Höhlenkundler Dr. Heinrich Kusch im Gespräch mit grenzwissenschaft-aktuell

Faszinierende Einblicke in die Ergebnisse seiner Erforschung der unterirdischen Erdgänge und Erdställe im Alpenraum

Abb. 1 Blick in einen sog. „Streblgang“ in der östlichen Steiermark. Trotz der stark fortgeschrittenen Verwitterung ist immer noch die große Sorgfalt zu erkennen, mit der hier einst gearbeitet wurde. Teilweise fand in deutlich späterer Zeit eine Sekundärnutzung als „Wassergang“ statt.

Graz (Österreich) – Schon von jeher kennt man gerade im Alpenraum unzählige unterirdische Gänge, Höhlen und Kammern, die teilweise künstlich erschaffen oder zumindest ausgebaut wurden. Um die Erdgänge und sogenannten Erdställe ranken sich zahlreiche Sagen, Legenden und auch moderne Mythen. Der Höhlenkundler Dr. Heinrich Kusch von der Universität Graz erforscht schon seit Jahren die unterirdischen Bauten und kommt zu ganz erstaunlichen, zugleich jedoch vielfach auch kontrovers diskutierten Ergebnissen. So sind einige der Anlagen offenbar rund 10.000 Jahre alt – doch je älter die teilweise in festen Fels getriebenen Gänge sind, desto genauer gearbeitet erscheinen sie. Für Kusch lassen die Bearbeitungsspuren und Präzision dieser Bauten bislang nur einen Schluss zu: Hier waren Maschinen am Werk. Im exklusiven Interview berichtet der Wissenschaftler gegenüber „Grenzwissenschaft-Aktuell.de“ (GreWi) über seine Forschung, Ergebnisse und deren Deutung.

GreWi: Sehr geehrter Herr Dr. Kusch, können Sie uns vorab kurz etwas über Sie selbst, Ihren Hintergrund und Forschung berichten?

Dr. Kusch: Bereits als Kind begann ich in der Besatzungszeit vor 1955 die zahlreichen kilometerlangen Luftschutzstollen im Grazer Schlossberg und im Stadtgebiet zu untersuchen. Diese waren damals unsere „Abenteuerspielplätze“. Ab dem Jahre 1957 begann ich dann als Jugendlicher Höhlen und unterirdische Anlagen mit Kollegen von höhlenkundlichen Organisationen und Vereinen systematisch zu erforschen und bin während meiner Jahrzehnten langen Berufslaufbahn ständig dabei geblieben.

Abb. 2 Dr. Heinrich Kusch (Foto: Ingrid Kusch)

So gesehen bin ich mehr als 60 Jahre lang anfangs als Höhlenforscher, später als Anthropospeläologe und Wissenschaftler mit unterirdischen Räumen eng verbunden. War es ursprünglich der Reiz des Abenteuers, so änderte sich dies bald und es wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einem Beruf der mich heute noch voll ausfüllt. In den nachfolgenden drei Jahrzehnten gelang es mir und meiner Frau Ingrid seit 1971 speziell in Europa, Asien, Afrika und Mittelamerika tausende Naturhöhlen aber auch unzählige künstliche unterirdische Anlagen (wie beispielsweise Kanaten, Höhlentempel, Grabanlagen u.v.a.m.) von frühen Hochkulturen zu untersuchen und zu erforschen. Speziell im asiatischen Raum führten wir 30 Jahre lang viele Expeditionen in unbekannte Karstgebiete durch und waren dort als Pioniere in der Höhlenforschung tätig. Fasziniert hat mich hier speziell die Felsbearbeitung der künstlichen unterirdischen Anlagen, die je präziser sie ausgeführt worden sind umso älter in der Datierung waren. Auf diese Weise konnte ich mir in vielen Jahrzehnten ein Wissen aneignen, dass für meine jetzigen Forschungen jeden Tag von Nutzen ist.

