Warum diese Angst vor einem Wunder?
von unserem Gastautor Walter-Jörg Langbein
Wo ist der Wissenschaftler, der es wagen würde, öffentlich ohne Wenn und Aber zu sagen: Das Turiner Grabtuch ist echt.
Gewiss, er müsste damit rechnen, mit „Gegenbeweisen“ gleichsam in der Luft zerrissen zu werden. Dabei haben Weltraumbildanalsyatoren die Echtheit des Tuches bestätigt. 45 amerikanische Wissenschaftler haben mit Computeranalysen nachgewiesen: das Tuch ist echt, ist keine Fälschung aus dem 14. Jahrhundert. Mit der Hilfe ihrer Computer schufen die Wissenschaftler im Brooks Institute in Santa Barbara (Kalifornien) dreidimensionale Abbildungen des Mannes, der in das Tuch gehüllt war.
Aber auch diese Analysen ließen die Ehrgeizlinge unter den Skeptikern nicht ruhen. Sie schnitten vor zwei Jahren in der Kathedrale von Turin 16 Millimeter breite und 70 Millimeter lange Streifen aus der linken unteren Ecke des Tuches. All dies wurde gefilmt. Drei Institute analysierten diese winzigen, bloß Milligramm schweren Proben und traten mit dem zu erwartenden Ergebnis an die Öffentlichkeit. Das Leichentuch stammt aus den Jahren zwischen 1260 und 1390. Also Schwindel.
Mit anderen Worten: Was die Wissenschaft unter der Leitung des Physikers Samuel Pellicori in Kalifornien festgestellt hatten, war dummes Zeug. Natürlich sei es auch dummes Zeug, so die Skeptiker, dass das Christusnegativbild echt ist, obwohl man weiß, dass kein Maler des 13. Jahrhunderts so ein Gemälde fabrizieren konnte. Das wischen die Herren, die auf die Radiocarbonmethode schwören, verächtlich beiseite. Nein, sagen sie, das Tuch ist allenfalls 600 Jahre alt.
Wenn dem so ist, wie kann dann Ordericus Vitalis bereits um 1130 die Reliquie von Turin beschreiben? Wie konnte dann ein Mönch im 9. Jahrhundert das berühmte Motiv des Leichentuchs an die Wand der Höhlenkirche von Shatli in der Region von Göreme, Kappadokien, malen? Wie konnte dann das „Tuchbildnis, nicht von Menschenhand geschaffen“ bereits im Edessa (heute Urfa in der Osttürkei) des 6. Jahrhunderts öffentlich gezeigt und verehrt werden? Wie ist es dann möglich, dass es bereits unter Kaiser Konstantin anno 313 im römischen Reich Hinweise auf das Grabtuch kursieren, auf das Bildnis Jesu „im sterblichen Fleisch“?
Alle diese Hinweise darauf, dass die umstrittene Reliquie weitaus älter als nur 600 Jahre ist, müssen falsch sein, wenn wir als aufgeklärte Menschen an die Radiocarbon-Datierung glauben wollen. Schließlich kommen gleich drei wissenschaftliche Institute zu dem Schluss, das Tuch sei zwischen 1260 und 1390 fabriziert worden. Und wenn das stimmt, dann kann es nicht das echte Bildnis Jesu tragen.
Wenn dem aber so ist, wie kommt es dann, dass von 58 Pflanzenarten, deren Pollenkörner man auf dem Tuch gefunden hat, nur 17 in West Europa vorkommen? Magie? Oder wollen wir als vermeintlich aufgeklärte Menschen einfach nicht an das Wunder vom Grabtuch glauben und weigern uns deshalb eindeutige Fakten zur Kenntnis zu nehmen? Der israelische Botaniker Prof. Avinoam Danin, hebräische Universität Jeusalem, identifiziert Pflanze nach Pflanze auf dem Tuch. Fakt ist: die typischen Pflanzen wachsen auch oder ausschließlich in der Gegend Palästinas oder Jerusalems.
Schwindel, versichern die Skeptiker weiter, das Tuch kann ja von Kreuzrittern mitgebracht worden sein. Das ist sogar wahrscheinlich. Denn gründlichen Recherchen von Grabtuchforschern zufolge verdanken wir die Reliquie in der Tat eben jenen Kreuzrittern, die es nach Europa brachten! Ist es aber echt oder falsch? Oder anders formuliert: Warum tun wir uns heute so schwer mit dem Wundersamen?
Und wenn es falsch ist, wie kommt es dann, dass Münzabdrücke mit den Buchstaben UCAI auf den Augen der durch Computeranalysen dreidimensional errechneten Gestalt festgestellt wurden? Und diese Münzabdrücke entsprechen einer Kupfermünze, die Pilatus prägen ließ...Die Fakten: Die so genannte Pilatus-Münze trägt die Inschrift „TIBERIOU KAISEROS“ (Kaiser Tiberius). Mehrere Prägungen sind bekannt. Bei einer einzigen unterlief dem Münzmeister ein Fehler. Er schrieb KAISEROS mit C, vermutlich in Anlehnung an das lateinische Caesar. Anno 29 entstand diese Rarität. Und just jene Münzen sind es, deren Abdrücke auf dem Grabtuch eindeutig identifiziert werden können!
