John Victor Luce

Abb. 1 John Victor Luce (1920-2011)

(red) Der irische Altphilologe John Victor Luce (*21. Mai 1920 – †11. Feb. 2011) [1] (Abb. 1) war als Professor und (nach seiner Emeritierung) als 'Fellow of Classics' für das Trinity College, Dublin, tätig [2], für das er zwischen 1971 und 2005 auch als Public Orator auftrat. [3] Einer breiten Öffentlichkeit wurde Luce vor allem als Verfechter der ‎'Kretominoischen Atlantis-Hypothese' bekannt.

Der in Dublin geborene John V. Luce entstammte einer angesehenen Akademiker-Famile. Er war der Sohn von Arthur Aston Luce (einem altgedienten Fellow des Trinity College), der Neffe von Gordon Hannington Luce (einem renommierten Experten für die Geschichte Asiens, speziell Burmas, sowie Mitglied der Bloomsbury Group), und Cousin ersten Grades des Altphilologen und Romanautors Rex Warner. Seine Schulausbildung erhielt der junge John V. Luce am Cheltenham College in England, und ab 1938 studierte er am Trinity College Klassische Philologie und Philosophie. Bereits in seinem ersten Jahr an der Universität wurde er dort nicht nur zum 'Fellow' seiner Alma Mater, sondern auch zum 'Stiftungs-Studenten' (Foundation Scholar) gewählt - eine höchst ungewöhnliche Ehrung. Bereits vor seinem Vordiplom gewann er Goldmedaillen der Universität, und 1942 graduierte er dort mit besonderer Auszeichnung (First Class Honours) in beiden Fächern.

Bis 1989 war John V. Luce dann als 'Erasmus Smith's Professor of Oratory' an seiner Heimat-Universität aktiv, wo er von 1977 bis 1985 als Senior-Dekan (Senior Dean) und von 1987 bis 1989 als Vize-Provost amtierte. [4] Zwischenzeitlich hielt er aber auch Vorlesungen in Altgriechisch an der University of Glasgow, und er war Gastprofessor für Altphilologie am US-amerikanischen Trinity College, Hartford, Connecticut. Seine Interessen- und Forschungsschwerpunkte lagen unter anderem im Bereich der altgriechischen Philosophie und der Werke Homers, aber er erwarb sich auch Verdienste um die Erforschung der Geschichte seiner Alma Mater. [5] Zudem war John V. Luce - zumindest in jüngeren Jahren - auch ein begeisterter und erfolgreicher Sportler. So gehörte er z.B. der irischen Hockey-Nationalmannschaft an, und leitete als Spielführer die Hockey-, Squash- und Cricket-Teams des Trinity College. [6]

Abb. 2 Das Front-Cover der US-amerikanischen Ausgabe von John Victor Luces, 1969 erschienenem, Hauptwerk in Sachen Atlantis

Was John V. Luces diverse, zumeist populärwissenschaftliche, Buchveröffentlichungen betrifft, so machte ihn vor allem sein 1969 - also zur Zeit des enormen Atlantis-Hypes des 20. Jahrhunderts - erschienenes Erstlingswerk schlagartig bei einem großen Publikum bekannt. In diesem Werk, das unter leicht verschiedenen Namen in Großbritannien ("The End of Atlantis") [7] und in den USA ("Lost Atlantis", Abb. 2) [8] publiziert wurde und noch im selben Jahr auch in deutscher Sprache ("Atlantis. Legende und Wirklichkeit") [9] erschien, reflektierte Luce wissenschaftliche Erkenntnisse über die kretominoische Kultur und ihren, vermutlich durch den spätbronzezeitlichen Ausbruch des Inselvulkans Thera verursachten, Nieder- bzw. Untergang im Kontext des platonischen Atlantisberichts.

Zum Charakter der Atlantida, die er keineswegs als Platonischen Mythos, sondern vielmehr als ein literarisches Amalgam aus Fakten und Fiktion betrachtete, bemerkte J. V. Luce bereits 1969: "Mir schwebt [diesbezüglich] vor, was Aristoteles die >essentielle Handlung< [orig.: "essential plot"; d.Ü.] nennen würde: ein großartiges und hoch zivilisiertes Inselreich strebt nach weltweiter Vorherrschaft, wird von den frühen Griechen besiegt, insbesondere von den Athenern, und fällt später einem Natur-Kataklysmus zum Opfer. Dieses Rahmenwerk schmückte Plato mit einer großen Anzahl bemerkenswerter Details aus." [10] Dabei hielt Luce es für wahrscheinlich, dass Informationen über die Kultur der Kretominoer über eine ägyptische Überlieferung Eingang in Platons Erzählung gefunden haben.

