Das Geheimnis des 'Marsberges'

von unserem Gastautor Gernot L. Geise

Die Spurensuche beginnt

Am Montag, dem 25. Juni, trafen wir uns zu einer internen Begehung bei Würzburg. Walter Haug - den Lesern bekannt durch seine megalithischen Entdeckungen im Kraichgau - hatte auf Landkarten einige Gelände entdeckt, die allem Augenschein nach in seine Theorie einer frühen Hochzivilisation passten und wollte vor Ort die Gegebenheiten überprüfen. Teilnehmer der Exkursion waren neben Walter Haug und mir die EFODON-Mitglieder Liese Knorr aus Westhausen und der Sachbuch-Autor Uwe Topper aus Berlin, sowie Andreas Ferch aus Bruchköbel. Wir trafen uns mit einer halbstündigen Verspätung auf einem Parkplatz in Würzburg, der wegen der typisch bayerischen irreführenden Beschilderung zunächst von keinem Teilnehmer gefunden wurde.

Abb. 1: Schon das Luftbild des "Marsberges" südlich von Würzburg zeigt merk- würdige Bodenstrukturen.
Foto: GLG-Archiv

Haugs Programm sah vor, die im Süden von Würzburg bei der kleinen Ortschaft Randersacker gelegenen Geländeformationen "Sonnenstuhl" und "Marsberg" zu begehen, und als zweiten Teil nach der Begehung zurück nach Würzburg zu fahren, um im Würzburger Dom nach alten Grabplatten Ausschau zu halten, auf denen eventuell die Jahreszahlen falsch angegeben waren. In brütender Hitze machten wir uns auf den Weg, zunächst zum "Sonnenstuhl", zu dem man von der nördlich von Randersacker gelegenen Ortschaft Gerbrunn gelangte. Doch er entpuppte sich als Flop.

Das Gelände war weiträumig einsehbar und bestand aus einem größeren Hügel, der auf seiner Oberseite mit großem Baugerät planiert wurde. Die Baumaßnahmen waren noch im Gange. Sollten hier wirklich Spuren einer Vorzivilisation gewesen sein, waren sie inzwischen gründlich zerstört worden. Uwe Topper fand zwar recht große rechteckige Steinblöcke, die jedoch durch die Baumaschinen zusammengeschoben worden waren und aus denen sich kaum noch etwas rekonstruieren lassen würde.

Also fuhren wir zurück nach Randersacker, da es (auf der 25.000er Karte von Walter Haug) nur wenige Kilometer von Gerbrunn entfernt liegt. Die kleine Ortschaft Randersacker liegt in einem Taleinschnitt entlang der Straße zur Ortschaft Gerbrunn. Die östliche Seite war für uns relevant, denn in dieser Richtung sollten - nach der Karte - ehemalige Steinbrüche vorhanden sein. Dies ist der "Marsberg", und der Name allein sagt bereits aus, dass eine Verbindung zu dem Kriegsgott Mars besteht. Diese Bezeichnung wurde jedoch möglicherweise erst später gewählt, als man nicht mehr wusste, wer die dortigen "heidnischen" Megalithanlagen errichtet hat und so auf den Kriegsgott Mars verfallen ist.

An den Berghängen beiderseits von Randersacker wird Wein angebaut. Und durch diese Weinberge kletterten wir den steilen Berg hinauf. Auf der östlichen Seite des Berges wollten wir den oder die (ehemaligen) Steinbrüche in Augenschein nehmen, und nach der Karte sollten sie nur etwa einen Kilometer von der Straße entfernt liegen.

Abb. 2: Ein Dolmen am Hang des 'Marsberges': die seitlichen Stützsteine ste- hen noch, die Deckplatte ist halb weggerutscht.
Foto: (c) Geise


Die Nekropole vom Marsberg

Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass ich, wenn ich hier von "Gräbern" rede, nur nach dem Augenschein beschreibe. Solange nichts definitiv ergraben und nachgewiesen ist, handelt es sich dabei um eine Hypothese.

