse , dass dies die 'Steine von Atlantis' seien, beschrieb Wingate blüten-blattförmige Löcher, die in 12 Fuß starken Granit gebohrt waren, eine Leistung, für die man, wie er sagte, Schallwellen-Bohrer benötigen würde." [6]

Am 13. Juli erhielt Dunn die folgende E-Mail von DuVal: "Mr. Dunn, wir haben beschlossen, dass es gut für Sie wäre, wenn die die Scott-Steine umgehend sehen würden. Wir wären höchst erfreut, 2 oder 3 Tage damit zu verbringen, sie Ihnen zu zeigen, falls Ihnen dies genug Zeit geben würde, die Aufnahmen und Messungen zu machen, die Sie möglicherweise benötigen. Der beste Zeitpunkt dafür wäre jederzeit zwischen dem 15. Juli und dem 21 Juli. Teilen Sie uns bitte kurz mit, ob Ihnen dies Recht ist. Oder mailen Sie uns, falls Sie einen anderen Zeitpunkt festlegen möchten. Danke für Ihr Interesse an dieser Angelegenheit, Aaron Du Val." [7]

Natürlich klang dies viel versprechend und Dunn antwortete umgehend. "Als ich DuVal erneut anrief, erweiterte er seine Einladung noch und bot sogar meine Unterbringung an, falls ich nach Miami kommen würde. Überschwenglich erklärte er, dass ich von dem, was ich sehen würde, nicht enttäuscht sein werde. Am folgenden Tag, Dienstag dem 15. Juli, buchte ich für den 18. Juli einen Flug nach Miami und ließ DuVal telefonisch meine Ankunftszeit wissen. Er versprach, mich am Flughafen abzuholen." [8]

Bei diesem Telefonat bemühte sich Dunn, für einen geplanten Bericht in Atlantis Rising, weitere Details des 'Sensationsfundes' zu erfahren. Sein Gesprächspartner gab sich jedoch weiterhin recht 'zugeknöpft'. "Er sagte, dass sie den Ort der Fundstätte vermutlich [erst] auf der Konferenz enthüllen würden, da der Platz wiedererkennbar sein könne, sobald die Photos und Videos gezeigt würden. Ich fragte, ob die Stätte sich auf dem Festland befinde. Er gab keine Antwort. Ich fragte ihn, ob der Ort tatsächlich einer der Landungsstege in Miami sei, und beschrieb ihm Richard Wingates Forschungen. Erneutes Schweigen. Er verlangte von mir, dass ich zwei Dinge versprechen sollte: Ich dürfe die Position der Stätte nicht verraten und die Anerkennung für die Entdeckung der Stätte müsse Professor Scott erhalten, der die Grundlagen für ihre Entdeckung geschaffen habe. Ich versicherte ihm, dass ich die Örtlichkeit keines mir von ihm gezeigten Platzes offenlegen würde, der nicht schon zuvor in ähnlicher Weise identifiziert worden sei, und dass die Anerkennung absolut sicher derjenige erhalten werde, dem sie zustehe." [9]

Wenig später begann die Geschichte vollends kurios zu werden. Am 16. Juli 1997 erhielt Dunn erneut einen Anruf von DuVal: "Er entschuldigte sich nervös bei mir dafür, dass er mir die Fundstätte nicht wie verabredet zeigen könne. Ich erklärte ihm, dass ich bereits das Flugzeug-Ticket gekauft hatte, und dass ich bei solch kurzfristigem Rücktritt keine Rückerstattung erhalten könne. Er deutete an, mir die Kosten zu erstatten und fragte nach ihrer Höhe. Als ich sie ihm nannte schluckte er und meinte, er würde mir am kommenden Tag eine E-Mail schicken." [10]

Es muß nicht betont werden, dass Dunn weder die angekündigte E-Mail noch eine Kosten-Erstattung von Herrn DuVal erhielt, aber immerhin verbrachte er ein angenehmes und durchaus informatives Wochenende in Miami, wo er weitere Recherchen anstellte. Selbst im Miami Museum of Science machte Dunn einen Kurzbesuch. Dort brachte er in Erfahrung, dass die Ägyptologische Gesellschaft tatsächlich für den 25. Juli eine Präsentation angemeldet hatte. Wie er vor Ort ebenfalls erfuhr, gehörte diese Gesellschaft allerdings nicht - wie von DuVal behauptet - zum Museum, sondern hielt dort lediglich im Auditorium ihre periodischen Treffen ab.

Auch nach Dunns Rückkehr aus Miami gelang es ihm nicht, mehr Licht in die mysteriöse Angelegenheit zu bringen. Am 27. September meldete sich DuVal noch einmal telefonisch bei ihm. Er entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten, die er dem Journalisten bereitet hatte, und begann, 'auf Zeit zu spielen' (die angekündigte Veranstaltung war schon zuvor auf den 8. August verlegt worden, aber auch dieser Termin wurde nicht eingehalten). So erklärte DuVal nun, die Ägyptologische Gesellschaft "warte auf Laborergebnisse, bevor man der Öffentlichkeit irgendetwas enthüllen werde, wobei er zum Ausdruck brachte, das geschehe zum Schutz der Fundstätte." [11]

In der Folge wurde jedoch immer offensichtlicher, dass dies nur Ausflüchte waren: Bis zum heutigen Tag sind Aaron DuVal und seine "Ägyptologische Gesellschaft" jeden Beweis für die Existenz und Authentizität ihres "Fundes" schuldig geblieben. Die großspurig angekündigten Konferenzen haben nie stattgefunden und es gab auch keine weiteren Presseveröffentlichungen. Was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack und - angesichts der Umstände - die begründete Annahme, dass es sich bei der ganzen Angelegenheit um einen besonders dummdreisten Fake gehandelt hat. Christopher Dunn jedenfalls kam zu dem Schluss: "Substanzlose Berichte wie dieser können ernsthafte Forscher beschädigen, die Evidenzen akzeptieren, welche die Existenz entwickelter Zivilisationen in prähistorischen Zeiten belegen. Sie sind geeignet, das 'Wasser zu trüben' und stärken den orthodoxen Status quo." [12]


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: http://sphinxtemple.virtualave.net/articles/scottstones.html
  2. Quelle: http://www.meta-religion.com/Paranormale/Bermuda_triangle/atlantis_discovery.htm
  3. Quelle: ebd.
  4. Quelle: Christopher Dunn, in: Atlantis Rising, online unter: http://www.atlantisrising.com/issue13/ar13mirage.html
  5. Quelle:ebd.
  6. Quelle: ebd.
  7. Quelle: ebd.
  8. Quelle: ebd.
  9. Quelle: ebd.
  10. Quelle: ebd.
  11. Quelle: ebd.
  12. Quelle: ebd.


(Online-Quellen leider nicht mehr verfügbar)


Bild-Quelle

(1) crystalinks.com, unter: Atlantis Art