Nach meiner universitären Ausbildung an der Karl-Franzens-Universität in Graz wurde ich zum Lehrbeauftragten/Lektor an der Universität. Im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit leitete ich mehrere archäologische Ausgrabungen in Höhlen. Meine Lehrtätigkeit führte mich 1992 mit Studenten auch in die Oststeiermark, wo bis zu diesem Zeitpunkt offiziell nur drei Erdställe, also kleinere künstlich geschaffene unterirdische Anlagen, bekannt waren. Dies wurde dann zum Auslöser für eines der umfangreichsten und aufwendigsten Forschungsprojekte, die ich persönlich je organisierte und jetzt schon über zwei Jahrzehnte andauern. Unzählige Privatpersonen, Kollegen, Grundbesitzer, viele Firmen, das Bundesdenkmalamt, die Gemeinden, mehrere Universitäten im In- und Ausland und speziell der Klerus der Kirche unterstützten uns an Erkenntnisse heranzukommen, die für uns am Beginn der Untersuchungen einfach unvorstellbar gewesen wären.

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Abb. 3 Das Netzwerk aus heute großteils verschlossenen und verfüllten Gängen und Kammern unter
dem oststeirischen Stift Vorau, wie es mit Hilfe von Bodenradar wieder abgebildet werden konnte.

GreWi: Durch einen kürzlichen ORF-Beitrag wurde Ihrer Arbeit gerade im Internet vor wenigen Wochen große Aufmerksamkeit zuteil. Würden Sie uns kurz vorab eine kleine Einführung in die Höhlen und Gänge in der Steiermark, ihre Entdeckung und Erforschung geben?

Dr. Kusch: Diese Frage kann ich Ihnen nur in zwei getrennten Abschnitten beantworten.

Zum einen was die Höhlen der Steiermark anlangt so gibt es derzeit weit über 4400 registrierte Naturhöhlen in den Karstgebieten unseres Bundeslandes Steiermark. Wobei die Erforschung von Naturhöhlen speziell bei uns in der Steiermark schon 1871 systematisch durch Vereine eingeleitet wurde. Unzählige Höhlenforscher (Speläologen) haben bei uns Jahrzehnte lang Naturhöhlen erforscht, sind dabei in unbekannte unterirdische Bereiche vorgedrungen und haben wahrlich Gewaltiges geleistet.

Zuerst hat man mit einfachen Mitteln wie Kerzen, Fackeln und Laternen bzw. später mit Karbidlampen die Höhlen befahren und ist in das Unbekannte vorgedrungen. Heute kann durch die moderne Beleuchtungs- und Klettertechnik sehr viel schneller in unerforschte Tiefen vorgestoßen werden. Immerhin haben wir derzeit schon zwei Höhlen mit über 100 km vermessener Länge (die Längste ist über 144 km lang) und drei Schachthöhlen mit je über 1000 m Tiefe in der Obersteiermark.

Abb. 4 Blick in einen Trockenmauergang, der sich deutlich von den Streblgängen (siehe Abb. 1) unterscheidet. Man beachte das Kraggewölbe und die großen Decksteine. In alten kirchlichen Aufzeichnungen wird dieser Gang-Typ als "Legschratteln" bezeichnet.

Wir dürfen die natürlich entstandenen Höhlen in Karstgebieten bzw. im Kalkgestein nicht mit künstlich vom Menschen hergestellten unterirdischen Anlagen in Tiefen- oder Sedimentgesteinen gleichsetzen. Was nun diese künstlichen unterirdischen Anlagen betrifft, so dürfte sich die Anzahl der derzeit bekannten Objekte allein in der Steiermark auf weit über 1200 Stück belaufen. Knapp 800 konnten von uns in den letzten 20 Jahren in der Nordost- bzw. Oststeiermark registriert und erforscht werden, der Rest befindet sich in der Süd-, Südwest- und Obersteiermark. Darunter befinden sich einige Jahrtausende alte, aber auch jüngere Anlagen die vom Menschen unterschiedlich genutzt worden sind, aber auch Bergwerke, in denen nachweisbar vom Neolithikum über die Römerzeit bis in die Neuzeit verschiedene Materialien und Mineralien abgebaut worden sind. Viele dieser Anlagen waren und sind heute noch der einheimischen Bevölkerung sehr gut bekannt. Aber eine relativ große Anzahl an noch unerforschten künstlichen unterirdischen Anlagen wartet derzeit bei uns noch ihrer Erforschung!

