Die gefälschten Riesen - Teil II

... 'Photoshop-Riesen' unter die Lupe genommen

"Bilder sagen mehr als tausend Worte - aber bei weitem nicht immer die Wahrheit"

Abb. 1 Einer der 'Urahnen' der 'Photoshop'-Riesen: Mit dieser Kollage erreichte ein User mit dem Nicknamen IronKite vor ca. 12 Jahren bei einem Wettbewerb der Webseite Worth1000 den dritten Platz der Kategorie Archaeological Anomalies.

(red) Nachdem wir uns bereits an anderer Stelle recht ausführlich mit dem Phänomen der historischen Hoaxes zu angeblichen Riesenfunden befasst haben, wollen wir uns hier mit dem ersten Beitrag einer geplanten Reihe von Folgeartikeln den so genannten 'Photoshop-Riesen' zuwenden. Nunmehr geht es also um jene computer-generierten Bild-Manipulationen, die als vermeintliche fotographische Beweise für angebliche Entdeckungen von Überresten prähistorischer Riesen dienen sollen.

Diese Fakes - deren inflationär ansteigende Zahl im Internet inzwischen bereits im dreistelligen Bereich liegen dürfte - stellen, um es zu betonen, gerade aus Sicht derjenigen Forscherinnen und Forscher ein großes Ärgernis dar, die sich im grenzwissenschaftlichen Bezirk sehr ernsthaft und um Seriosität bemüht auf dem Gebiet der Gigantologie engagieren. Einerseits trägt die anhaltende Schwemme dieser Pseudo-Riesenfotos und der dazugehörigen, selbstredend frei erfundenen Strories über 'sensationelle' archäologische Funde prä- und protohistorischer menschlicher Riesen nämlich in nicht unerheblichem Maße dazu bei, das ohnehin brisante, kontrovers diskutierte Thema 'Riesenmenschen der Vorzeit' ins Lächerliche zu ziehen, und sowohl interessierte Laien bzw. potentielle weitere Amateurforscher als auch professionelle Fachwissenschaftler von einer näheren Beschäftigung damit abzuschrecken.

Abb. 2 Der Kopf einer frei erfundenen Riesenfund-Meldung samt gefälschtem 'Beweisfoto', die im Februar 2014 auf der Webseite worldnewsdailyreport.com verbreitet wurde

Zudem bringt der Hype um solche, von interessierten Internet-Nutzer/innen nicht selten kritiklos als 'Beweise' akzeptierten Falsifikate auch jene authentischen Funde bzw. Fundmeldungen in Misskredit, die tatsächlich als Belege für die vormalige Existenz von Populationen (also Völker, Stämme, Clans usw.) riesenhafter Menschenwesen auf der Erde gelten dürfen. Kein Wunder also, dass es zu einer der wesentlichen Aufgaben der Riesenforschung geworden ist, die sprichwörtliche 'Spreu vom Weizen' zu trennen, und Fälschungen zu entlarven. Mit durch Pseudoskeptizismus motiviertem Debunking hat dies natürlich nicht das Geringste zu tun, auch wenn manche 'Riesenfans' - jedenfalls solche, die mit Forschung im engeren Sinne ohnehin nicht viel zu tun haben - es sicher nicht gerne sehen, dass dadurch so manche, nur allzu gerne geglaubte Spektakel-Geschichte als Humbug enttarnt wird.

Bevor wir uns nachfolgend anhand konkreter Fallbeispiele mit derartigen Fakes und der Falsifizierbarkeit erfundener Stories und 'getürkter' Bilder befassen, macht es Sinn, einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Internet-Phänomens der 'Photoshop-Riesen' zu werfen. Dazu müssen wir nur ca. zwölf Jahre zurückblicken. Am 1. Januar 2002 ging nämlich Worth1000 online, eine Webseite, die sich mit digitaler Bildbearbeitung befasst, eine Vielzahl von Beispielen für besonders gelungene bzw. spektakuläre Manipulationen von Fotos online präsentiert, und - vermutlich nicht zuletzt als PR-Instrument in eigener Sache - auch Wettbewerbe für Künstler/innen veranstaltet, die das Genre der digitalen Foto-Manipulation für sich entdeckt haben.

