Augustus Le Plongeon

Atlantis, das Land Mu und die Maya

Abb. 1 Augustus Le Plongeon (1826-1908)

(bb) Augustus Le Plongeon (1826-1908) (Abb.1) war eine jener 'grenzwertigen' Forscherpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, deren Arbeiten zur Erforschung versunkener Kulturen und untergegangener Zivilisationen zu ihrer Zeit für einigen Wirbel sorgten, heute jedoch fast vergessen sind, da sie weder der konventionellen noch (wie etwa jene I. Donnellys) der alternativen, nonkonformistischen Atlantologie späterer Jahrzehnte etwas von bleibendem Wert zu bieten hatten. Trotzdem sollten wir bei aller berechtigten Kritik nicht außer Acht lassen, dass Le Plongeon als 'Pionier' zu spekulativen Überlegungen gezwungen war, da er kaum auf gesicherte Daten zurückgreifen konnte - und uns somit unangebrachter Häme enthalten.

So lesen wir etwa bei dem, in dieser Hinsicht alles andere als zimperlichen, Atlantologie-Kritiker Lyon Sprague de Camp: "Donnellys Zeitgenosse Augustus Le Plongeon [...] grub als erster Maya-Ruinen in Yucatán aus [1] und lebte dort lange Jahre. Le Plongeon, ein melancholisch dreinblickender französischer Physiker mit einem auffallenden Bart, der ihm bis auf den Bauchnabel reichte, verheiratet mit einer hübschen Amerikanerin, die viel jünger war als er, war ein Experte eigener Art. Obwohl er unmittelbar vertraut war mit den Gebräuchen und der Sprache der Maya, erhielt sein Werk nicht die wissenschaftliche Anerkennung, die er erhofft hatte. Zudem hatte er unter der Willkür mexikanischer Behörden zu leiden, die in jenen Tagen Gringo-Archäologen ruhig graben ließen, um ihnen dann das, was sie vielleicht gefunden hatten, abzunehmen und sie des Landes zu verweisen." [2]

Nachdem Sprague de Camp uns damit über so "forschungsrelevante" Details wie Le Plongeons Blick, seinen langen Bart und die Tatsache informiert hat, dass dessen Frau jung und hübsch war, wendet er sich glücklicherweise dessen Ansichten zur Maya-Prähistorie zu: "Wie Brasseur, so versuchte sich auch Le Plongeon daran, den Troano-Codex zu übersetzen. [3] Das Ergebnis war, wenn auch nicht wissenschaftlich glaubhafter, so doch zumindest verständlicher: >Im Jahre 6 Kan, am 11. Muluc im Monat des Zac, fanden schreckliche Erdbeben statt, die ohne Unterbrechung bis zum 13. Chuen anhielten. Das Land der Hügel und Schlammebenen, das Land Mu, wurde geopfert: Zweimal hob sich das Land empor, bis es mit einem Mal während der Nacht verschwand, indessen die Fluten ringsum von vulkanischen Beben aufgewühlt wurden. Verschiedene male tauchte es nochmals empor. Zuletzt gab die Oberfläche nach, die in zehn Teile zerbarst. Diese Erschütterung löste den endgültigen Untergang aus. Mit 64 000 000 Bewohnern versank der Kontinent 8060 Jahre, bevor dieses Buch geschrieben wurde<." [4]

Le Plongeons linguistische Überlegungen stehen in der Tat auf äußerst schwachen Füßen. Auch der nonkonformistische Atlantisforscher und Maya-Kenner Robert B. Stacy-Judd, der ebenfalls interkontinentale Beziehungen der alten Maya nach Europa und Asien voraussetzte, sah sich 1939 zu einer sachlichen Kritik genötigt: "Le Plongeon, der [...] mehr als zwölf Jahre bei den heutigen Maya lebte, erklärte, dass das Wort Akkad ursprünglich aus der Sprache der Maya stamme. Er wandelt das Wort >Akkad< zu >Akal< ab, um es mit dem Maya-Begriff mit der Bedeutung >Weiher< oder >Marschland< in Verbindung zu bringen. >Akil<, auch ein Maya-Wort, bedeute, wie er sagt, >Marschland mit Schilf und Binsen< und es war und sei eine Beschreibung Nieder-Mesopotamiens und der Gegenden in der Nähe des Euphrat.

Doch "Willard zufolge bedeutet Akil oder Ak-il ein Aufschießen [orig.: "shooting up"; d. Ü.] wie bei Lichtstrahlen. Im Lichte jüngerer Erkenntnisse ist dies eine eher zu akzeptierende Definition. [...] Später erklärt Le Plongeon, die Akkadier seien als >Kaldi< bekannt gewesen. Dabei bedeute >Kaldi< oder >Kalti< umgeben, und >Ti< bedeute Ort. Noch später seien die Kaldi oder Kalti als Chaldäer bekannt geworden.