GreWi: Im besagten ORF-Beitrag, werden Sie mit den Worten zitiert, dass die Gänge nicht nur „mehr als 10.000 Jahre alt sind“ – also aus der Steinzeit stammen – sondern sogar, dass sie mit einer Präzision erschaffen worden sind, die kaum mit heutigen Maschinen möglich ist.

Dr. Kusch: Dazu gehört einmal richtiggestellt, dass nicht alle unterirdischen Gänge so alt sind. Wir wissen durch Datierungen von einzelnen unterirdischen Objekten heute, dass es sehr wohl Anlagen gibt die Richtwerte eines Herstellungsalters von über 10.000 Jahren aufweisen. Darunter zählen auch einige Erdställe bzw. Schratteln (= mittelalterliche Bezeichnung der Erdstallanlagen) [1] in der Steiermark.

Diese Datierungen wurden mittels „cosmo-dating“ (TCN-Datierung) ermittelt und auch dokumentiert. Die sehr genaue TCN-Datierung (Terrestrial Cosmogenic Nuklides), eine chemisch-physikalische Messmethode, wurde Jahrzehnte lang im Bereich der Geologie verwendet. Vor über zwei Jahrzehnten begann man dann international diese Datierungsart in der Archäologie, beispielsweise um das Herstellungsalter von prähistorischen Steinwerkzeugen zu ermitteln, einzusetzen. Dazu sind langfristig präzise Vor- und Aufbereitungsarbeiten notwendig. Die Auswertung einer einzigen Datierung kann bis zu 1,5 Jahre dauern.

Zur Präzision der Herstellung einzelner Gänge kann nur gesagt werden, dass es derzeit keine bekannte Technik gibt, die in der Lage ist so kleinräumige Gangpassagen mit einer Genauigkeit von nur wenigen Millimetern Abweichung an Decke und Wand zu schaffen. Auch händisch ist dies unmöglich zu erreichen, weil ja das Gestein immer wieder bei Kluft- und Schichtflächen ausbricht und so gesehen zerrissene oder ausgebrochene Gangteile das Gesamtbild prägen würden. Außerdem kann bei einer händischen Arbeit keine Temperatur von über 1200 Grad Celsius an der Werkzeugspitze entstehen, die das Gestein zum Schmelzen bringt, wie an mehreren untersuchten Proben festgestellt werden konnte!

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Abb. 5 Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme (Karl-Franzens-Universität Graz) einer Probe aus
der Wand des sog. „Streblgangs“ (s. Abb. o.). Da es sich laut Materialanalyse nicht um natürlich vorkommendes Eisenoxyd, sondern um sondern um eine Stahllegierung, die Eisen, Sauerstoff,
Mangan, Aluminium, Silicium, Kalium, Calcium, Titan und Chrom enthält handelt, vermuten
die Forscher, dass es sich um einen von einer Werkzeugspitze abgeriebenen „Eisen“-Span handelt,
der ungewöhnlicherweise in verglastem bzw. versintertem Gestein eingeschlossen ist.

GreWi: Bedeutet dann letztere Feststellung für Sie auch, dass die betroffenen Gänge vermutlich mit Maschinen hergestellt wurden?

Dr. Kusch: Ja, die Möglichkeit besteht durchaus.

GreWi: Maschinen also vor 10.000 Jahren!? Wer sollte diese hergestellt und eingesetzt haben?

Dr. Kusch: Die derzeit bekannten Auswertungen belegen einen Arbeitsvorgang, der durch die Werkzeugspuren an den Stollenwänden klar erkennbar ist. Es gibt allerdings bis heute noch keine Antworten und Erklärungen über das WER, WIE, WANN und WARUM! Diese Fragen müssen zum jetzigen Zeitpunkt noch unbeantwortet bleiben, bis neue weiterführende Untersuchungs- und Datierungsergebnisse vorliegen.

GreWi: Welche alternativen Erklärungen sehen Sie in diesen Fällen (Extrempräzision je älter die Gänge sind…) zur Maschinen-Theorie?