Und als ob das nicht der Zufälle schon zu viel sei, fehlen die Daumenabdrücke des Gekreuzigten. Wieso das? Wo sind sie geblieben? Kann es sein, dass durch die Nagelung der Hände der getroffene Medianusnerv die Daumen lähmte und den Abdruck verhinderte? Wie, so die berechtigte Frage an die stets Radiocarbon-Besserwisser, kann das ein Medizinlaie, der sich als Fälscher betätigte, vor vielen Jahrhunderten gewusst haben? Und wie kommt es, dass, wenn er Fälscher am Werk gewesen wäre, die Malspuren fehlen? Die Mikroanalyse hat das ergeben. Es gibt eine graugelbliche Verfärbung an den Flachsfasern, aber wie hätte es ein Maler fertig gebracht, Farben auf Fasern von einem achtzigstel Millimeter anzubringen? Das wäre wahrhaftig ein Wunder.
Wunder sind freilich für uns nicht akzeptabel. So pochen wir auf die Radiocarbon-Datierung, wonach das Tuch nur rund 600 Jahre alt, also eine Fälschung ist. Sind an dieser Altersbestimmung keine Zweifel erlaubt?
Fakt ist: Das Durchschnittsgewicht des Turiner Grabtuchs liegt bei 20 bis 23 Milligramm pro Quadratzentimeter. Die für die Datierung benutzten Proben indes haben ein Durchschnittsgewicht von 42 Milligramm pro Quadratzentimeter. Die Entnahme der Gewebeteilchen ist dokumentarisch sauber belegt. Es kann daher keinen Zweifel daran geben, dass tatsächlich Stückchen vom Originaltuch der Datierung zu Grunde liegen.
Wie kann man dann aber den erheblichen Unterschied zwischen Durchschnittsgewicht von Stoffproben und Gesamttuch erklären? Die Reliquie befindet sich heute nicht mehr komplett im Originalzustand. Sie hat unzählige Ausbesserungen aufzuweisen. Bis ins erste oder zweite nachchristliche Jahrhundert gehen angeblich Beseitigungen von Brandspuren zurück. Zwischen 944 und 1204: Stoffentnahme für Reliquien und Ausbesserungen in Konstantinopel. 1534: Ausbesserungen durch Nonnen in Chambéry nach einem Brand. 1694: verschiedene Restaurierungen.
Müssen wir uns also von einer vermeintlich exakten wissenschaftlichen Erkenntnis verabschieden? Könnte es sein, dass jene Datierungen, die das Grabtuch zu einer Fälschung abstempeln, zu einem Trugschluss führen? Weil wir aus der Tatsache, dass kleine ausgebesserte Teile des Tuchs nur etwa 600 Jahre alt sind, ableiten, die Reliquie in ihrer Gesamtheit sei nur so jung, und damit eine Fälschung?
Damit nicht genug des Zweifels! Inzwischen ist durch „Moskauer Militärakademie, Abteilung Wärmeschutz“ eindeutig nachgewiesen, dass Altersbestimmungen von antiken Stoffen mit Hilfe der Radiocarbonmethode höchst zweifelhaft sind. Kann also die Radiocarbonmethode ein viel zu junges Alter des Leinens ergeben? Das ist im Experiment eindeutig wissenschaftlich bewiesen!
Zur Erinnerung: 1532. Das Grabtuch wird bei einem Brand fast vernichtet, kann noch rechtzeitig gerettet werden. Die Katastrophe wird in unseren Tagen rekonstruiert. Ein nachweislich antiker Stoff wird, wie das Turiner Grabtuch, in einem mit Silber verschweißten Silberkasten, der innen mit Holz verkleidet und Seide ausgeschlagen ist, einem Feuer ausgesetzt. Im Inneren des Kastens laufen bekannte chemische Prozesse ab. Moleküle des Leinens und solche von Silber, Zinn, Seide und Holz vermischen sich. Die Menge von Radiokohlenstoff im Tuch ist jetzt erhöht. Ergebnis: Die Radiocarbonmethode ergibt zwangsläufig ein viel zu junges Alter für das Grabtuch.
Wie alt ist es denn nun wirklich, das Turiner Grabtuch? Dank einer gründlichen Untersuchung des Stoffs durch den belgischen Forscher G. Raes, Direktor des Genter Instituts für Textil-Technologie, wissen wir: das Leinen ist fischgrätenförmig gemustert, in so genannter „Köper-Bindung“ gearbeitet. Dies ist nur mit einem besonderen Webstuhl möglich. In Europa sind bis ins 14. Jahrhundert hinein kein Gewebe vergleichbarer Art bekannt.
Skeptiker, die Angst vor dem Wunder des Grabtuchs von Turin zu haben scheinen, sollten nicht verfrüht frohlocken! Denn aus dem syrischen Raum sind einige Gewebe vergleichbarer Machart bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Sie stammen alle aus der Zeit Christi!
Seit fast einem Jahrhundert tobt der Streit der Wissenschaftler über dies mehr als vier Meter lange Stück Leinen mit dem schattenhaften Bild e i n e s Gekreuzigten. Als vor genau 600 Jahren der Bischof von Troyes an Papst Clemens VII. schrieb, er glaube nicht an die Echtheit des Tuches, auch nicht daran, dass es das Leichentuch Christi sei, war es die Meinungsäußerung eines Laien, nicht mehr. Und in der Kirche von damals saßen Prasser und Ungläubige in hohen Ämtern. Heute ist der Streit bloß noch Wichtigtuerei. Man weiß inzwischen und hat es nachgewiesen, dass ein Gekreuzigter in das Tuch eingehüllt wurde, man weiß auf Grund der Pollenanalysen, dass es älter als 600 Jahre, also nicht die Fälschung ist, für die es gehalten wurde. Warum will man etwas nicht glauben, das bewiesen worden ist? Hat man wieder einmal Angst vor der Wahrheit?