Mit dieser Grundhaltung - und aufgrund seiner fachlichen Reputation und seiner allgemeinen Popularität - wurde Prof. Luce zu einem der Protagonisten einer zeitgenössischen Strömung oder eines, leider nur kurzfristig aufflackernden, Trends in der Altphilologie sowie Ur- und Frühgeschichtsforschung, welche/r dem traditionellen (Pseudo-)Skeptizismus dieser, in Sachen Atlantis der Fiktionalitäts-These verhafteten, Fachwissenschaften eine alternative (letztlich atlantologische!) Exegese des Atlantisberichts entgegenhielt. Auch auf einer Podiumsdiskussion, die 1975 von der Indiana University veranstaltet wurde [11], präsentierte er seine Ansicht, dass Platons Atlantisbericht eine historisch basierte Mixtur aus protohistorischen Tatsachen und literarischen Ausschmückungen darstelle, und dass Platons Beschreibung von Atlantis stark dem ähnele, was wir über das Minoerreich des 16. Jahrhunderts v.d.Z. und seinen Untergang wissen. Noch im Jahr 1994 verfasste er ein kurzes Papier [12], in dem er die Thera-Katastrophe im Licht neuerer wissenschaftlicher Entdeckungen betrachtete.


Bibliographie (Auswahl)

  • The End of Atlantis: New Light on an Old Legend, London 1969
  • The Quest for Ulysses (with William Bedell Stanford), London 1974
  • Homer and the Heroic Age, London 1975
  • Trinity College Dublin: The First 400 Years, Dublin 1991
  • An Introduction to Greek Philosophy, London 1992
  • Orationes Dublinienses Selectae (1971-1990), Dublin 1991
  • Celebrating Homer's Landscapes: Troy and Ithaca Revisited, New Haven 1999
  • Orationes Dublinienses Selectae II (1990-2002), Dublin 2004

In deutscher Sprache erschienen:

  • Atlantis. Legende und Wirklichkeit, Bergisch Gladbach 1969, ISBN 3-7857-0032-6
  • Archäologie auf den Spuren Homers, Bergisch Gladbach 1978, ISBN 3-404-00849-9
  • Die Landschaften Homers, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-94279-3


Anmerkungen und Quellen

Vorwiegend verwenndetes Material:

Einzelverweise:

  1. Quelle: Classics a life passion for Trinity vice-provost, in: The Irish Times, 12. Februar 2011. (abgerufen: 01.12.2012)
  2. Quelle: "Former Trinity vice-provost dies", in: The Irish Times, 12. Februar 2011. (abgerufen: 01.12.2012)
  3. Quelle: ebd.
  4. Quelle: Brian McGing (Public Orator 2005–2008) und Anna Chahoud (Public Orator 2008–present), "John Victor Luce, Public Orator 1972–2005", bei: Trinity College, Dublin (Department of Classics)
  5. Siehe: John V. Luce, "Trinity College Dublin: The First 400 Years", Dublin 1991
  6. Quelle: Brian McGing und Anna Chahoud, op. cit.
  7. Siehe: John V. Luce, "The End of Atlantis: New Light on an Old Legend", London 1969
  8. Siehe: John V. Luce, "Lost Atlantis: new light on an old legend", New York (McGraw-Hill), 1969
  9. Siehe: John V. Luce, "Atlantis. Legende und Wirklichkeit", Bergisch Gladbach 1969
  10. Quelle: J. V. Luce, "The End of Atlantis: New Light on an Old Legend", London 1969, S. 24 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach: Tony O’Connell, Luce, John Victor, in: Atlantipedia.ie)
  11. Siehe: J.V. Luce in: Edwin S. Ramage (Hrsg.), "Atlantis, Fact or Fiction", Bloomington, 1978
  12. Siehe: J. V. Luce, "The Changing Face of the Thera Problem", in: Classics Ireland, 1994, Vol. 1, UCD, Dublin

Bild-Quellen:

1) Tony O’Connell, Luce, John Victor, in: Atlantipedia.ie
2) Bild-Archiv Atlantisforschung.de