Abb. 3 Ein weiteres Beispiel für einen der frühen 'Photoshop-Riesen' aus der Kollektion von Wettbewerbs-Beiträgen bei Worth1000

Bei einem der ersten dieser Künstler-Wettbewerbe von Worth1000 erreichte ein User mit dem Nicknamen IronKite mit seiner digitalen Kollage eines geradezu monstös großen Riesenskeletts, das von Archäologen freigelegt wird (Abb. 1), den dritten Platz in der Kategorie Archaeological Anomalies. Ohne es zu ahnen, hatte er damit ein veritables neues Sujet ("Archäologen exhumieren das Skelett eines Riesen") der künstlerischen Foto-Manipulation ins Leben gerufen, und - wie nicht anders zu erwarten - inspirierte sein Erfolg auch andere Künstler zu entsprechenden Beiträgen auf jener Webseite (Abb. 3). Im eigentlichen Sinne zum Phänomen wurde IronKites Werk jedoch in ganz anderer Hinsicht: Bereits wenige Tage, nachdem seine Kollage bei Worth1000 veröffentlicht worden war, begann sie im Web ein sonderbares 'Eigenleben' zu entwickeln. Sie tauchte nun nämlich auf allen möglichen Homepages auf, wo sie als augenfälliger Beweis dafür angepriesen wurde, dass - wo auch immer - das Skelett eines (mehr als 15 m großen!) Riesen entdeckt worden sei.

Abb. 4 Hier zwei weitere Photoshop-Riesen, die bei Rab-Ul-Khalee exhumiert worden sein sollen

Freilich war bei der nun im Web kursierenden, retuschierten Version des Bildes (siehe hier) 'sicherheitshalber' der untere Rand mit dem Logo von Worth1000 entfernt worden, und es ist schon amüsant, dass es im Lauf der Zeit als 'Beweis' für vermeintliche Funde an allen möglichen Orten auf unserem Globus herhalten musste, so etwa in Indien, oder auch im Osten der Arabischen Wüste, im Rab-Ul-Khalee. [1] Die vermeintliche 'Riesen-Fundstätte' von Rab-Ul-Khalee inspirierte dann übrigens auch andere Vertreter derartiger 'Beweisführung' zu weiterer Legendenbildung und 'gephotoshopten Evidenzen'. (Abb. 5) [2]

Jedenfalls begann so die Ära der 'Photoshop-Riesen', die - wie oben bereits erwähnt - das Web überschwemmen und im Gegensatz zu ihren ursprünglich 'in aller Unschuld' als Kunstwerke produzierten 'Kollegen' bewusst irreführend als authentisches Fotomaterial zur Illustration zumeist an den Haaren herbeigezogener Stories dargestellt werden. Als Beispiel aus jüngster Zeit wollen wir uns nun etwas näher mit einem dergestalt illustrierten Artikel befassen, welcher am 18. Februar 2014 unter dem Titel "Biblical Giants Unearthed in Golan Heights?" bei worldnewsdailyreport.com erschienen ist. Hier zunächst die Übersetzung des Original-Textes ins Deutsche:

"Eine kürzliche archäologische Grabung hat in der Nähe der altertümlichen Ruinen von Rujm el-Hiri, auf den Golanhöhen, einem umkämpften Gebiet, auf das sowohl Syrien und Israel Anspruch erheben, nicht weniger als zwei Dutzend Skelette von gigantischen Proportionen zu Tage gefördert. Das Team von Archäologen unter Leitung der Universität Tel-Aviv macht geltend, dass die Skelette älter als die Ruinen selber sein könnten, die, der Mainstream-Archäologie zufolge, ohnehin auf 5000 Jahre zurückdatieren.

Abb. 5 Eine Rekonstruktion des Rujm el-Hiri (Gigal Refaim), die sich als zusätzliche Illustration des Artikels bei worldnewsdailyreport.com findet. Die dortige Bild-Unterschrift lautet übersetzt: "Einige Gelehrte meinen, die als Rujm al-Hiri bekannte Struktur aus konzentrischen Stein-Kreisen sei ein astrologischer Tempel oder ein Observatorium gewesen, andere halten sie für einen Bestattungs-Komplex."

>Es ist eindeutig ein unerwarteter Fund<, erklärt Tom Yiggur, der Chef-Archäologe. >Die Fundstätte von Rujm el-Hiri ist bereits über Jahrzehnte hinweg umfassend erforscht worden, doch unserem Team bemerkte einen Mound in der Nähe, der unserer Meinung nach von besonderem Interesse war. Es hat zwei lange Jahre gedauert, aber die Anstrengung war es definitiv wert<, erläutert er sichtlich begeistert. Die Stätte von Rujm el-Hiri, welche aus schätzungsweise 40.000 Tonnen unbehauenem, schwarzem vulkanischem Basalt und Feldsteinen besteht, die zu zwischen fünf und neun konzentrischen Ringen aufgehäuft und verkeilt wurden, war aufgrund ihrer Erwähnung in der Bibel stets ein für die biblische Archäologie interessanter Ort.

