Vine Deloria Jr.

Abb. 1 Vine Deloria Jr. (1933-2005) war ein großer Krieger der Lakota-Nation, der seine Waffen - den Geist und die Schreibmaschine - wie kein zweiter einzuzusetzen verstand. (Foto: © Gary Payne, New York Times)

(bb) Der studierte Religionswissenschaftler und Jurist Vine Deloria Jr. (geb. 26. März 1933 in Martin, South Dakota; gest. 13. November 2005 in Golden, Colorado) war ein Aktivist der indianischen Bürgerrechts-Bewegung sowie Wissenschaftskritiker [1] und Alternativ-Historiker aus dem Volk der Lakota (Sioux), der sich über mehr als drei Jahrzehnte hinweg durch sein persönliches Engagement und mit den zahlreichen, von ihm veröffentlichten, Sachbüchern einen großen Namen gemacht hat.

Vine Deloria juniors Großvater war Tipi Sapa (Black Lodge), auch Rev. Philip Joseph Deloria [2] genannt, Priester einer US-amerikanischen Episkopal-Kirche und Anführer der Yankton-Gruppe der Nakota-Nation. Seine Tante war die Anthropologin Ella Deloria (1881-1971). [3] Sein Vater, Vine Sr. (1901-1990), studierte Englisch und christliche Theologie, wurde ein episkopaler Erzdiakon (archdeacon) und war als Missionar im Standing Rock Indianer-Reservat tätig [4], wohin er mit seiner Fmilie aus dem Pine Ridge-Reservat der Oglala-Lakota, und wo Vine Jr. seine Kindheit verbrachte und die Reservats-Schule besuchte.

Danach studierte er zunächst bis zu seiner Graduierung im Jahr 1958 (in "gerneral science") an der Iowa State University [5], und diente in der Folgezeit - von 1954 bis 1956 - beim US Marine Corps. [6] Eigentlich wollte er, der Familientradition folgend, wie sein Vater und Großvater Priester werden, und erwarb 1963 tatsächlich einen theologischen Grad an der Lutheran School of Theology in Rock Island, Illinois. [7] Später entschied er sich jedoch für eine Berufslaufbahn als Jurist, weil er zu der Überzeugung gelangte, seinem Volk so besser helfen zu können, und studierte Jurisprudenz an der University of Colorado, wo er 1970 graduierte.

Bereits während seiner Ausbildung war Vine Deloria Jr. ein Aktivist für die Rechte der Indianer, und er veröffentlichte eine Reihe von Büchern zu diesem Thema. Sein endgültiger Durchbruch als Sachbuch-Autor gelang ihm 1969 mit seinem Werk "Custer Died for Your Sins", in dem er die Behandlung der Indianer durch die US-Regierung und die Ethnologen mit zum Teil beißender Ironie kritisierte.

Zudem war er aktives Mitglied in verschiedenen indianischen Organisationen, und wurde Vorstandsmitglied des National Museum of the American Indian sowie von 1964 an Direktor (executive director) des National Congress of American Indians (NCAI). Während seiner dreijährigen Amtszeit, gelang es ihm nicht nur, die Organisation finanziell zu sanieren, sondern auch die Mitgliedschaft dieses Verbandes wuchs von 19 auf 156 Stämme an. [8]

Abb. 2 Mit 'Red Earth, White Lies' legte Vine Deloria Jr. 1995 eine scharfsinnige Kritik an den modernen Mythen 'weißer' Wissenschaftler zur präkolumbischen Vergangenheit Amerikas vor.

Vine Deloria Jr.`s akademische Laufbahn begann 1970 mit einer vorübergehenden Lehrtätigkeit am Western Washington University College of Ethnic Studies in Bellingham, Washington. Zu dieser Zeit stritt er auch juristisch für die Fischfang-Rechte der dortigen Indianerstämme. Diesen Rechtsstreit focht er bis zur sogenannten 'Boldt Decision' im Jahr 1974 durch, mit welcher die Rechte der Natives bestätigt wurden. [9] Später war er als Gastlehrer an der Pacific School of Religion, an der New School of Religion, und am Colorado College tätig. Seine erste Festanstellung erhielt er dann an der University of Arizona, wo er von 1978 bis 1990 lehrte. Dort etablierte Deloria den ersten Studiengang mit MA-Abschluss (Master's degree program) zu "American Indian Studies" in den USA. [10] Außerdem unterrichtete er an verschiedenen Universitäten Politikwissenschaft [11], um dann 1990 an seine alte Alma Mater, die University of Colorado in Boulder zurückzukehren, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 lehrte. [12] Die letzte Station seiner mehr als dreißigjährigen Lehrtätigkeit wurde das 'College of Law' der University of Arizona, an die es ihn nach seiner Zeit in Boulder noch einmal zurück zog. [13]

Während Vine Delora Jr. (auch posthum) aufgrund seines - allgemein als politisch korrekt empfundenen - Engagements für die Rechte der 'Roten Völker' sowohl in den USA als auch in Europa einen hohen Bekanntheitsgrad und entsprechende Reputation genießt, wird hier wie dort üblicherweise der 'Mantel des Schweigens' über die Tatsache gelegt, dass sich dieser brilliante Kopf auch als scharfsinniger Kritiker des 'Real existierenden Wissenschaftsbetriebs' bleibende Meriten erwarb. Insbesondere während der letzten Dekade seines erfüllten Lebens griff er mit spitzer Feder und der ihm eigenen Ironie zentrale Lehrmeinungen zur Erd-, Menschheits- und Zivilisations-Geschichte an, die er als Produkte abstruser Ideologien entlarvte.