Abb. 2 "Im Jahre 6 Kan, am 11. Muluc im Monat des Zac, fanden schreckliche Erdbeben statt, die ohne Unterbrechung bis zum 13. Chuen anhielten ... Mit 64 000 000 Bewohnern versank der Kontinent 8060 Jahre, bevor dieses Buch geschrieben wurde."

Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt das Wort >Akkad< tatsächlich aus der selben Wurzel wie die Maya-Sprache. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass das Wort Chaldäa von Akkad abstammt, aber Le Plongeons Argumentation zur Ableitung des Begriffs überzeugt mich nicht. Wie üblich nimmt er sich bezüglich des Ursprungs-Wortes unbillige Freiheiten heraus, um eine Version nach seinem Geschmack zu rechtfertigen. >Ak< und >Ka< sind Maya-Wörter, doch die Hinzufügung des Buchstaben >D< (in der Sprache der Maya gibt es kein >D<, was den Grund dafür darstellt, dass Le Plongeon es in >T< umwandelt. [Diese] oder irgendwelche anderen Hinzufügungen oder Abwandlungen verändern offensichtlich - möglicherweise sogar völlig - den ursprünglichen Wortsinn. Unter diesen Umständen erscheint es unklug, zu viel Vertrauen in Le Plongeons Übersetzung zu setzen." [5]

Von daher erscheint auch Sprague de Camps Skepsis durchaus berechtigt, wenn er Le Plongeons Atlantis-Szenario folgendermaßen beschreibt: "Nach der Troano-Codex-Übersetzung Brasseurs und einigen Wandbildern, die er in den Ruinen der Maya-Stadt Chichén Itza gefunden hatte, konstruierte Le Plongeon [...] die romantische Geschichte von der Rivalität zwischen dem Prinzen Coh (>Puma<) und Aac (>Schildkröte<), die um die Hand ihrer Schwester Móo oder Mu, Königin von Atlantis, anhielten. Coh trug den Sieg davon, wurde aber von Aac ermordet, der Móos Reich eroberte. Beim Untergang des Kontinents floh Móo nach Ägypten, wo sie die Sphinx von Gizeh in Erinnerung an ihren Ehemann und Bruder errichten ließ und als Isis die ägyptische Zivilisation begründete. [...] Andere Mu-Bewohner hatten sich derweilen in Amerika angesiedelt - ihre Nachfahren sind die Maya." [6]

Über Le Plongeons Bücher und ihren Impakt auf die 'Welt der Wissenschaft' heißt dort weiter: "Le Plongeon gab seinen fantastischen Vorstellungen in mehreren Büchern Raum. Als sein schmales Bändchen >Geheiligte Mysterien der Maya und der Quiches vor 11 500 Jahren< 1886 erschien, mokierten sich seriöse Wissenschaftler darüber. Daraufhin schrieb der wütende Le Plongeon ein weitaus umfänglicheres Werk >Königin Móo und die ägyptische Sphinx<, worin er die >Arroganz und Überheblichkeit der oberflächlich Gebildeten< anprangerte, jene >sogenannten Autoritäten<, mit denen er Brinton und andere Amerikanisten meinte." [7]

Als relativierende Anmerkung zu Sprague de Camps sarkastischem Kommentar wollen wir allerdings festhalten, dass derjenige Unsinn, den angeblich "seriöse" Altamerikanisten damals von sich zu geben pflegten, sich von dem Le Plongeon´schen zu allererst durch seine Phantasielosigkeit unterscheidet, und weitaus langweiliger zu lesen ist. So betrachteten die Koryphäen der Altertumskunde noch im 18. Jahrhundert Inka, Maya und Azteken als unzivilisierte Wilde: "William Robertson, in Sachen Amerika die führende Autorität des 18. Jahrhunderts, beschrieb die mesoamerikanische Architektur als >geeigneter als Behausung für Menschen, die gerade aus dem Barbarentum heraustreten, denn als Wohnsitz eines kultivierten [orig.: "polished"; d. Ü.] Volkes ... Diese Strukturen drücken in Kunst und Einfallsreichtum keine hohe Vorstellung aus ... Wenn Gebäude, die solchen Beschreibungen entsprechen, jemals in mexikanischen Städten existiert hätten, so sollte man annehmen, dass noch einige ihrer Überreste zu sehen sein müssten ... Die spanischen Berichte erscheinen stark übertrieben<." [8]