Auf der Kuppe des Berges, oberhalb des Weinanbaugebietes, beginnt ein Naturschutzgebiet. Hier waren tatsächlich deutliche Hinterlassenschaften von Abbautätigkeiten zu sehen: verrostete Stahlseile und Eisenstangen, eine einzelne verbogene Schiene einer Lorenbahn usw. lagen verstreut in den Gebüschen. Allerdings fanden wir keine typischen Steinbruch-Abraumhalden, und auch einen typischen Steinbruch fanden wir nicht, was mit der Unübersichtlichkeit des Geländes zusammenhängen mag, denn innerhalb von ein paar Stunden kann man unmöglich das ganze Areal untersuchen.

Es wurde zur Steingewinnung also anscheinend nur herumliegendes Gestein fort geschafft. Erkennbar fanden wir auch in einigen der herumliegenden Steinblöcke Bohrlöcher, mit denen diese auseinander gesprengt worden sind. Der "Marsberg" selbst ist heute - wie schon gesagt - ein Naturschutzgebiet, und das ist gut so, denn sonst wären die steinernen Relikte, die wir fan-den, wahrscheinlich schon alle zerstört worden, wie es auf dem "Sonnenstuhl" gerade geschieht.

Schon am Rande des Weges, den wir in der Mittagshitze keuchend auf der Kuppe des Berges erreichten, fielen uns große, rechteckig zugehauene Steinblöcke auf, die bis zu zwei Meter lang, einen Meter breit und einen halben Meter dick waren, und die scheinbar wahllos in der Landschaft lagen. Auf gut Glück kämpften wir uns dann durch das zum Teil recht dichte Unterholz in Richtung auf den angenommenen Steinbruch. Dann standen wir plötzlich vor der ersten Steinansammlung, bei der man sehen konnte, dass es sich hierbei um einen ehemals mit Steinblöcken überdachten niedrigen Gang gehandelt haben musste, der inzwischen zusammengestürzt war (wurde?). Der Rest eines Hohlraumes war gerade noch erkennbar. Eine solche Steinansammlung konnte selbstverständlich zufällig dort liegen, deshalb gingen wir einen schmalen Trampelpfad weiter in Richtung des angenommenen Steinbruchs.

Abb. 3: Reste einer ehe- maligen Grabanlage? An- dreas Ferch neben bear- beiteten Steinblöcken auf dem "Marsberg" bei Würz- burg-Randersacker.
Foto: (c) Geise

Eine Senke zwischen den Hügeln tat sich vor uns auf, die Talsohle lag etwa zehn Meter unter der Hügelkuppe, über die wir kamen, und auf der anderen Seite am Hang stand, halb von großen Büschen verborgen - ein Dolmen! Er war recht gut erhalten und bestand aus den seitlichen Tragsteinen und dem dazu gehörigen Deckstein. Dolmen (frz. "Steintisch") sind die vorgeschichtlichen Grabformen der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit. Jetzt wurde es interessant, denn das war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass hier mehr zu finden ist als nur "zufällig" herum liegende große Steine. Steinaufhäufungen waren jetzt mehrfach zu sehen, wobei es natürlich nicht sicher ist, in wieweit die hier vormals bestandenen Anlagen durch den Steinabbau zerstört worden sind.

Die Steine hatten jeweils Ausmaße bis zu drei Metern und Dicken bis zu einem halben Meter. Sie waren grob bearbeitet und in rechteckige Formen gebracht worden, was anhand der Bearbeitungsspuren erkennbar war.


Ein megalithisches Ganggrab à la Newgrange

Ich ging den Taleinschnitt entlang und stand dann unvermittelt vor einem Eingang in einen der Hügel. Zunächst dachte ich, dass es sich hier um eine Art Unterstand der ehemaligen Abbau-Arbeiter oder um eine Art Vorratsraum handelte, denn die türartige Öffnung war sauber rechteckig und mit bearbeiteten Steinen eingefasst. Sie ähnelte einem Bergwerksstollen-Eingang. Im vorderen Teil des Ganges lagen alte Plastikfolien und Müll. Auf der rechten Seite des Zugangs war noch in halber Höhe ein verrostetes Scharnier eingelassen, was davon zeugt, dass dieser Eingang einmal verschlossen war, warum auch immer.

