Die Legende von König Teutobuchus

Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Datei fehlt
Abb. 1 Die geographische Lage der Dauphiné im Osten Frankreichs, wo 1613 angeblich das Skelett des Riesen Teutobochus entdeckt wurde

(bb) Zu den zahlreichen Sagen und Legenden um ur- und frühgeschichtliche Riesen und Zwerge, die möglicherweise einen harten historischen Kern haben - also durchaus auf Fakten beruhen -, gehört auch die alte Mär über Teutobochus, den legendaren Riesen-König der Teutonen.

Obwohl die Teutonen (Abb. 2) in der Literatur des klassischen Altertums - vorwiegend von ihren römischen Todfeinden, die bekanntlich einigen Respekt vor dem sprichwörtlich gewordenen Furor Teutonicus zeigten - als sehr hochwüchsig beschrieben wurden, und auch wenn der Historiker August Joseph Ludwig Graf von Wackerbarth 1821 so weit ging, sie als die "grossen riesenhaften Vorfahren" [1] der Deutschen zu bezeichnen, so waren sie doch mit einiger Sicherheit kein 'Riesen-Volk' im engeren Sinn des Wortes, also in etwa vergleichbar mit den Huilliches und Tehuelhets [2] Patagoniens. Und auch ob die Legende um ihren König Teutobochus wirklich bis in jene antiken Zeiten zurückgeht, in denen er gelebt haben soll, lässt sich keineswegs mit Sicherheit sagen.

Die Frauen der Teutonen verteidigen eine Wagenburg.jpg
Abb. 2 Bei den teutonischen Hünen kämpften auch die Frauen mit. Die Illustration zeigt
Teutoninnen, die eine Wagenburg gegen die Römer verteidigen (Heinrich Leutemann, 1882)

Eindeutig zuzuordnen ist jedenfalls ein neuzeitliches Ereignis im Frankreich des 17. Jahrhunderts, das nachfolgend für eine anhaltende Bekanntheit der Legende sorgte, und über welches W.A. Seaver 1969 schrieb:

Abb. 3 Ob es tatsächlich einen riesenhaften König der Teutonen namens Teutobuchus gab, und wie groß er wirklich war, wird sich wohl nicht mehr zweifelsfrei klären lassen.

"In moderneren Zeiten (1613) entdeckten einige Steinmetze, die nahe den Ruinen einer Burg in der Dauphiné (Abb. 1) gruben, auf einem Feld, das traditionell lange das 'Riesenfeld' genannt worden war, in einer Tiefe von 18 Fuß [ca. 5,50 m; d.Ü.] eine 30 Fuß[ca. 9,14 m; d.Ü.] lange, 12 Fuß [ca. 3,66 m; d.Ü.] breite und 8 Fuß [ca. 2,44 m; d.Ü.] hohe Gruft aus Mauersteinen, auf der ein grauer Stein lag, in welchen die Worte 'Theutobochus Rex' graviert waren. Als die Gruft geöffnet wurde, fanden sie ein menschliches Skelett, das insgesamt 25-1/2 Fuß [ca. 7,80 m; d.Ü.] lang, über die Schultern 10 Fuß [ca. 3,05 m; d.Ü.] breit und von der der Brust zum Rücken 5 Fuß [ca. 1,52 m; d.Ü.] hoch war. Seine Zähne hatten in etwa die Goße eines Ochsenhufes, und sein Schienbein maß in der Länge 4 Fuß [ca. 1,22 m; d.Ü.]." [3]

Halten wir dazu kurz fest, dass die oben angeführten Größenangaben aus dem Blickwinkel heutiger Riesenforschung in der Tat übetrieben erscheinen, aber damals erreichte diese spektakuläre Geschichte, wie es in der englischsprachigen Wikipedia heißt, schnell große Bekanntheit: "Nach der Entdeckung der Knochen verbreitete sich die Legende vom König Teutobochus, den man für jenen Teutonenkönig hielt, der von Gaius Marius besiegt wurde, ungeachtet der Analyse des Anatomen Jean Riolan der Jüngere, der die Knochen einem von Hannibals Elefanten zuschrieb. Drei Jahrhunderte später untersuchte der Zoologe Henri Marie Ducrotay de Blainville die Knochen und schlussfolgerte, sie gehörten zu einem Mastodon. Schließlich analysierte der Paläontologe Léonard Ginsburg in den 1980ern eine Gipsform aus dem Pariser Muséum national d'histoire naturelle, die von den riesigen Knochen stammte, und identifizierte [sie als diejenigen eines] Deinotheriums. Der gegenwärtige Aufenthaltsort der Knochen ist unbekannt." [4]