Noch zu Le Plongeons Zeit, im 19. Jahrhundert, betonten Gelehrte, "dass die Astronomischen Gärten Mesoamerikas keinesfalls einem derartigen Zweck gedient hätten, sondern lediglich Anlagen darstellten, die gerade einmal dazu geeignet gewesen seien, die Menschen daran zu erinnern, wann sie ihr Getreide aussähen mussten! (Welcher Bauer benötigt einen entwickelten Astronomischen Garten, um herauszubekommen, wann Frühling ist?) Als der mexikanische Gelehrte Leon y Gama sich Gedanken über den verwirrenden aztekischen Stein-Diskus machte und ihn als hochentwickelten Kalender bezeichnete, unterdrückte die Kirche schleunigst seine Schriften, wobei sie argumentierte, der >Kalender-Stein< sei ein Opferaltar, dessen rätselhafte Markierungen rein ornamental und das Werk >irrationaler und geistig schlichter Wesen< seien." [9]

Nichtsdestotrotz hat Sprague de Camp natürlich weitgehend recht, wenn er auf die diversen 'Stilblüten' abhebt, welche der französische Forscher mit dem Maya-Faible als Ergebnisse seiner Studien vorlegte: "Le Plongeon führte die Freimaurerei und das Metrische System auf die Maya zurück, hielt Mme. Blavatskys fantastisches >Buch des Dyzan< allen Ernstes für >ein altes Sanskrit-Buch< [10], behauptete, daß das griechische Alphabet in Wirklichkeit eine Maya-Dichtung sei, die vom Untergang Mus erzähle, und veröffentlichte ein Foto mit einem Leoparden aus der Alten Welt, den er als Beispiel für die zentralamerikanische Fauna ausgab.

Als Gewährsleute zitierte er den Londoner Verleger John Taylor (einen >gelehrten englischen Astronomen<) und den exzentrischen schottischen Astronomen Charles Piazzi Smyth (>den bekannten Ägyptologen<), die den pseudowissenschaftlichen Pyramidenkult begründet hatten. Ihren Lehren nach war die Cheopspyramide von Gizeh in Wirklichkeit von Noah und einem anderen alttestamentarischen Patriarchen unter göttlicher Anleitung erbaut wurden. Deren Maße (die sie unglaublich unexakt wiedergaben) hatten etwas mit den Zeitaltern zu tun und waren prophetische Chiffren im Hinblick auf die Zukunft der Menschheit. Obwohl sich keine der Weissagungen der >Pyramidologen< als wahr erwiesen hat, betreiben diese auch heutzutage noch das Geschäft der Wahrsagerei." [11]


Anmerkungen und Quellen

  1. Anmerkung: So war Le Plongeon der erste Forscher, der (ab 1875) archäologische Ausgrabungen an den Ruinen von Chichén Itzá vornahm.
  2. Quelle: Sprague de Camp, Lyon: "Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen", München, 1975, S. 54
  3. Siehe: Augustus le Plongeon, "Queen M'oo and the Egyptian sphinx", 1896 (d. Red.)
  4. Quelle: ebd., S. 55
  5. Quelle: Stacy-Judd, Robert B., "Atlantis: Mother of Empires", Santa Monica, CA. (USA), 1939, S. 85 (Übersetzung ins Deutsche durch den Verfasser nach dem Reprint durch Adventures Unlimited Press, Atlantis Reprint Series, 1999)
  6. Quelle: Sprague de Camp, L., op. cit., S. 54
  7. Quelle: ebd., S. 54-55
  8. Quelle: Ivar Zapp und George Erikson, "Atlantis in America - Navigators of the Ancient World", Adventures Unlimited Press, Kempton, Illinois (USA), 1998, S. 55
  9. Quelle: ebd., S. 53
  10. Anmerkung: Der Verfasser weiß leider nicht, in welchem Kontext Le Plongeon dies geäußert haben soll (Sprague de Camp macht hierzu keine genauen Angaben), hält es jedoch grundsätzlich für eine nahe liegende und vermutlich zutreffende Vermutung. Blavatsky hat sich, was ihre "okkulten Erkenntnisse" zu Atlantis und Lemuria betrifft, überall bedient, wo sich etwas für ihre Zwecke Brauchbares finden ließ. Lemuria betreffend hat sie bei ihrem Aufenthalt in Indien vermutlich alte Hindu-Texte in die Hände bekommen, in denen tatsächlich von einem versunkenen Kontinent ("Kumari-Nadu") im Indischen Ozean die Rede ist. Ihre aufgebauschte Story vom angeblich in der geheimnisvollen Sprache "Senzar" verfassten "Buch Dyzan" ist also nicht gänzlich frei erfunden, wie der 'Skeptiker-Urahn' Sprague de Camp voraussetzte, sondern sie 'hat dort mit einiger Wahrscheinlichkeit aus authentischem Sanskrit-Material 'abgekupfert'!
  11. Quelle: Sprague de Camp, L., op. cit., S. 55


Bild-Quellen

(1) Stacy-Judd, Robert B., "Mother of Empires", Santa Monica, CA. (USA), 1939; nach dem Reprint bei Adventures Unlimited Press, 1999

(2) ebd.