Die Lösung eines großen Segelrätsels vor 30 Jahren
(dg) Am 24. Juni 1994 – also exakt vor 30 Jahren – nahm die DILMUN III an der 100. Kieler Woche im Olympiahafen Schilksee nahe Kiel teil. An diesem Tag startete ich vermutlich meinen wichtigsten Segeltag, denn am 24. Juni gelang es mir unter den Aufzeichnungen einer Videokamera bei starkem Gegenwind zurück in den Yachthafen zu segeln. Diese Filmaufnahmen (Bild 02) führten nur 6 Wochen später zu einer Einladung von Thor Heyerdahl nach Teneriffa. Der Startschuss für das ABORA-Projekt war damit gelegt.
Die DILMUN III entstand durch den Neuaufbau unseres Schilfseglers DILMUN II, den wir in der Scheune unseres ehemaligen Mitseglers Hartmut Weißenborn in Hochheim mit zwei Lagen neuen Schilfes erweiterten. Dieses Verfahren war auch Test, um herauszufinden, ob man durch die Auflage von neuem Schilf die Lebensdauer eines Schilfbootes „künstlich“ verlängern kann.
Das Experiment gelang und wir nahmen außer Konkurrenz an den Segelregatten eines der ehrwürdigsten Segelevents der Welt teil. Anfangs tat wir uns schwer, denn wir mussten hier erstmals gegen unsichtbare Strömungen ansegeln, die wir nicht von unserem Heimatsee in Wangenheim/Thüringen kannten. Außerdem erkannte ich in Kiel, dass wir ein Jahr zuvor die prähistorischen Felsbilder nicht richtig interpretierten. Es erfolgte ein Versatz der achterlichen Schwerter an den Bug, um dort mehr Luvgierigkeit zu erzeugen.
Am 24.06.1994 erfolgte der Neustart. Die Ergebnisse der Neuinterpretation und des Umbaus waren fantastisch. Wir konnten damals nicht nur höher an den Wind segeln, sondern auch erstmals richtigen Wenden über den Bug segeln. Als am Nachmittag der Wind auf 5 mit Böen auf 7 bft anstieg und die Regatten nach zahlreichen Kenterungen der Sportsegler abgebrochen wurden, schickte uns die Wasserschutzpolizei nach Schilksee zurück. Für die Beamten keine große Sache – für uns jedoch eine Riesen-Herausforderung, denn wir waren nur mit einem beruderten Gummiboot als Eskorte gestartet. Das bedeutete, dass wir damals beweisen mussten, dass ein prähistorischer Schilfsegler tatsächlich gegen den Wind zum Ausgangsort zurückkreuzen kann.
Das Experiment gelang! Nicht nur wir, sondern vor allem unser großes Vorbild Thor Heyerdahl staunte nicht schlecht, als ich ihm nur Wochen später meine Segelvideos und auch prähistorischen Quellen in Teneriffa vorstellte. Fortan schmiedeten wir Pläne, mit neuen Expeditionen gemeinsam dem Vermächtnis der frühen Seefahrer auf die Spur zu kommen…
Mit vollem Segeltuch vor der prächtigen Kulisse des Olympiahafens Schilksee. Hier starteten wir unsere Experimente auf der 100. Kieler Woche 1994. //
With full sails in front of the magnificent backdrop of the Schilksee Olympic Harbour. This is where we started our experiments at the 100th Kiel Week in 1994.Bildkopie aus unserer Videodokumentation „Die ABORA Saga“. Es zeigt die Schilksee-Fähre, die uns auf unserem Kurs entgegenkam. Am Heck sieht man deren Flagge, an der man (blau) die Windrichtung abschätzen kann. Unser Kurs (gelb) zeigt an, dass wir hier unter 75° am Wind die Fähre unter Segeln passierten. Diese Bilder wurden über das KON TIKI Museum Oslo Thor Heyerdahl zugespielt. Sie motivierten den kühnen Norweger mich Neuling im Schilfbootsegeln unbedingt kennen zu lernen! //
Image copy from our video documentation "The ABORA Saga". It shows the Schilksee ferry that came towards us on our course. At the stern you can see its flag, which you can use to estimate the wind direction (blue). Our course (yellow) shows that we passed the ferry under sail at 75° close to the wind. These images were sent to Thor Heyerdahl via the KON TIKI Museum Oslo. They motivated the bold Norwegian to get to know me, a newbie in reed boat sailing!Meine Lebensgefährtin und Mitseglerin der ersten Stunde Cornelia Lorenz und ich kurz vor Abreise von Hochheim nach Kiel. In dem kleinen thüringischen Dörfchen nahe Gotha bauten wir die alte DILMUN II mit zwei Lagen neuen Schilfes um. //
My life partner and fellow sailor from the very beginning, Cornelia Lorenz, and I shortly before departure from Hochheim to Kiel. In the small Thuringian village near Gotha, we rebuilt the old DILMUN II with two layers of new reeds.Die ersten Tests gegen Wind und Strömung gestalteten sich schwierig. Schon zu Beginn bemerkten wir, dass der Segler nicht so gut funktionierte wie erwartet. Das erneute Studium der prähistorischen Felsbilder der Negada-Kultur (Oberägypten im 4. Jts. v. Chr.) brachte mich zu der Erkenntnis, dass vorn am Bug, wie dargestellt, die größten und meisten Seitenschwerter angebracht waren. //
