Das 100. Jubiläum der Entdeckung von Tutanchamun

Presseinformation ABORA-Projekt - 31. Oktober 2022 - www.abora.eu

Kontakt: Dr. rer. nat. Dominique Görlitz; +49 163 511 57 66 oder dominique.goerlitz*at*t-online.de (bitte "*at*" durch *@* ersetzen, oder, sofern auf Ihrem System möglich, einfach den Link anklicken)

(dg) Im Jahr 1922 machte Howard Carter vermutlich die archäologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts. Im Tal der Könige entdeckte Carter das nahezu ungeplünderte Grab KV62. Die Nachricht davon ging innerhalb von Tagen um die ganze Welt und entfachte großes Interesse, das bis heute nicht abklingt. Dabei sind es nicht nur der intakte Sarkophag mit der weltberühmten Goldmaske, sondern viele, weitere bemerkenswerte Entdeckungen im Grab aus der Zeit von etwa 1.323 v. Chr. Sie alle aufzuführen, würde den Rahmen des Beitrags sprechen. Aber ein Fund – vielleicht einer der wichtigsten im gesamten pharaonischen Ägypten – wird in der ganzen Berichterstattung so gut wie nie erwähnt: Es sind über 100 kleine Käfer, die der italienische Zoologe A. Alfieri (1923) beim Analysieren verschiedener Funde in der Vorkammer machte!

Howard Carter ging im Unterschied zu vielen anderen Archäologen seiner Zeit sehr bedächtig mit der Sensationsentdeckung um. So ließ er das Grab sofort nach der Entdeckung wieder verschließen, um sich sowohl organisatorisch als auch fachlich auf die Bergung vorzubereiten. Dazu gehörte auch Beteiligung zahlreicher Spezialisten aus verschiedenen Fachdisziplinen, um die Funde professionell zu untersuchen. Einer dieser Fachleute war der italienische Zoologe und Insektenkundler A. Alfieri (Les insectes de la tombe de Toutankhamon. 1923. Bulletin de la Societe Entomologique d´Egypte 24:188-189.).

Alfieri entdeckte als erster Biologe, dass in der Vorkammer an den Kanopen und in einer Holzkiste nicht nur Dutzende altweltliche Brot- und Speckkäfer verendeten. Insbesondere an den klebrigen mit Wachs verschlossenen Kanopen entdeckte er mehr als 100 Käfer, die der ursprünglich aus Südamerika stammende Art des Tabakblattkäfers Lasioderma serricorne L. zu geordnet werden konnten. Dass sie in den Grabungslisten von Carter nicht auftauchten, wie auch die anderen altweltlichen Käferarten, ist natürlich auf ihre Winzigkeit zurückzuführen. Die Mehrheit der Ägyptologen lehnt diese Funde dennoch mit der Begründung ab, dass es sich um einen neuzeitlichen Insektenbefall nach der Graböffnung handelt. Gleiches gilt übrigens auch für den Tabakkäfer, den man im Inneren der Bandagen von Ramses II. 1976 in Paris wiederentdeckte. Alles nur Verunreinigungen durch neuzeitliche Tabakkäfer?

Dagegen sprechen eine Vielzahl von Argumenten: 1. Die tausendfachen Nachweise von Nikotin in ägyptischen Mumien durch Dr. Swetlana Balabanova (1994-2015). 2. Die Tabakkäfer sind genau wie ihre altweltlichen Brot- und Speckkäfer Trockenspezialisten, die niemals auf der Suche nach Futter von Grünpflanze zu Grünpflanze fliegen würden. Sie verbreiten sich ausschließlich mit Hilfe ihrer Eier als Trockenparasiten über getrocknete Blätter, Früchte oder Nahrungsmittel. 3. Erst 1993 konnte der amerikanische Insektenkundler J.R. Ashworth (The biology of Lasioderma serricorne. Journal of Stored Products Research 29:291-303) die neuweltliche Herkunft des Tabakkäfers beweisen. Er belegte mit aufwendigen Untersuchungen, dass die Nikotinresistenz des Käfers nicht durch Enzyme im Darm, sondern durch südamerikanische Fadenwürmer erzeugt wird. Diese Fadenwurmart stammt aus dem höheren Amazonastal. Damit ist er keine >Neozoe<, sondern eine >Archäozoe<, die also vor der Entdeckung Amerikas ihre Ausbreitung in die Alte Welt fand. 4. Die beiden Insektenkundler Reed und Vinzand wiesen 1942 durch vergleichende Untersuchungen an den Kiefern der Tabakkäfern aus dem Grab und heutigen Käfern nach, dass sich die Mundwerkzeuge durch Modifikation und Epigenetik erheblich verändert hatten. Die Ursache liegt auch an züchterischen Veränderungen an der Tabakpflanze. 5. Meine eigenen Arbeiten zur Invasionsbiologe des Tabaks sowie anderer Kulturpflanzen. Sie belegen sowohl, dass der Tabak als auch sein Schädling keine Reliktendemiten aus Afrika oder Asien waren und damit aus Amerika stammen sowie, dass sich beide Spezies nicht Menschen unabhängig über den Atlantik hätten ausbreiten können.

Diese Forschungsergebnisse untermauern die Bedeutung des Fundes von Tutanchamun für die Weltarchäologie. Leider sind die Käferfunde aus dem Tal der Könige auf wundersame Weise verschwunden. Man könnte sie heute mit geringem Aufwand mit Hilfe der C14-Methode auf ihr wirkliches Alter datieren. Zudem erhielten Dr. Swetlana Balabanova und ich ihm Rahmen meiner Dissertation keine Genehmigung, um eine Probe für eine Nikotinanalyse von der Mumie von Tutanchamun zu nehmen. Die Daten von Pharao Ramses II. (1976) und vieler anderer prominenten Mumien untermauern jedoch die Theorie, dass die alten Ägypter einen Zugang zu diesen wertvollen amerikanischen Pflanzenstoffen besaßen – entweder über die Kulturvölker des Atlantiks oder des Pazifiks.

