Schulwissenschaft

Definition

(red) Der zumeist kaum hinterfragte Begriff Schulwissenschaft (seltener auch: Universitätswissenschaft oder Katheder-Wissenschaft) findet vor allem im Kontext wissenschaftssoziologischer und -kritischer Publikationen [1] zur Charakterisierung einer institutionalisierten, von einer quasi orthodoxen Hierarchie von opinion moulders (auch: opinion leaders, also: Meinungsbildner, Meinungsmacher oder Meinungsführer) gesteuerten, 'Mainstream-Wissenschaft' Verwendung.

Abb. 1 Schulwissenschaft als institutionalisierte Form von Wissenschaft ist eine ausschließlich 'universitäre (sowie in offiziell anerkannten Instituten stattfindende) Veranstaltung'. (Bild: Vorlesung im Hörsaal der Karl-Marx-Universität Leipzig im Jahr 1981, heute: Universität Leipzig)

Damit hat er seit dem späten 18. Jahrhundert einen gravierenden Bedeutungswandel durchlaufen. Damals lautete eine lexikalische Definition:
"Schulwissenschaft, die Wissenschaften, die man auf den Schulen treibt, zum Unterschiede der Universitäts=Wissenschaften, Brod=Wissenschaften." [2]
In dieser Bedeutung - als Ausdruck zur Abgrenzung der schulischen von der universitären Wissenschaft - hielt sich der Begriff aber auch noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. [3]

Obwohl der Ausdruck Schulwissenschaft in seiner umgangssprachlichen Verwendung heute als pejorativ konnotiert (negativ besetzt) gilt, stellt er als wissenschaftlicher Terminus bei einer typologischen Definition unterschiedlicher 'Quasiwissenschaften' grundsätzlich ein wertungsfreies Synonym zur Begriffskombination "akademische Wissenschaft" dar.

Zur unklaren Bedeutung dieser Begriffskombination heißt es bei Marcel Bohnert: "Über den Begriff der akademischen Wissenschaft herrscht in der >scientific community< keine Einigkeit. Am besten lässt sie sich durch ihre charakteristischen Methoden und Prinzipien definieren. Zwei Definitionsmöglichkeiten für >Wissenschaft< sind beispielsweise Folgende: Wissenschaft ist der >Prozess der Sammlung, Vertiefung, Ordnung und laufenden Verbesserung des Wissens [...] unter Einsatz der jeweils angemessenen Forschungsmethoden< [4] oder >intersubjektiv kommunizierbares und nachprüfbares Wissen, das bestimmten wissenschaftlichen Kriterien [...] folgt.< [5] Dabei wird diese >reine< Form der Wissenschaft häufig als Schulwissenschaft bezeichnet, was ausdrückt, dass aus ihr hervorgebrachte, als gesichert geltende Ergebnisse zum Bestandteil von schulisch vermitteltem Wissen werden können. Es geht hier also, wie Eberlein vorschlägt, um in der >universitären Forschergemeinschaft akzeptierte und bewährte Fragestellungen, Theorien, Methoden und Ergebnisse<. [6]." [7]


Anmerkungen und Quellen

  1. Siehe etwa: Gerald L. Eberlein, "Schulwissenschaft, Parawissenschaft, Pseudowissenschaft", Hirzel, 1991; sowie: Horst Friedrich, "Einer neuen Wissenschaft den Weg bahnen - Schieflage unserer Schulwissenschaft und Zukunft des Denkens", Mediengruppe Koenig, 2007 (Erstausgabe: EFODON e.V., 1996)
  2. Quelle: Elektronische Fassung der 'Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz' (1773-1858), Stichwort: Schulwissenschaft. (Abgerufen: 06.09.2014)
  3. Siehe etwa: Ernst von Sallwürk, "Logik und Schulwissenschaft", Thienemann, 1904
  4. Siehe: Horst Schaub und Karl G. Zenke, "Wörterbuch Pädagogik" 6. Aufl., München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 2004, S. 594
  5. Siehe: Brockhaus 1996, Stichwort: 'Wissenschaft'
  6. Siehe: Gerald L. Eberlein, Schulwissenschaft, Parawissenschaft, Pseudowissenschaft, Stuttgart 1991, S. 7
  7. Quelle: Marcel Bohnert, „Verlorengegangene Ethik? Betrug und Fälschung in der Wissenschaft“, GRIN Verlag, 2007, S. 7


Bild-Quelle

(1) Wikimedia Commons, unter: File:Bundesarchiv Bild 183-Z0622-007, Leipzig, Universität, Hörsaal, Anatomievorlesung.jpg (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)