Da wir wohl voraussetzen dürfen, dass zumindest die involvierten Gelehrten des 19. und 20. Jahrhunderts zweifellos zu einer Identifizierung der Überreste prädiluvialer Megafauna in der Lage waren, erscheint (zumindest unter der Voraussetzung, dass die von ihnen analysierten Relikte tatsächlich mit dem Fundgut aus dem 17. Jahrhundert zu tun hatten! [5]) die Schlussfolgerung des betreffenden Wikipedia-Autors durchaus sinnvoll: "Da Knochen von Dinosauriern und anderen prähistorischen Tieren 1613 unbekannt waren, macht es den Anschein, dass die Knochen solch eines Tieres, die während historischer Zeiten gefunden wurden, fälschlicher Weise den sterblichen Überresten des legendaren Riesen zugeordnet und in einer Gruft beerdigt wurden, welche den Namen des Riesen trug." [6]

Immerhin würde dies - auch wenn die Knochen nichts mit dem sagenhaften Teutobuchus zu tun hatten - für ein vermutlich bis in vorchristliche Zeit zurückreichendes Alter der Legende um diesen >Teutonenkönig mit Übergröße< sprechen, wobei sich die spannende Frage stellt, welcher Kultur die Erbauer seiner Gruft angehörten - sofern auch dieser Teil der Überlieferung den Tatsachen entspricht. Weitere Rückschlüsse auf einen Zusammenhang der Teutonen und der vorzeitlichen Riesen Europas erscheinen anhand der vorliegenden Fakten jedenfalls ebensowenig möglich, wie eine Klärung der Frage, ob es bei ihnen tatsächlich einen riesenhaften König namens Teutobuchus gab, und wie groß er wirklich war.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: August Joseph Ludwig Graf von Wackerbarth, "Die Geschichte der grossen Teutonen", Hamburg (Hartwig & Müller), 1821, S. 84
  2. Siehe zu diesen bei Atlantisforschung.de: "Die Riesen von Patagonien - nur ein Mythos?" (bb)
  3. Quelle: W.A. Seaver, "Giants and Dwarfs", in Harper's New Monthly Magazine, 39:202-210, 1969; nach: muhammad abdo, "25 feet giant human skeleton in france" (Video, 1 Min.; abgerufen: 19.04.2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  4. Quelle: Pierre Barthélémy, "Teutobochus, le géant qui n’en était pas un", 13. Januar 2013; nach: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: Teutobochus (beide abgerufen: 19.04.2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  5. Anmerkung: Diese Einschränkung erscheint allerdings durchaus notwendig, denn in Brockhaus´ Allgemeiner deutscher Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexicon) von 1824 erfahren wir (S. 285) über die angeblichen Gebeine des Teutobochus: "Sie wurden endlich nach England gebracht, und man weiß nicht, wo sie hingekommen sind." Es ist also nicht klar, was für Knochen Henri Marie Ducrotay de Blainville damals eigentlich untersucht hat. Die Ergebnisse seiner Analyse veröffentlichte der Zoologe und Anatom jedenfalls - laut Pierre Barthélémy (op. cit.) - erst im Jahre 1835! Somit ist auch nicht gesichert, ob der Gipsabdruck, den Léonard Ginsburg in den 1980ern untersuchte, irgendetwas mit dem Fundgut von 1613 zu tun hatte. Was bleibt, ist die Expertise des Jean Riolan aus dem 17. Jahrhundert, der, wie seine Gigantologie von 1668 zeigt, ein erklärter Gegner der Annahme war, es habe in vergangenen Zeiten Riesenvölker gegeben.
  6. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: Teutobochus (abgerufen: 19.04.2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)

Bild-Quellen:

1) Benson85 (englischsprachige Wikipedia) sowie: Igno2 bei Wikimedia Commons, unter: File:Dauphiné.JPG
2) Bloodofox bei Wikimedia Commons, unter: File:Der Frauen der Teutonen verteidigen die Wagenburg by Heinrich Leutemann.jpg
3) The Legacy Preservation Library, The Story of OLD EUROPE and YOUNG AMERICA, unter: THE COMING OF THE TEUTONS (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)