Ignatius Donnelly - 'Vater' der modernen Atlantisforschung

"Die Tatsache, das die Geschichte von Atlantis tausende von Jahren lang für eine Fabel gehalten wurde, beweist gar nichts. Es gibt einen Unglauben, der nur der Unwissenheit entstammt, ebensogut, als es eine Skepsis gibt, die das Ergebnis erweiterter Bildung ist. Die Völker, die der Vergangenheit am nächsten stehen, sind darum keineswegs mit derselben auch am besten bekannt." Ignatius L. Donnelly

Abb. 1 Ignatius Donnelly (1831-1901), einer der Begründer der modernen, nonkonformistischen Atlantisforschung

(bb) Der amerikanische Jurist, Politiker, Forscher und Autor Ignatius Loyola Donnelly (Abb. 1) war ohne Zweifel die zentrale Persönlichkeit der Atlantisforschung des 19. Jahrhunderts. Sein Buch Atlantis - the Antediluvian World darf als wesentlicher Grundstein der heutigen nonkonformistischen Atlantologie betrachtet werden. Außerhalb des Kreises wissenschaftlicher 'Häretiker', 'unbelehrbarer Laien', Nonkonformisten und 'Atlantomanen' haftet seinem Namen und Werk für gewöhnlich der Ruch des 'Unqualifizierten', 'längst Widerlegten' und 'Spinnerten' an. Wie so häufig haben die wenigsten, die ihre Nase über Ignatius Donnelly rümpfen (Abb. 3), seine Atlantis-Bücher selber gelesen oder sich damit beschäftigt.

Ignatius Donnelly wurde am 3. November 1831 als Sohn irischer Einwanderer in Philadelphia geboren. Dort besuchte er zuerst die Schule, um danach Rechtswissenschaften zu studieren. 1852 nahm er in seiner Heimatstadt die Anwaltstätigkeit auf, übersiedelte dann aber 1857 nach Minnesota, wo er sich in der Kleinstadt Nininger bei St. Paul niederließ und eine örtliche Zeitung herausgab. Dort begann er auch sein politisches Engagement und wurde bereits zwei Jahre später zum stellvertretenden Gouverneur des Staates gewählt (von 1860 bis 1863).

Dann gelang ihm der Sprung nach Washington D.C. in den US-Kongress, dem Donnelly als Abgeordneter ("congressman") von 1863 bis 1869 angehörte, und wo er sich als Kandidat der von ihm gegründeten "Populist Party" zwei mal vergeblich um das Amt des Vizepräsidenten bewarb. Danach war er für mehrere Legislaturperioden (1874-78, 1887, 1891-93, und 1897) Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Minnesota. Am 1. Januar 1901 starb er in Minneapolis; seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Calvary Cemetery, St. Paul, Minnesota.

Ignatius Donnellys berufliches und politisches Engagement hielt ihn nicht davon ab, bisweilen skurrile Ideen zu verfolgen, die ihm in England vermutlich das Prädikat "spleenig" eingebracht hätten. "Weltweite Aufmerksamkeit erregte seine >Entdeckung<, die Werke Shakespeares seien in Wirklichkeit von Sir Francis Bacon geschrieben", notierte etwa der Wissenschaftsjournalist Ernst v. Khuon 1976, und fügte bezüglich Donnellys Glaubwürdigkeit als Atlantisforscher ausdrücklich hinzu: "Dies alles mag die schillernde Persönlichkeit, den hochintelligenten und einfallsreichen Donnelly hinreichend charakterisieren. Der von ihm aufgegriffene [1] Grundgedanke, Atlantis auf dem Delphinrücken zu lokalisieren, könnte dennoch richtig sein, und in der Tat ist dieser Gedanke auch bis zum heutigen Tag lebendig geblieben." [2]

Als Atlantologe war Ignatius Donnelly durchaus kein "Revolutionär", der mit spektakulären neuen Thesen von sich Reden machte. Vielmehr stellte er sich ganz auf den Boden der klassischen Interpretation der platonischen Texte, welche die historischen Existenz einer - im Wortsinn - untergegangenen Zivilisation im Zentral-Atlantik (Abb. 2) annimmt. "Sein Werk gründete auf der Annahme, die bereits von den Amerikanern Hosea und Thompson (und ein Jahrhundert zuvor von Conte Carli) vertreten worden war und besagte, daß die Maya-Kultur und andere frühe Zivilisationen auf Atlantis zurückgingen." [3]

Abb. 2 Donnellys zentralatlantisches Atlantis auf dem Delphin-Rücken und (weiß markiert) der von ihm angenommene Diffusionsraum der atlantischen Hochkultur.

