Feuer, Eis und eine 'Götterdämmerung'
Hanns Hörbiger: Ein Universum aus Feuer und Eis?, Teil III
(bb) Die Gleichsetzung des Feuers mit der geistigen Energie ist ein archetypischer Gedanke, der sich sowohl bei Hörbiger als auch bei Hitler findet, der in "Mein Kampf" den arischen 'Herrenmenschen' mit den Worten lobpreist: "Er ist der Prometheus der Menschheit, aus dessen lichter Stirne der göttliche Funke des Genies zu allen Zeiten hervorsprang, immer von neuem jenes Feuer entzündend, das als Erkenntnis die Nacht der schweigenden Geheimnisse aufhellte und den Menschen so den Weg zum Beherrscher der anderen Wesen dieser Erde emporsteigen ließ. Man schalte ihn aus - und tiefe Dunkelheit wird vielleicht schon nach wenigen Jahrtausenden sich abermals auf die Erde senken, die menschliche Kultur würde vergehen und die Welt veröden." [1]
Bergier und Pauwels stellen dazu eine interessante Hypothese auf: "Der Träger dieser Energie ist Träger des Feuers. So sonderbar es erscheinen mag: Hitler war überzeugt, daß überall dort, wo er vorrückte, die Kälte zurückweichen mußte. Diese mystische Überzeugung erklärt zum Teil die Art, wie er den Feldzug in Rußland führte. Die Anhänger Hörbigers, die ihrer Aussage nach im Stande sind, das Wetter auf der ganzen Erde auf Monate und sogar auf Jahre vorauszusagen, hatten einen relativ milden Winter prophezeit. Aber es gab noch einen anderen Grund: gleich den Schülern der Welteislehre war Hitler in seinem Innersten absolut sicher, daß er einen Pakt mit der Kälte geschlossen hatte und daß die Schneemassen der russischen Ebenen ihn auf seinem Marsch nicht aufhalten würden.
Die Menschheit würde unter seiner Führung in den neuen Zyklus des Feuers eintreten. Er hatte bereits begonnen. Der Winter würde vor seinen Legionen, den Trägern der Flamme, zurückweichen. Und während der Führer der Ausrüstung seiner Truppen sonst ganz besondere Aufmerksamkeit widmete, hatte er den für den Russlandfeldzug bestimmten Soldaten nur ein paar lächerliche Zusatzstücke bewilligt: einen Wollschal und ein paar Handschuhe.
Im Dezember 1941 fiel das Thermometer plötzlich auf mehr als vierzig Grad unter Null. Die Voraussagen waren falsch gewesen, die Prophezeiungen hatten sich nicht bewahrheitet: die Elemente bäumten sich auf, und die Sterne in ihrer Bahn hörten mit einem mal auf, für die gerechte Sache zu arbeiten. Jetzt triumphierte das Eis über das Feuer. Die automatischen Waffen versagten, da das Öl einfror. In den Kanistern zersetzte sich das synthetische Benzin unter der Einwirkung der Kälte in zwei unbrauchbare Bestandteile. Hinter den Fronten vereisten die Lokomotiven. Die Männer starben in ihren Uniformröcken und ihren einfachen Soldatenstiefeln. Die leichteste Verwundung bereits war ein Todesurteil." [2]
Hitler jedoch "weigerte sich, an diesen ersten Zwiespalt zwischen Mystik und Realität zu glauben." Dem General Guderian (Abb. 7), der von der Ostfront nach Berlin eilte, um seinem 'Führer' Bericht zu erstatten und ihn zu einem Rückzugs-Befehl zu veranlassen, erklärte er lediglich: "Die Kälte ist meine Sache [...] Greifen Sie an!" [3] Auch wenn dieser Angriff zum Fiasko wurde, war der Hitler´sche Glaube an seine Sendung offenbar ebenso ungebrochen wie der an Hörbigers WEL. So erklärte er laut einem Aktenvermerk der SS im Frühjahr 1942 Himmler gegenüber, "der harte Winter dieses Jahres und auch die klimatische Entwicklung der letzten Jahre habe ihn immer mehr zu der Überzeugung gebracht, daß die Welt-Eislehre von Hörbiger richtig sei." (Abb. 6)
Spätestens mit der - aus Sicht der Nationalsozialisten - verheerenden Niederlage bei Stalingrad (Winter 1942/43) musste jedoch auch dem Gläubigen offenbar werden, dass 'die Vorsehung' andere Pläne hatte als 'der Führer': "Nach Stalingrad ist Hitler kein Prophet mehr. Seine Religion bricht zusammen. Stalingrad ist nicht allein eine militärische und politische Niederlage. Das Gleichgewicht der spirituellen Kräfte ist verändert." [4] Trotzdem - oder auch gerade deshalb - scheint Hitler sich immer irrationaler an die Gesetzmäßigkeiten des imaginären Universums zu klammern, das sich der innere Kreis des NS-Regimes konstruiert hat.