Genau aus diesem Grund plane ich meine neue ABORA V Expedition, um ein für alle Mal im Großexperiment die Existenz eines solchen Fernhandelsnetzes zu dokumentieren. Außerdem eröffnen Gerüchte um neue präkolumbische Tabakfunde in Marokko erneut die Diskussion, um frühe Handelsfahrten bisher unbekannter Kulturen. In den Ausblicken meiner Promotion sagte ich bereits solche künftige Entdeckungen voraus, denn die vermutenden Kandidaten, wie z.B. die Basken, die Iberokelten oder die Berber, bringen alle Voraussetzungen für jene Handelsexpansionen mit. Gleiches gilt auch für die Völkerschaften auf der anderen Seite des Atlantiks. Völlig unbeachtet von der Öffentlichkeit können internationale Archäologen in Marokko Funde von Maya-Masken oder Maiskolben-Keramiken vorweisen, die sich ja nicht von selbst verbreitet haben konnten. Hier eröffnet sich ein neues Forschungsfeld, denn Anfang und Ende noch nicht genau bestimmbar ist.

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The 100th anniversary of the discovery of Tutankhamun

In 1922, Howard Carter made what is believed to be the archaeological discovery of the 20th century. In the Valley of the Kings, Carter discovered the almost unplundered tomb KV62. The news of this went around the world within days and sparked great interest that has not waned to this day. It is not just the intact sarcophagus with the world-famous gold mask, but many other remarkable discoveries in the tomb from around 1,323 BC. To list them all would go beyond the scope of this article. But one find - perhaps one of the most important in all of Pharaonic Egypt - is almost never mentioned in the whole report: There are over 100 small beetle finds that the Italian zoologist A. Alfieri (1923) made while analyzing various finds in the antechamber!

In contrast to many other archaeologists of his time, Howard Carter dealt with the sensational discovery very carefully. So, he had the grave sealed again immediately after the discovery in order to prepare for the salvage both organizationally and technically. This also included the participation of numerous specialists from various disciplines in order to professionally examine the finds. One of these experts was the Italian zoologist and entomologist A. Alfieri (Les insectes de la tombe de Toutankhamon. 1923. Bulletin de la Societe Entomologique d'Egypte 24:188-189.).

Alfieri was the first biologist to discover that not only dozens of old-world bore and bacon beetles died in the antechamber on the jars and in a wooden box. In particular, he discovered more than 100 beetles on the sticky jars sealed with wax, which could be assigned to the tobacco leaf beetle Lasioderma serricorne L., which originally came from South America. The fact that they did not appear in Carter's excavation lists, like the other Old World beetle species, is of course due to their tiny size. However, the majority of Egyptologists reject these finds on the grounds that they are a modern insect infestation after the tomb was opened. The same applies to the tobacco beetle, which was rediscovered inside the bandages of Ramses II in Paris in 1976. Is it all just contamination from modern tobacco beetles?

There are a number of arguments against this false statement: 1. The thousands of proofs of nicotine in Egyptian mummies by Dr. Svetlana Balabanova (1994-2015). 2. Tobacco beetles, like their Old World bread and bacon beetles, are dry specialists who would never fly from green plant to green plant in search of food. They spread exclusively with the help of their eggs as dry parasites via dried leaves, fruits or food. 3. It wasn't until 1993 that American entomologist J.R. Ashworth proved the New World origin of the tobacco beetle. Using extensive studies, he proved that the nicotine resistance of the beetle is not produced by enzymes in the gut, but by South American nematodes. This nematode species comes from the higher Amazon valley. It is therefore not a "neozoa" but an “archaeozoa”, which spread to the Old World before the discovery of America. 4. In 1942, the two entomologists Reed and Vinzand proved by similar studies on the jaws of the original tobacco beetles and today's beetles, which are more than 3,200 years younger, that the mouthparts had changed significantly through modification and epigenetics. The cause also lies in breeding changes to the original tobacco plant. 5. My own work on the invasion biologist of tobacco and other crops. They prove both that tobacco and its pest were not relics from Africa or Asia and thus did come from America. These two species must have spread men independently across the Atlantic.

These research results underscore the importance of the discovery of Tutankhamun for the world archaeology. Unfortunately, the beetle finds from the Valley of the Kings have miraculously disappeared today. One could date them to their real age with little effort using the C14 method. In addition, Dr. Svetlana Balabanova and I did not get permission to take a sample for nicotine analysis from Tutankhamun's mummy as part of my dissertation. However, all data from Pharaoh Ramses II (1976) and many other prominent mummies support the theory that the ancient Egyptians had access to these valuable American botanicals - either through the civilized peoples of the Atlantic or the Pacific.

It is precisely for this reason that I am planning my new ABORA V expedition to document the existence of such a long-distance trade network once and for all in a large-scale experiment. In addition, rumors about new pre-Columbian tobacco finds in Morocco open up the discussion about early trade voyages of previously unknown cultures. In the outlook for my doctorate, I already predicted such future discoveries, because the suspected candidates, such as the Basques, the Ibero-Celts or the Berbers, have all the prerequisites for those trade expansions. The same applies to the peoples on the other side of the Atlantic. Completely unnoticed by the public, international archaeologists in Morocco can show finds of Mayan masks or corncob ceramics, which could not have spread by themselves. A new field of research opens up here, because the beginning and end cannot yet be precisely determined.