Tatsächlich könnte man Donnelly eher als Reformator und Modernisierer der Atlantologie seiner Zeit bezeichnen. Die besondere Bedeutung seiner Arbeit - insbesondere "Atlantis, the Antediluvian World" (1882) - für die spätere Atlantisforschung liegt u.a. gerade darin begründet, dass mit ihr seit Athanasius Kirchers "Mundus subterraneus" von 1665 die erste komplexe Studie vorgestellt wurde, in der in eine klassische Interpretation der Atlantida auf der Grundlage breitgefächerter wissenschaftlicher Erkenntnis ihrer Zeit erfolgt. Wesentlich erscheint außerdem, dass Donnelly methodologisch den inter- und transdisziplinären Denk-, Forschungs- und Argumentations-Ansatz popularisiert sowie in jene Form gebracht hat, die heute für die meisten Atlantisforscher zur Selbstverständlichkeit geworden ist:

Hatte Kircher im 17. Jahrhundert den Betrachtungshorizont der Atlantisforschung - der zuvor auf historisch-mythologische Überlegungen und allenfalls geographische Analogieschlüsse reduziert war - bereits um die Komponente der Geologie erweitert, Graf Giovanni (Gian) Rinaldo Carli im 18. Jahrhundert die Astronomie und Ethnologie ins Spiel gebracht, so ergänzte Donnelly das Arsenal atlantologischer 'Hilfswissenschaften' im 19. Jahrhundert u.a. um Anthropologie, historische Zoo-Geographie und Ethno-Botanik. Besondere Bedeutsamkeit kommt zudem der Tatsache zu, dass er - wie Graf Carli - auch die Astronomie mit in sein Arbeitsmodell einbezog.

In seinem zweiten alternativhistorischen Werk Ragnarök: the Age of Fire and Gravel (1883) griff Donnelly nämlich das kataklysmische Grundmotiv der platonischen Atlantida noch einmal gesondert auf und knüpfte faktisch an eine Hypothese an, die bereits sein Vorgänger Carli entwickelt hatte. Nach dieser Hypothese, die auch heute noch von den meisten Katastrophisten favorisiert wird, führte der Einschlag eines oder mehrerer extraterrestrischer Objekte auf der Erde zum plötzlichen und mehr oder weniger völligen Verschwinden der vermuteten pleistozänen Hochkulturen bzw. von Atlantis. Womöglich noch weitsichtiger war die Annahme Donnellys in diesem Buch, die Ursache der jüngsten Eiszeit sei ebenfalls der Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde gewesen; eine These, die heute im Licht moderner astronomischer Erkenntnisse neu diskutiert werden muss (siehe z.B. Prof. E. Spedicatos Arbeit: Galaktische Begegnungen, APOLLO-Objekte und ATLANTIS).

Abb. 3 Donnellys ungebrochene Aktualität spiegelt sich auch in den fortgesetzten Versuchen mancher Kritiker wider, ihn lächerlich zu machen: Eine moderne Donnelly-Karikatur, Ende 20. Jahrhundert.

Donnelly bewies zudem als Exeget ein tiefes Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeiten der Autoren des Atlantisberichts (Platon und Solon) So erkannte nicht nur die besondere historische Bedeutung "einer Überlieferung, welche die menschliche Geschichte nicht nur tausende von Jahren vor die Aera der griechischen Zivilisation zurückführte, sondern sogar noch weiter rückwärts viele Jahrtausende vor den Beginn der ägyptischen Herrschaft" [4]; er verstand zudem auch, welche herausragende Bedeutung diese Überlieferung für Platon und Solon gehabt haben muss. Über Letzteren schrieb Donnelly: ""es ist wohl zu begreifen, daß er bemüht war, diese unschätzbaren Nachrichten aus der allerältesten Vergangenheit seinen halbzivilisierten Landsleuten zu erhalten." [5]

Natürlich wird kaum ein moderner Atlantisforscher Donnellys Ergebnisse und Aussagen heute noch insgesamt übernehmen. Der Atlantologie-Historiker Dr. Martin Freksa stellt dazu sachlich fest: "Donnellys Stärke lag in der vergleichenden Forschung, die er konsequent und mit großer Begeisterung betrieb. Allerdings sind später etliche seiner Detailergebnisse und noch mehr so manche spekulativen Schlüsse, die er aus ihnen zog, zu Recht kritisiert worden. Sein Werk enthält aber auch unzählige Einzelinformationen, die noch nicht genügend ausgewertet wurden, nicht zuletzt dadurch ist es aktuell geblieben." [6]