Abb. 6 Dr. Heinrich Kusch während der Erkundung eines in den Felsen getriebenen sogenannten Tompganges. (Foto: Ingrid Kusch)

Dr. Kusch: Derzeit kann ich Ihnen keine alternative Erklärung zu Ihrer Frage anbieten, weil gerade in diesem Zusammenhang im Vorfeld sehr viele fundamentierte Fakten (Laserscan, Mikrosondenanalysen, Rasterelektronenmikroskop-Untersuchungen, TCN-Datierungen usw.) in der Forschung berücksichtigt werden müssen um überhaupt andere Versionen in Erwägung ziehen zu können.

GreWi: Darf ich fragen, wie andere Wissenschaftler mit dieser Option – die sie ja auch schon zuvor öffentlich geäußert hatten – umgehen. Sprich: Wie ist die Resonanz darauf aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft?

Dr. Kusch: Durchaus sehr positiv! Immerhin arbeiten wir international mit Wissenschaftlern von über 10 Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen.

GreWi: Einer Ihrer schärfsten und lautesten Kritiker ist der Erdstallforscher Josef Weichenberger von Erdstallforschung.at. Auf seiner Seite nutzt dieser eine Rezension Ihres Buches „Tore zur Unterwelt“ zu einer mehre Seiten langen und entsprechend umfangreichen Kritik an Ihrer Arbeit und Ihren Schlussfolgerungen. Auch wenn dieses Interview sicherlich den Raum für einen Gegendarstellung der einzelnen Kritikpunkte bieten kann, würde mich dennoch Ihre Position dazu interessieren.

Dr. Kusch: Sie finden eine ausführliche Gegendarstellung zu dem von Ihnen zitierten Pamphlet von Herrn Weichenberger unter „Erdstallforschung.com“ und und auf „SubterraVorau.at„. Alle seine Ausführungen basieren ausschließlich auf eingebildeten Behauptungen die jeglicher Beweise und Grundlagen entbehren, sondern nur in seiner Phantasie vorhanden sind! Mehr ist dazu nicht zu sagen.

GreWi: Herr Dr. Kusch, ich bedanke mich für das interessante Interview und ihre ebensolchen Antworten!



Weitere Informationen zur Arbeit von Ingrid und Dr. Heinrich Kusch finden Sie -> HIER


Anmerkungen und Quellen

Dieses Interview (© grenzwissenschaft-aktuell.de) wurde dort am 17. September 2015 unter dem Titel "GreWi-Interview: Höhlenkundler Dr. Heinrich Kusch über die Ergebnisse seiner Erforschung der unterirdischen Erdgänge und Erdställe im Alpenraum" erstveröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint es - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion Grenzwissenschaft.de und von Herrn Dr. Kusch - in einer redaktionell bearbeiteten Fassung mit erweiterter Verlinkung und Illustration.

Fußnote:

  1. Red. Anmerkung (Atlantisforschung.de): Es erscheint interessant, dass 'Schratteln' oder 'Schretl' in Österreich (zumindest jedenfalls im Weinviertel) auch eine Bezeichnung für sagenhafte "kleine, den Zwergen ähnliche Wesen" war, "die immer wieder auftauchen und die Menschen auf die Probe stellen." (Quelle)

Bild-Quellen:

1) Copyright: Heinrich Kusch, aus: Tore zur Unterwelt, (Abb. 32), Verlag F. Sammler, 2009; nach: grenzwissenschaft-aktuell.de
2) Copyright: Ingrid Kusch; Bild-Archiv Heinrich und Ingrid Kusch, nach: grenzwissenschaft-aktuell.de
3) Copyright: Heinrich Kusch, aus „Tore zur Unterwelt“ (Abb. 61), Verlag F. Sammler, 2009; nach: grenzwissenschaft-aktuell.de
4) Copyright: Heinrich Kusch, aus: "Versiegelte Unterwelt" (Abb. 100), Verlag F. Sammler, 2014; nach: grenzwissenschaft-aktuell.de (Bild-Bearbeitung: Hiltibold.Blogspot.com)
5) 
Copyright: Heinrich Kusch, aus: „Versiegelte Unterwelt“ (Abb. 62), Verlag F. Sammler, 2014, nach: grenzwissenschaft-aktuell.de (Bild-Bearbeitung: Hiltibold.Blogspot.com)
6) Copyright: Ingrid Kusch, Bild-Archiv H. und I. Kusch; nach: grenzwissenschaft-aktuell.de