So 'zerlegte' er 1995 in "Red Earth - White Lies" (Abb. 2) nicht nur nach allen Regeln der Kunst das Paradigma der rezenten, spätglazialen Erstbesiedlung des amerikanischen Doppelkontinents via Beringstraße, sondern er präsentierte - neben einem eindrucksvollen Plädoyer für den Katastrophismus - auch eine bissige Polemik gegen die Hypothese 'weißer' Paläontologen, die nordamerikanische Megafauna sei am Ende der jüngsten Eiszeit durch die "Paläo-Indianer" ausgerottet worden. [14] 2002 unternahm er schließlich in Evolution, Creationism, and other modern myths - A Critical Inquiry auch noch einen veritablen Angriff auf den 'Heiligen Gral' der modernen Wissenschaft, die Evolutionslehre - allerdings nicht ohne gleichzeitig auch eine letzte Attacke gegen ihren Antipoden, den christlichen Kreationismus zu reiten.

Als Vine Deloria Jr. am 13. November 2005 mit 72 Jahren nach einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt an den Folgen eines Aneurysma der Hauptschlagader verstarb, schloss ein großer Krieger der Lakota für immer seine Augen, der seine Waffen - den Geist und die Schreibmaschine - wie kein Zweiter einzusetzen wusste. Mit seinen mehr als zwanzig Büchern hat er der Nachwelt jedoch ein noch lange nachhallendes Vermächtnis hinterlassen. Und so kann dieser große Sohn seines Volkes auch über den Tod hinaus fortfahren, das zu bewirken, was ihn auch zu Lebzeiten auszeichete, und was Suzan Shown Harjo, eine Kolumnistin der Zeitschrift Indian Country Today, einmal mit schlichten Worten folgendermaßen beschrieben hat: "Er ermuntert native und nicht-native Menschen dazu, das indigene traditionelle Wissen zu respektieren und von dessen Weisheit zu lernen..." [15]


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Bibliographie

  • Aggressions of civilization: federal Indian policy since the 1880s, Philadelphia: Temple University Press, 1984.
  • Reminiscences of Vine V. Deloria, Yankton Sioux Tribe of South Dakota 1970, New York Times oral history program: American Indian oral history research project. Part II; no. 82.


Anmerkungen und Quellen

Verwendetes Material:

Vine Deloria Jr., "Red Earth - White Lies", Fulcrum Publishing, 1997

IndianerWiki, Stichwort: Vine Deloria Jr.

Kirk Johnson, Vine Deloria Jr., Champion of Indian Rights, Dies at 72, in: New York Times, 15. Nov. 2005

Wikipedia - The Free Encyclopedia, Stichwort: Vine Deloria Jr.

Anonymus, Vine Deloria Jr., giant in Indian Country, dies at 72 - Tuesday, November 15, 2005, bei: indianz.com


Einzelnachweise:

  1. Anmerkung: Einen Schwerpunkt bildete dabei seine Kritik an der US-amerikanischen Mainstream-Anthropologie. Siehe dazu z.B.:

    Indians and Anthropologists.png
    Thomas Biolsi & Larry J. Zimmerman (Hrsg.): "Indians and Anthropologists: Vine Deloria, JR., and the Critique of Anthropology", University of Arizona Press, 1997
  2. Anmerkung: Der Encyclopedia of North American Indians zufolge, ist der Familienname Deloria abgeleitet vom Namen eines französischen Trappers, der Des Lauriers hieß, und um das Jahr 1800 in den Stamm aufgenommen wurde. (Quelle: Kirk Johnson, Vine Deloria Jr., Champion of Indian Rights, Dies at 72, in: New York Times, 15. Nov. 2005 )
  3. Quelle: David J. Wishart, Herausg., Encyclopedia of the Great Plains Indians. Lincoln: University of Nebraska Press, 2007, S. 59 - ISBN 978-0803298620.
  4. Quelle: ebd. S. 60
  5. Quelle: Kirk Johnson, op cit. (NY Times, 15. Nov. 2005)
  6. Quelle: Melissa Lorenz, "Vine Deloria, Jr.", EMuseum @ Minnesota State University, Mankato. 2008 (abgefragt am 27. August 2009)
  7. Quelle: Kirk Johnson, op cit. (NY Times, 15. Nov. 2005)
  8. Quelle: Wilkinson, Charles F. Blood Struggle: The Rise of Modern Indian Naitons. New York: W.W. Norton and Company, 2005, S. 107 - ISBN 978-0393051490
  9. Quelle: Melissa Lorenz, op. cit.
  10. Quelle: ebd.
  11. Quelle: IndianerWiki, Stichwort: Vine Deloria Jr.
  12. "Vine Deloria Jr., Renowned Author And American Indian Leader, Dies At 72." University of Colorado at Boulder News Center. 14 Nov. 2005
  13. Quelle: Melissa Lorenz, op. cit.
  14. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Vine Deloria Jr., "Indianische Urgeschichte" (2009)
  15. Quelle: Anonymus, Vine Deloria Jr., giant in Indian Country, dies at 72 - Tuesday, November 15, 2005, bei: indianz.com


Bild-Quellen

(1) Kirk Johnson, Vine Deloria Jr., Champion of Indian Rights, Dies at 72, in: New York Times, 15. Nov. 2005

(2) Wikipedia - The Free Encyclopedia, Stichwort: Red Earth, White Lies