>In der Bibel heißt es, dass Og, der König of Bashan, über dieses Land herrschte. Og und seine mächtige Armee wurden von was slain by Moses und er soll der letzte der Rephaim gewesen sein, ein hebräisches Wort, das Riese bedeutet. Könnte dies das Rastgebiet jener mythischen Giganten gewesen sein, von denen uns die Bibel berichtet? Ich wäre nicht überrascht!<, erklärt Guntar Web, Leiter der Abteilung für Biblische Studien an der Universität Tel-Aviv. >Einer der Riesen war in eine Kupferrüstung gehüllt. Eines der kupfernen Schwerter war also as hart wie Stahl und in einer Art und Weise gefertigt, die uns unbekannt ist. Dies ist definitiv die interessanteste Grabung, auf die ich jemals mein Auge geworfen habe<, erklärt der Mann, der seit über vier Jahrzehnten auf diesem Gebiet tätig gewesen ist." [3]

Abb. 6 Noch ein 'echter Photoshop-Riese'. Dieses virtuelle Prachtstück soll angeblich ca. 2010 bei einer archäologischen Grabung in Griechenland exhumiert worden sein.

Wer diesen Artikel ohne fachliches Hintergrundwissen oder besondere Skepsis liest, wird ihn vermutlich zunächst recht überzeugend finden - und genau deshalb eignet er sich bestens als Demonstrationsobjekt zur Darstellung der Notwendigkeit eines kritischen Umgangs mit derartigen Reports. Dazu ist zunächst einmal festzustellen, dass wir zwei Elemente getrennt voneinander zu untersuchen haben: a) den Text des Berichts - und b) die dortige Abbildung (Abb. 2) von zwei der angeblich "nicht weniger als zwei Dutzend Skelette von gigantischen Proportionen", um die es in der fraglichen Fundmeldung geht.

Was zunächst den zweiten Punkt (b) angeht, so bedarf es unsererseits keiner großen Anstrengung, um ohne weiteres zu der Feststellung zu gelangen, dass es sich auch in diesem Fall um typische 'Photoshop-Riesen' handelt, und dass das Bild eindeutig ein Fake ist. Diese sichere Erkenntnis verdanken wir der gründlichen Vorarbeit der Kollegen des Mars Analyse Projekts (MAP), die sich u.a. mit der Untersuchung von digitalem Bildmaterial, dem Aufspüren von daran vorgenommenen Manipulationen und der Entwicklung entsprechender Techniken und Methoden befassen. Im vorliegenden Fall waren allerdings keine technischen Analyse-Verfahren, sondern einmal mehr die durchaus mühselige Nachforschung in Online-Archiven und auf einschägigen Webseiten der Schlüssel zum Erfolg. Hier nun der Befund, den Donny Gschwind vom MAP uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat:

Fake Riesenskelett Komposition-2c.jpg
Abb. 7 Der Befund des MAP zum Foto der vermeinlichen 'Riesen von den Golanhöhen'

Wie in vielen anderen ähnlich gelagerten Fällen - z.B. dem angeblichen Riesenfund in Griechenland aus dem Jahr 2010 (Abb. 6) [4] - reicht also auch hier schon eine gründliche Nachschau im Internet, um das Bild anhand der abrufbaren Original-Aufnahmen als Fake 'abhaken' zu können Nachdem dieser Punkt nun eindeutig geklärt ist, bleibt noch bezüglich Punkt (a) die Frage offen, was von dem Text des Artikels bei worldnewsdailyreport.com zu halten ist. Könnte es nicht sein, dass er den Tatsachen entspricht, und lediglich eine gefälschte Illustration beigefügt wurde, um die Story optisch etwas 'aufzupeppen'? Damit werden wir uns im abschließenden Teil dieses Beitrags befassen, der in Kürze hier zu finden sein wird.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe dazu: Hoax-Slayer, unter Giant Skeleton Hoax (abgerufen: 16. Okt. 2014)
  2. Siehe dazu z.B.: Pauhatsu.blogspot.com, unter: PAUHinfo: The Land Of The Giants (abgerufen: 16. Okt. 2014)
  3. Quelle: o.A., "Biblical Giants Unearthed in Golan Heights?", 18. Februar 2014, bei worldnewsdailyreport.com (abgerufen: 16. Okt. 2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  4. Siehe dazu: A. Roy King, "Have Archaeologists Found Skeletons of Biblical Giants in Greece?", 10. Mai 2010, bei Perspectives on an Ancient World (abgerufen: 16. Oktober 2014)

Bild-Quellen:

1) Worth1000, unter: Giants by IronKite
2) worldnewsdailyreport.com, unter: Biblical Giants Unearthed in Golan Heights? (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) Worth1000, unter: Giant Ancestors by blackbook
4) Rab-Ul-Khalee, unter: Empty Quarter
5) worldnewsdailyreport.com, unter: Biblical Giants Unearthed in Golan Heights?
6) A. Roy King, "Have Archaeologists Found Skeletons of Biblical Giants in Greece?", bei Perspectives on an Ancient World
7) Archiv Mars Analyse Projekt