Auch wenn wir die folgende Feststellung von Bergier und Pauwels in ihrer Ausschließlichkeit bezweifeln, so mag sie EIN Motiv Hitlers bei der von ihm inszenierten 'Götterdämmerung' kurz vor dem Ende der NS-Diktatur dargestellt haben: "Der verzweifelte, wahnwitzige, unheilvolle Widerstand, den Hitler noch leistet, als offensichtlich schon alles verloren ist, läßt sich nur dadurch erklären, daß er auf die von den Hörbiger-Schülern angesagte Sintflut wartete. Wenn die Lage sich nicht mit menschlichen Mitteln umkehren ließ, so blieb immer noch die Möglichkeit, das Urteil der Götter herauszufordern. Eine Sintflut würde als Strafe über die gesamte Menschheit hereinbrechen. Nacht würde sich über die Erde breiten, alles würde in Regen und Hagel versinken.
Hitler, so berichtet Speer schaudernd, >versuchte mit voller Überlegung, alle und alles in seinen Untergang mit hineinzuziehen. Er war ein Mensch, für den das Ende seines Lebens das Ende aller Dinge bedeutete<." [5] Und Goebbels, der in seinen letzten Leitartikeln begeistert das Zerstörungswerk der alliierten Bomber begrüßt hatte ("Unter den Trümmern unserer vernichteten Städte sind die Zeugnisse des stumpfsinnigen 19. Jahrhunderts begraben"), verfasst im 'Führerbunker' vor seinem Selbstmord (Abb. 8) ein letztes Memorandum, "in dem er behauptet, das eigentliche Drama spiele sich nicht auf der Erde, sondern im Kosmos ab. >Unser Ende wird das Ende des Universums sein<." [6]
Glücklicherweise war dies der letzte Trugschluss der Nazi-Größen, oder man könnte auch sagen: dass "die Nacht" nun über diejenigen kam, die in Berlin unter dem Grollen sowjetischer Geschütze - oder, wie Himmler und ein wenig später Göring, in Bayern - ihre Zyankali-Kapseln zerbissen, war in gewisser Weise auch eine finale Bestätigung für den Unsinn ihres WEL-Glaubens. Was mit ihrem Untergang verschwand, war nicht die Welt oder gar der Kosmos - es kollabierte lediglich das kleine, aber gewalttätige, braune Parallel-Universum aus Feuer und Eis, das kurzzeitig unser Kontinuum erschüttert hatte...
Und Hörbigers Welteislehre? Bemerkenswerter Weise überlebte sie den Zusammenbruch des NS-Staates und überdauerte die folgenden Jahre, was durchaus die Annahme widerlegt, sie sei als angeblich rein ideologisches Ideengebäude lediglich durch die Protektion des Nazi-Regimes 'lebensfähig' gewesen: "Auf Grund einer berühmten Umfrage schätzte der Amerikaner Martin Gardener im Jahr 1953 die Zahl der Anhänger Hörbigers in Deutschland, England und den Vereinigten Staaten auf mehr als eine Million" [7], und treue Adepten des Hörbigerismus, wie der Schriftsteller Elmar Brugg, bejubelten ebenfalls unbeeindruckt weiter ihren Meister und sein Werk: "Die Welteislehre Hanns Hörbigers ist nur eine wissenschaftliche Großtat - sie ist eine Lebenserkenntnis von größter Bedeutung, denn sie weist den innigen und immerwährenden Zusammenhang zwischen Kosmos und allem irdischen Geschehen nach ...