Abb. 4: Der Zugang zu dem gefundenen "Gang- grab" auf dem "Marsberg"
Foto: (c) Geise

Neugierig ging ich hinein und befand mich in einem schmalen Gang (etwa einen Meter breit, 1,90 Meter hoch), der sich im Dunkel verlor. Da ich immer noch annahm, dass es sich hierbei um eine Art Unterstand handelte, tastete ich mich in den stockdunklen Gang hinein, durch das gelegentliche Aufflammen meines Feuerzeuges unterstützt.

Jetzt rächte es sich, dass wir wegen der sommerlichen Hitze jeder nur einen Fotoapparat mitgenommen hatten. Wir hatten ja auch nur einen alten Steinbruch erwartet, den wir fotografieren wollten. Taschenlampen und andere Geräte befanden sich zwar im Kofferraum, doch unsere Autos standen kilometerweit entfernt. Die Seitenwände des Ganges bestanden aus sauber verarbeiteten Steinen. Die Decke aus nebeneinander verlegten Decksteinen zeigte zwischen den einzelnen Querriegeln kaum einen Zentimeter Zwischenraum. Das ist ein Zeichen dafür, dass dieser Gang nicht etwa in einen Hügel hinein gebaut worden ist, sondern dass zuerst der Gang angelegt wurde, dieser dann mit den Decksteinen belegt und anschließend alles mit Erdreich aufgeschüttet worden ist, so dass der Hügel entstand.

Der Boden war teilweise mit Geröll bedeckt und nur annähernd eben. Nach etwa dreizehn Metern beschrieb der Gang einen rechtwinkligen Knick und setzte sich dann fort, wobei sich nach etwa drei Metern eine etwa zwanzig Zentimeter tiefe Stufe befand, in die ich in der Dunkelheit stolperte. Gleichzeitig nahm die Deckenhöhe ab. Die Wände und der mit Geröll bedeckte Boden waren ab hier nass und glitschig.

Ich tastete mich zunächst wieder hinaus, um den anderen Bescheid zu sagen, zumal ich mit der kleinen Feuerzeugflamme nicht viel sehen konnte. Gemeinsam drangen wir erneut in den Gang ein. Eine Kerze, die irgend jemand am Eingang vergessen hatte, half uns, wenigstens etwas zu erkennen (ich hatte sie nicht benutzt, weil ich immer noch an einen Unterstand glaubte).

Abb. 5: Blick durch den Gang zum Eingang.
Foto: (c) Geise

Der abknickende Gang konnte etwa weitere zehn Meter begangen werden, verengte sich dann jedoch zu einer Höhe von vielleicht vierzig Zentimetern, wobei auch die Gangbreite abnahm. Dort war ein Deckstein herunter gebrochen, der ein Weiterkommen verhinderte. Für wen oder was dieser Gang angelegt worden ist und wohin er führt, kann natürlich nur angenommen werden, solange keine weitergehenden Untersuchungen stattgefunden haben. Walter Haug meinte, er müsste zu einer Grabkammer führen, die wohl noch verschlossen sei.

Soweit wir feststellen konnten, war der Gang in bester Megalithart angelegt. Vergleiche mit dem englischen Ganggrab in Newgrange drängten sich uns auf. Augenscheinlich gehört der gefundene Gang zu einem Hügel mit den geschätzten Abmessungen von etwa dreißig Metern Länge und zwanzig Metern Breite, der sich etwa fünf Meter hoch über den Eingang erhebt. Es könnte sich also durchaus um einen alten Grabhügel bzw. ein Ganggrab (Cairn) handeln. Als Cairns bezeichnet man in Frankreich und auf den Britischen Inseln Megalithgräber, die von einem künstlich aufgeschichteten Hügel aus Steinen umgeben sind. Diese Beschreibung traf hier zu. Irgendwelche Inschriften oder Zeichen fanden wir leider nicht.

Abb. 6: Die Knickecke. Der Gang dieser Anlage be- schreibt hier einen recht- winkligen Knick.
Foto: (c) Geise

Wie wir erst im Nachhinein auf den Fotos sehen konnten, befinden sich überwiegend im Deckenbereich des abgeknickten hinteren Gangteiles merkwürdige längliche Objekte, die schätzungsweise um die fünf Zentimeter lang sein dürften. Ob es sich hierbei um eine Insektenart oder um Mini-Stalaktiten handelt - die Gangdecke war in diesem Bereich recht feucht -, bleibt noch zu klären.

