Tiahuanacos zweiter Untergang
Zur Erinnerung an Arthur Posnansky - Schützer eines Denkmals der Zivilisationsgeschichte
von Pierre Honoré (editiert von Andreas Delor)
Arthur Posnansky (Abb. 1) war ein Außenseiter der Archäologie, kein Wissenschaftler von Haus aus, sondern deutscher Ingenieur in La Paz, Besitzer einer großen Ziegelei.
Als er zum ersten Mal nach Tiahuanaco kam, war er von dem Anblick der alten Ruinen gefesselt. Er stand vor den Trümmern einer gewaltigen Kultur, und er wusste ohne Archäologe zu sein, dass sie nicht ihresgleichen in der Neuen Welt hatte. Was von dieser Stadt noch vorhanden war, das wollte er erhalten, bergen, retten vor Menschen, die in diesen unschätzbar wertvollen Steinen nichts andres sahen als nur Bruchsteine.
Er hatte die Werkstätten gesehen, die ihre Steine, ihr Baumaterial aus den Ruinen heraussprengten. Er sah die zersplitterten Götterstatuen herumliegen, vom Sprengstoff zerfetzt, den grausamen Raubbau an einer Kultur, von der man bis dahin überhaupt noch nichts geahnt hatte. Er wetterte dagegen in Zeitungen und Schriften, jahrelang vergebens, Jahre, in denen immer mehr von der alten Kultur vernichtet wurde. Ohnmächtig musste er zusehen, wie Tiahuanaco in Stücke geschlagen wurde.
Er verbrachte seine ganze Zeit bei den Überresten der alten Stadt. Und er war, trotz aller Ohnmacht, dennoch nicht müßig. Er fotografierte jeden Stein, jedes Bruchstück, das er finden konnte; er war der erste, der sich die Mühe machte, einen Lageplan der Ruinen zu vermessen und zu zeichnen. Gegen die Ausbeuter konnte er jedoch nicht aufkommen.
Aber er fand einen Weg, um überhaupt noch Reste von dieser alten Kultur zu erhalten: er setzte es durch, dass die Stadt La Paz ein Freilichtmuseum errichtete. Er hat dieses Museum selbst gebaut, und in ihm hat er dann alles, was er aus Tiahuanaco nur bergen konnte, untergebracht. Posnansky ging selbst daran, in Tiahuanaco auszugraben. Er entlohnte seine Leute, die ihm dabei halfen, die riesigen Blöcke und Statuen wegzuschaffen, aus eigener Tasche.
Das Museum von La Paz wurde zu einer Stätte, die uns heute wenigstens ahnen lässt, wie das alte Tiahuanaco einst ausgesehen haben könnte. [...] Er konnte es auch nicht verhindern, dass aus seinem Museum ein Goldschatz nach dem anderen verschwand, dass goldene Löffel und goldene Teller, die er aus den Ruinen gerettet hatte, gestohlen wurden. Da wurde er verbittert und begnügte sich damit, seine Berichte über die alte Stadt zu schreiben. Er beschrieb die Wunder, die er gefunden hatte. [...] Was Arthur Posnansky für die Wissenschaft getan hat, kann nur der ermessen, der heute von La Paz nach Tiahuanaco fährt, um die Ruinen aufzusuchen, und der dann, maßlos enttäuscht, dort nichts mehr vom alten Glanz findet.
Anmerkungen und Quellen
Dieser Beitrag von Pierre Honoré wurde seinem Buch "Ich fand den weißen Gott - Das große Rätsel der amerikanischen Hochkulturen" entnnmmen, das 1961 im Verlag Scheffler (Frankfurt/Main) in deutscher Sprache erstveröffentlicht und 1976 in einer Lizenz-Ausgabe (Abb. 3) bei Bertelsmann neu aufgelegt wurde. Redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de im September 2018 nach der gekürzten, von Andreas Delor ediierten Textfassung. Siehe: Ders., "Tiahuanaco", bei andreas-delor.com
(online als PDF-Datei; abgerufen: 14. September 2018)
Bild-Quellen:
- 1) Mhuyustus bei Wikimedia Commons, unter: File:Arthurposn.jpg
- 2) Arthur Posnansky bei Wikimedia Commons, unter: File:Puerta monolitica (Puerta del Sol.) 1903-1904.jpg
- 3) Bertelsmann (1976) / Bild-Archiv Atlantisforschung.de