Erst mit Hilfe der Hörbigerschen Erkenntnisse werden Hinweise auf [...] die Zusammenhänge von Wetterkatastrophen, Krankheiten, Todesfällen, Verbrechen usw. mit dem kosmischen Geschehen und zahllose weitere Einsichten erlangt werden. Diese allumfassende, allverbindende großartige Weltschau wird sich gegen die leider auch heute noch bestehenden Widerstände ebenso siegreich durchsetzen wie zahllose andere geniale Entdeckungen und Erfindungen, die regelmäßig mit allen Mitteln verstockter und gehässiger Spießbürgerei [sic!] bekämpft wurden." [8]
Seither dürfte die WEL-Anhängerschaft (sowohl was deren eher wissenschaftlich pragmatischen Flügel als auch den des ideologischen Hörbigerismus angeht) allerdings - nicht zuletzt durch die ungeheure Entwicklung der Astronomie während der jüngsten Jahrzehnte - rapide geschwunden sein. Lyon Sprague de Camp bemerkt dazu mit einiger Häme: "Schade um Hörbigers Theorie, aber die Planeten sind nun einmal nicht aus Eis (obwohl einige wahrscheinlich von Eismänteln umgeben sind). Wenn sie dies wären, wären Erscheinungsbild und mathematische Verhaltensweisen anders. (Als ein Kritiker einmal Hörbiger gegenüber ausführte, daß das spezifische Gewicht des Saturn niedriger sei als das von Eis, murmelte Hörbiger etwas von >Gravitationsschatten< - eine Bezeichnung, die er niemals näher erklärte.)
Auch besteht die Milchstraße keineswegs aus >Boliden<, wie Teleskopbeobachtungen längst ergeben haben. Der Mond entfernt sich von uns, statt sich uns zu nähern. Die Landung von Astronauten auf dem Erdtrabanten und Instrumenten-Kapseln, die zur Venus geschickt wurden, haben ergeben, daß keiner der beiden Himmelskörper von einem Eismantel umgeben ist. Tatsächlich sind Hörbigers Behauptungen im Lichte moderner Wissenschaft nicht haltbar." [9]
Trotzdem erscheinen aus grenzwissenschaftlicher Sicht einzelne Aspekte der Hörbiger´schen Ideenwelt, herausgelöst aus dem Gesamt-Zusammenhang der WEL, durchaus diskussionswürdig (z.B. Hörbigers Ablehnung der Vorstellung einer linearen Menschheitsentwicklung, sein Theorem primhistorischer Kulturen, die Annahme urzeitlicher Riesen-Menschen, sein katastrophistisches Konzept zur Entstehung der weltweiten Kohlevorkommen und seine Betrachtung des Universums als lebendiger Organismus). Diese Feststellungen ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die Glazial-Kosmologie in ihrer ideologisierten Form keineswegs zufällig zum integralen Bestandteil der "nordischen Wissenschaft" der Nationalsozialisten avancierte und dort u.a. die Hohlwelt-Theorien verdrängte (vergl. dazu: Die hohle Welt der Nationalsozialisten von J. Bergier und L. Pauwels).
Anmerkungen und Quellen
- ↑ Quelle: Adolf Hitler, "Mein Kampf", München, 1934, S. 317
- ↑ Quelle: Louis Pauwels und Jaques Bergier, "Aufbruch ins dritte Jahrtausend", Berlin, Darmstadt, Wien, 1965, S. 351
- ↑ Quelle: ebd., S. 352
- ↑ Quelle: ebd.
- ↑ Quelle: ebd., S. 354
- ↑ Quelle: ebd., S. 355
- ↑ Quelle: ebd., S. 336
- ↑ Quelle: ebd., S. 336, 337
- ↑ Quelle: Lyon Sprague de Camp, "Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen", München (Wilhelm Heyne Verlag) 1977, S. 99
Bild-Quellen:
- 6) http://www.intro-online.de/atlantis.html (nicht mehr online)
- 8) http://kriegsende.ard.de/container/ndr_style_images_default/0,2299,OID1151114,00.jpg (nicht mehr online)