Die ganze Anlage auf dem "Marsberg" scheint wesentlich größer zu sein als zunächst angenommen. Im Gegensatz zu der noch sichtbaren planierten Bergkuppe des "Sonnenstuhls" liegt hier Hügel an Hügel, wobei das ganze Gelände mehr oder weniger dicht bewachsen ist.Wir bewegten uns dann quer durch das unwirtliche Gelände in Richtung Randersacker und stießen auf weitere megalithische Hinterlassenschaften, die meist zusammengebrochen waren. Bei einigen konnte man zwischen den Steinblöcken noch Hohlräume erkennen, wobei allerdings keine Zugangsmöglichkeiten bestanden

Nach dem, was wir hier gesehen haben, schätze ich vorsichtig, dass mindestens zwanzig Großsteinansammlungen vorhanden sind, mit großer Wahrscheinlichkeit mehr. Hinzu kommen die zahllosen Hügel, bei denen es sich eventuell um Grabhügel handeln könnte. Einen weiteren Zugang zu einem anderen Hügel fanden wir in der kurzen Zeit nicht.

Abb. 7: Etwa drei Meter hinter dem Gangknick eine weitere Stufe in der Decke, parallel dazu setzt sich der Boden etwa zwanzig Zenti- meter tiefer fort.
Foto: (c) Geise

Im Vergleich zu dem, was ich bisher in Norddeutschland und in Frankreich an megalithischen Anlagen gesehen habe, scheint es sich hier um eine größere Megalith-Nekropole von Steingräbern und Grabhügeln zu handeln, obwohl es mir widerstrebt, solche Steinkonstruktionen gleich in die "Schublade Gräber" zu schieben.

Die Fläche mit den Megalithanlagen erstreckt sich, nach dem Luftbild berechnet, über ein Gelände von etwa 0,2 Quadratkilometern. Im Unterschied zu den bekannten Megalithanlagen Norddeutschlands oder Frankreichs, bei denen meines Wissens nach ausnahmslos unbearbeitete oder nur grob bearbeitete Steinblöcke verwendet wurden, sind die hier verwendeten Blöcke zwar ebenfalls irgendwo herausgebrochen worden, jedoch hat man sie durch nachträgliche Bearbeitung in rechtwinklige Formen gebracht. Eine zeitliche Einordnung lässt sich natürlich nicht machen.

Geklärt müsste zunächst die Herkunft der Steinblöcke werden, denn wir sahen keinen Steinbruch, aus dem die Blöcke gebrochen sein könnten. Und irgendwie müssen diese tonnenschweren Felsblöcke ja auch transportiert worden sein. Sollten sie an Ort und Stelle gebrochen worden sein - die Abbruchstellen sind heute vielleicht überwachsen - dann besteht immer noch das Problem, diese Blöcke kunstvoll aufeinander zu schichten. Heute könnte man das in dieser Größe nur noch mit Hilfe von Krananlagen bewerkstelligen, doch die "Megalithiker" beherrschten nachweislich die Kunst, auch schwerste Felsblöcke wie Kinderspielzeug zu bewegen.

Abb. 8: Das Ende des Querganges wird durch einen herabgebrochenen Deckenstein verursacht.
Foto: (c) Geise

Weiterhin wäre zu erforschen, zu welcher Kultur Megalithanlagen mit rechteckig behauenen Steinen gehören, und letztendlich besteht die eigentliche Sensation darin, so weit südlich solche Anlagen zu finden, denn nach schulwissenschaftlicher Lehrmeinung gilt Süddeutschland als "megalithfrei".


Anmerkungen und Quellen:

Dieser Bericht von Gernot L. Geise (c) wurde erstmals unter dem Titel "Sensationelle megalithische Nekropole bei Würzburg gefunden!" in EFODON-SYNESIS Nr. 5/2001 veröffentlicht und online unter: http://www.efodon.de/html/archiv/vorzeit/geise/w-mars.htm publiziert.


Bild-Quellen:

(1-8) http://www.efodon.de/html/archiv/vorzeit/geise/w-mars.htm