Uraltes versunkenes Megabauwerk in der Ostsee entdeckt
(rmh) Geologen fanden auf dem Grund der Mecklenburger Bucht in der Ostsee ein ungewöhnlich Steinreihe, die beinahe einen Kilometer lang ist. Sie besteht aus eintausend Steinen, die derart regelmäßig angeordnet sind, dass ein natürlicher Ursprung unwahrscheinlich scheint. Aktuell stellte ein deutsches Forscherteam aus unterschiedlichen Disziplinen fest, dass der archäologische Fund definitiv von Menschenhand erbaut wurde. Das Alter der Struktur wird auf weit über 10.000 Jahre beziffert.
Inhaltsverzeichnis
Die Fundstelle
Die Fundstelle liegt ungefähr zehn Kilometer vor der Stadt Rerik in 21 Kilometern Wassertiefe. Die Forscher schlussfolgerten aktuell, dass Menschen aus der Steinzeit die Struktur vermutlich vor ungefähr 11.000 Jahren errichteten. Ihre Erkenntnisse stellten sie vor kurzem im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences vor.
Sie schreiben dort, dass der Steilwall vorrangig zur Rentierjagd diente. Dieser Fund stellt somit die erste Entdeckung einer steinzeitlichen Jagdstruktur im Ostseeraum dar. Dass der Steinwall überhaupt gefunden wurde, war beinahe reiner Zufall, denn eigentlich wollten das Team aus Forschenden und Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das die Struktur schließlich fand, Mangankrusten auf dem Meeresboden der Mecklenburger Bucht untersuchen.
Während sie auf ihrer Erkundung waren, stießen sie auf eine Steinreihe von 970 Metern Länge, die aus ungefähr 1.500 Steinen besteht. Die meisten von ihnen weisen eine Größe von zehn Zentimetern im Durchmesser auf und verbinden mehrere gewaltige Findlinge miteinander. Die Forscher meldeten ihren Fund dem Landesamt für Kultur in Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, das die weiteren Untersuchungen koordinierte.
Natürlicher Ursprung ausgeschlossen
Jetzt wurde mittels modernen geophysikalischen Methoden ein detailliertes 3D-Modell des Grundes erstellt. Anhand von Sedimentproben aus dem südlich angrenzenden Becken konnten die Wissenschaftlicher den möglichen Bauzeitraum des Walles eingrenzen. Des Weiteren erforschten sie bei mehreren Tauchgängen das Megabauwerk aus der Steinzeit mit aller Sorgfalt.
Jakob Geersen, der Erstautor der Studie, erklärte dazu in einer offiziellen Stellungnahme: "Unsere Untersuchungen legen nahe, dass sowohl ein natürlicher Ursprung des Unterwasser-Steinwalls als auch eine Errichtung in der Neuzeit, etwa im Zusammenhang mit der Verlegung von Seekabeln oder dem Steinabbau, wenig wahrscheinlich sind. Die methodische Anordnung der vielen kleinen Steine, die die großen, unbeweglichen Felsbrocken verbinden, spricht dagegen".
Da natürliche Prozesse und ein moderner Ursprung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten, kann der Steinwall erst nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden sein, als die Landschaft noch nicht von der Ostsee überflutet war.
Ursprung Steinzeit
"Zu dieser Zeit lag die Gesamtbevölkerung in ganz Nordeuropa wahrscheinlich unter 5.000 Menschen. Eine ihrer Hauptnahrungsquellen waren Rentierherden, die saisonal durch die spärlich bewachsene postglaziale Landschaft zogen. Die Mauer diente wahrscheinlich dazu, die Rentiere in eine Engstelle zwischen dem angrenzenden Seeufer und der Mauer oder sogar in den See zu treiben, wo die steinzeitlichen Jäger sie leichter mit ihren Waffen töten konnten", erklärt Marcel Brantmöller von der Universität Roststock.
In anderen Teilen der Welt wurden schon vergleichbare prähistorische Jagdstrukturen entdeckt, so z. B. auf dem Grund des Huronsees in Michigan. Hier konnten Archäologen Steinwälle dokumentieren, die für die Jagd auf Karibus - das nordamerikanische Äquivalent zu Rentieren - erbaut wurden. Erstaunlich zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Strukturen wurden entdeckt.
Die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass sie in Bälde noch wehr derartige archäologischen Funde an der deutschen Ostseeküste finden. So sagt Jens Schneider von Deimling von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel: "Wir haben Hinweise auf die Existenz vergleichbarer Steinmauern an anderen Orten in der Mecklenburger Bucht. Auch diese werden wir systematisch untersuchen".
Quellen
Véronique Fritsche: Archäologischer Fund in der Ostsee: Uraltes versunkenes Megabauwerk entdeckt. 31.10.2024. Online auf https://www.futurezone.de/science/article562498/archaeologischer-fund-megabauwerk-ostsee-versunken-steine.html
Jacob Geersen et. al: A submerged Stone Age hunting architecture from the Western Baltic Sea (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024) 12.02.2024. Online auf https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2312008121