Bei der Bewertung von Donnellys forscherischem Schaffen aus heutiger Sicht sollte man somit auch nicht vergessen, in welchem wissenschafts-historischen Umfeld seine Arbeit stattfand. Der österreichische Atlantisforscher Otto Muck, ebenfalls ein entschiedener Verfechter der mittelatlantischen Atlantis-Lokalisierung, meinte 1956 dazu: "Um ihm heute gerecht zu werden, muß man berücksichtigen, wie wenig an exaktem Prüfungsmaterial damals vorlag. Um so so höher sind seine Versuche einzuschätzen, neue, naturwissenschaftliche Argumente aufzufinden." [7]

Der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich hob 1998 zudem hervor: "Die Bedeutung Donnellys liegt wohl vor allem darin, daß just zu dem Zeitpunkt, als die moderne, >exakte< positivistische Schulnaturwissenschaft in die andere Richtung ging, hier von einem fähigen Katastrophisten ein ganz anderes, kataklysmisches Bild der Erd- und Menschheitsgeschichte präsentiert wurde. Tausende interessierter Leser wurden sich dadurch ewußt, daß der an den Universitäten und Schulen gelehrte Lyellismus und der Darwinismus vielleicht nur >ausgedachte Geschichte< waren." [8]

Völlig "vom Tisch", "überholt" oder "gänzlich widerlegt" ist Ignatius Donnellys Werk also auch zu Beginn des neuen Jahrtausends keineswegs. Die Diskussion um das Ausmaß möglicher Landhebungen und Senkungen im Zentrum und an der Peripherie des Atlantischen Ozeans ist jedenfalls bis heute im Gange und dem Lager der 'Altzeitler' unter den Atlantisforschern stehen zu Beginn dieses Jahrhunderts mehr archäologische Evidenzen denn je zur Verfügung, um die Annahme entwickelter Menschheitskulturen gegen Ende der jüngsten Eiszeit und rezenter Kataklysmen zu untermauern. 'Donnellys Erben' haben wieder Konjunktur!


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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Möglicherweise irrt v. Khuon hier, oder hat nicht ganz klar formuliert. Jedenfalls scheint Donnelly tatsächlich der erste POPULÄRE Forscher und Autor gewesen sein, der Atlantis exakt auf dem Delphin-Rücken lokalisierte. Immerhin lag die legendäre Challenger-Expedition erst wenige Jahre zurück, als er 1882 "Atlantis - the Antedeluvian World" veröffentlichte. Sollte es, was durchaus möglich ist, z. B. in Europa andere Autoren gegeben haben, die Atlantis vor ihm auf dem Delphin-Rücken lokalisiert haben, dann dürften sie ihm nicht bekannt gewesen sein. Als Forscher und Autor war er zumindest im atlantologischen Bereich "autochthon" und griff bei den Recherchen für sein Buch scheinbar kaum auf zeitgenössische atlantologische Quellen (18./19. Jahrhundert) zurück. Querverweise auf andere Atlantis-Autoren aus dieser Zeit (z.B. auf Carli), oder entsprechende Zitate, wird man dort vergeblich suchen, während es eine reichhaltige Auswahl an Zitaten aus der klassischen Literatur beinhaltet.
  2. Quelle: Ernst v. Khuon, "Rätsel Atlantis", ein Vorwort zu Otto Muck, "Alles über Atlantis", Econ Verlag, Düsseldorf-Wien, 1976
  3. Quelle: L. Sprague de Camp, Versunkene Kontinente, Heyne / München, 1970, S. 49
  4. Quelle: Ignatius Donnelly, "Atlantis - Die vorsintflutliche Welt", Eßlingen, 1911
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle: Martin Freksa, "Das verlorene Atlantis", Klöpfer & Meyer, 1997, S. 121
  7. Quelle: Otto Muck, "Alles über Atlantis", Knaur, 1977, S. 57 (Erstveröffentl. 1956)
  8. Quelle: Horst Friedrich, "Erdkatstrophen und Menschheitsentwicklung - Unser kataklysmisches Ur-Trauma", Hohenpreißenberg, 1998, S. 28

Bild-Quellen:

1) Internet Sacred Text Archive, unter: 'Atlantis, the Antediluvian World' by Ignatius Donnelly (1882)
2) I. Donnelly, "Atlantis, the Antediluvian World", nach: alien-girl.de, unter: Atlantis... von Solons Bericht bis heute (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) thehallofmaat.com, unter: http://www.thehallofmaat.com/maat/article.php?sid=67 (nicht mehr online)