The first tests against wind and currents proved difficult. Right from the start we noticed that the sailboat was not working as well as expected. A renewed study of the prehistoric rock paintings of the Negada culture (Upper Egypt in the 4th millennium BC) led me to the realization that the largest and most leeboards were mounted at the bow, as shown.Blick auf die Schwerthaltungen am Mast. Dieses Schwertpaar diente ausschließlich zur Verminderung der Seitabdrift. Bei den letzten ABORA-Experimenten verzichteten wir auf dieses Paar. Bei ABORA V planen wir die Wiedereinführung dieser Kielschwerter, die wir auch auf steinzeitlichen Abbildungen belegen können. //
View of the daggerboard positions on the mast. This pair of daggerboards was used solely to reduce sideways drift. We did not use this pair in the last ABORA experiments. In ABORA V we plan to reintroduce these daggerboards, which we can also prove in Stone Age images.Thor Heyerdahl und seine Frau Jacqueline wurden fort an unsere besten Förderer. Auf meinen beiden ersten Besuchen auf Teneriffa knüpften Conny und ich eine enge Freundschaft zu beiden, die wir auch noch heute mit Jacqueline Heyerdahl regelmäßig auf Teneriffa pflegen. //
Thor Heyerdahl and his wife Jacqueline became our best supporters. On my first two visits to Tenerife, Conny and I formed a close friendship with both of them, which we still maintain today with Jacqueline Heyerdahl on a regular basis in Tenerife.Segeln auf dem Meer war damals für alle Mitsegler ein unvergessliches Erlebnis. Die Freiheit sich mit seinem Wasserfahrzeug viele Kilometer hinaus aufs Wasser zu bewegen, war für uns „Binnenschiffer“ aus Thüringen eine neue Erfahrung. Dafür aber eine sehr schöne!!! //
Sailing on the sea was an unforgettable experience for all the crew. The freedom to travel many kilometers out on the water with your boat was a new experience for us “inland boaters” from Thuringia. But a very nice one!!!
The solution to a major sailing puzzle 30 years ago
On June 24th, 1994 - exactly 30 years ago - the DILMUN III took part in the 100th Kiel Week in the Schilksee Olympic Harbor near Kiel. That was probably the day I started my most important day of sailing, because on June 24th, I managed to sail back to the marina in a strong headwind while being recorded by a video camera. These film recordings (Image 02) led to an invitation from Thor Heyerdahl to Tenerife just 6 weeks later. This was the starting signal for the ABORA project.
The DILMUN III was created by rebuilding our reed sailing boat DILMUN II, which we extended with two layers of new reed in the barn of our former fellow sailor Hartmut Weißenborn in Hochheim. This process was also a test to find out whether the lifespan of a reed boat could be "artificially" extended by laying down new reeds.
The experiment was a success and we took part in the sailing regattas of one of the most prestigious sailing events in the world, of course out of competition. We had a hard time at first, because for the first time we had to sail against invisible currents that we didn't know from our home lake in Wangenheim/Thuringia. I also realised in Kiel that we had not interpreted the prehistoric rock paintings correctly a year earlier. The aft swords were moved to the bow to create more windward greediness for sailing there.
The boat was restarted on 24 June 1994. The results of the reinterpretation and conversion were fantastic. We were not only able to sail higher into the wind, but also sail proper tacks over the bow for the first time. When the wind rose to 5 with gusts to 7 bft in the afternoon and the regattas were cancelled after numerous capsizing of the sports sailors, the water police sent us back to the yacht club in Schilksee. No big deal for the officials - but a huge challenge for us, because we had only set out with a rowed rubber boat as an escort. That meant that we had to prove that a prehistoric reed sailor could actually sail back against the wind to its starting point.
The experiment was a success! Not only we, but especially our great role model Thor Heyerdahl was amazed when I showed him my sailing videos and prehistoric sources in Tenerife just weeks later. From then on, we made plans to go on new expeditions together to track down the legacy of the early sailors...