Zum unwissenschaftlichen Missbrauch des Begriffes „das Irrationale“

von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich

Vorbemerkung der Redaktion TRANSWELTEN: Folgender Beitrag bezieht sich auf nachstehendem Zeitungsbericht aus DIE WELT vom 19. Januar 2002:

UMFRAGE: JEDER ZEHNTE ERWACHSENE IN WESTDEUTSCHLAND GLAUBT AN GESPENSTER

Allensbach – Der Glaube an Spuk und böse Geister nimmt zu, und zwar nicht nur bei jungen Harry-Potter-Fans: Jeder zehnte Erwachsene in Westdeutschland glaubt an Gespenster, teilte das Allensbacher Institut für Demoskopie mit. Besonders ausgeprägt ist der Glaube an die Existenz der Spukwesen demnach bei Frauen: Während in einer bundesweiten Erhebung nur fünf Prozent der befragten Männer Gespenster für reale Wesen hielten, waren immerhin elf Prozent der Frauen dieser Überzeugung. Zudem machten die Demoskopen beim Gespensterglauben ein deutliches West-Ost-Gefälle aus: In Ostdeutschland hielten lediglich drei Prozent die Spukgestalten als Realität.

Laut Allensbach bestätigt die Repräsentativbefragung von insgesamt 2030 Deutschen ab 16 Jahren die Ergebnisse früherer Erhebungen. „Wir verzeichnen seit Jahren eine deutliche Zunahme des Glaubens an das Irrationale“, sagte ein Sprecher. So fänden beispielsweise auch esoterische Lehren um Pendel und Orakel zunehmend Anhänger. Ebenso wachse der Glaube an Engel als heilbringende Geistwesen.

Ähnlich verhielt es sich in der aktuellen Umfrage mit dem Glauben an böse Geister: Vier Prozent der Männer und zwölf Prozent der Frauen gaben sich von deren Existenz überzeugt. Von den jungen Frauen zwischen 16 und 29 Jahren glaubte gar jede Fünfte an böse Geister. AFP"

Einer Notiz in der Tageszeitung DIE WELT zufolge hat das Allenbacher Institut für Demoskopie soeben unter der deutschen Bevölkerung eine deutliche Zunahme des „Glaubens an das Irrationale“ festgestellt. Unter dieses „Irrationale“ werden unsichtbare Wesen (Spuk, „Engel“) ebenso gezählt wie Pendel- und Orakeltechniken.

Was soll nun an dergleichen Dingen „irrational“ sein?

Dem DUDEN-Universalwörterbuch zufolge bedeutet „irrational“ das dem Verstand nicht Faßbare, das dem logischen Denken Unzugängliche. Ist nun eine Pendelbefragung oder eine Ausübung des I-Ging-Münzorakels (dessen Zuverlässigkeit dem großen C. G. Jung Bewunderung abnötigte) dem logischen Denken unzugänglich, oder eine beobachtete Spuk-Erscheinung wirklich etwas dem Verstand nicht Faßbares?

Diese Fragen müssen selbstredend verneint werden!

Die Allensbacher Demoskopen scheinen wissenschaftlich respektive erkenntnistheoretisch nicht sattelfest zu sein. Sie sagen „Gauben an das Irrationale“, meinen aber genaugenommen mit „dem Irrationalen“ das von der derzeitigen Mainstream-Wissenschaft als „parawissenschaftlich“ (ein aus wissenschaftsphilosophischer Sicht sinnloses Wort) Verworfene und als nicht-erforschungswürdig Abgelehnte. Damit dürften sie wohl jenen wenigen, fanatischen „Missionaren“ in unserer Schulwissenschaft (leider ein paar davon mit Professorenhut) und den unverbesserlich ewig ihren (wissenschaftlich oft haltlosen) „Senf“ dazugebenden „Skeptikern“ auf den Leim gegangen sein, die mit ebenso penetranter wie unwissenschaftlicher Hartnäckigkeit versuchen, alles über unser derzeitiges schul-naturwissenschaftliche Weltbild Hinausgehende als „irrational“ zu diffamieren.

Aus Sicht der „Wissenschaft von der Wissenschaft“ (Wissenschaftsphilosophie / Wissenschaftstheorie / Erkenntnislehre / Wissenschaftsgeschichte / Wissenschaftssoziologie) kann selbstredend nichts, absolut nichts, als prinzipiell erforschungsunwürdiges Interessengebiet wahrer Wissenschaft abgelehnt werden. Ausgrenzung ist hier ein sicheres Symtom für eine (neo-)scholastische, d.h. letztlich also unwissenschaftliche Geisteshaltung. Das Interessengebiet wahrer Wissenschaft kann per Definition nicht anders als allumfassend sein.

Ein wahrer Forscher und Wissenschaftler wird sich stets an die Mahnung des großen Roger Bacon (1214-1292) halten, wonach das Experiment unentbehrlich für die Erforschung wissenschaftlicher Zusammenhänge, und für die Weiterentwicklung unserer Wissenschaften, sei.

Er wird also gewiss nicht Pendelbefragung oder I-Ging-Orakeltechniken für „irrational“ ansehen, sondern ihr Funktionieren in ernsthaftem Erforschen, experimentell zu ergründen suchen. Nur eine solche Geisteshaltung ist selbstredend „wissenschaftlich“ zu nennen. Und was unsichtbare Geistwesen wie Naturwesen etc. angeht, so kann hier zwar nicht von einer „Wiederholbarkeit des Experimentes“ im Sinne unserer Schul-Physik gesprochen werden (solches zu fordern wäre unsinnig), dennoch kann ich aber auch in einer Erforschung dieses Gebietes nicht das Allergeringste „Irrationale“ entdecken.

Im übrigen handelt es sich hier nicht um einen „Glauben an das Irrationale“, sondern um die Überzeugung, daß es noch vieles gibt, das von unserer Schulwissenschaft bisher noch überhaupt nicht – oder noch nicht auf zuverlässige Weise – erforscht wurde. Hier hat unsere Schulwissenschaft bisher auf vielen Teil-Gebieten versagt, aus pur ideologischen Gründen.


Anmerkungen und Quellen

http://www.transwelten.de/SonstigeAutoren/Autoren_irrational.htm