Heliozentrismus

Definition

Abb. 1 Der griechische Sonnengott Helios. Die Anbetung von Gottheiten wie ihm führten die Heliozentriker' auf einen gemeinsamen Ursprung im alten Ägypten zurück.

(red) Nicht zu verwechseln mit dem Ausdruck Heliozentrismus im Sinne des 'heliozentrischen' oder 'kopernikanischen Weltbildes', bezieht der Begriff sich als ethnologie-historischer Terminus auf den so genannten heliozentrischen Diffusionismus, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in der britischen Ethnologie für eine gewisse Zeit eine wesentliche Rolle spielte, im modernen Diffusionismus der Gegenwart allerdings keine Relevanz mehr besitzt.

Die zentrale theoretische Annahme dieser 'extremen', bisweilen auch als 'Hyperdiffusionismus' bezeichneten Schule (British School) des Diffusionismus, zu deren exponiertesten Vertretern Grafton Elliot Smith (1871-1937) und William James Perry (1887–1949) gehörten, bestand darin, dass sämtliche (entwickelten) Kulturen der Menschheit Ableger einer einzigen 'Urkultur' seien. Dabei setzen sie voraus, dass es sich bei dieser 'Wiege der menschlichen Kultur' um das alte Ägypten gehandelt habe. [1] Die Bezeichnung 'Heliozentrismus' zur Charakterisierung dieses Modells ist abgeleitet von der religionshistorischen Argumentation der British School, deren Angehörige davon ausgingen, "daß die Ägypter eine Reihe von Zivilisationen befruchtet haben, die alle die Sonne als Hauptgottheit verehren." [2]

Abb. 2 Atlantozentrische kulturelle Diffusion (von Atlantis ausstrahlend) nach Ignatius Donnelly

Dem Heliozentrismus in der Ethnologie des frühen 20. Jahunderts vergleichbar ist ein in etwa zur selben Zeit von den beiden deutschen Altorientalisten Hugo Winckler (1863-1913) und Alfred Jeremias (1864-1935) vertretenes, unter der Bezeichnung Panbabylonismus bekannt gewordenes Modell mit der Annahme, dass die Sumerer in Mesopotamiien die Initialkultur der Menschheit gewesen seien. Ihre "astrale Weltanschauung" habe alle späteren Religionen der Welt geprägt. [3]

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte der US-amerikanische Politiker und Privatgelehrte Ignatius L. Donnelly (1831-1901) die von ihm vermutete prädiluviale Zivilisation von Atlantis als Urkultur der Menschheit und Ausgangspunkt interkontinentaler, vorwiegend panatlantischer (sowohl nach Europa und Afrika als auch nach Nord-, Mittel- und Südamerika ausstrahlender) kultureller Diffusionsprozesse dargestellt. [4] (Abb. 2)


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe z.B.: Marvin Harris, "The Rise of Anthropological Theory: A History of Theories of Culture", New York (Thomas Y. Crowell Company), 1968, S. 389-381 (Neuauflage: Rowman Altamira, 2001); und: Robert Lowie, "The History of Ethnological Theory", New York (Farrar and Rinehart), 1937, S. 160-161; sowie zusammefassend online: Michael Goldstein, Gail King und Meghan Wright, Diffusionism and Acculturation, The University of Alabama, Department of Anthropology (abgerufen: 07.02.2014)
  2. Quelle: Antje Majewski, Im Mumienland, Fußnote 8, bei: AntjeMajewski.de (abgerufen: 07.02.2014)
  3. Quelle: Karl-Heinz Kohl, "Ethnologie - die Wissenschaft vom kulturell Fremden: Eine Einführung", 3. Das Problem der Einheit der Kultur; 3.1, Der Diffusionismus oder die Suche nach der Urkultur (Links abgerufen: 07.02.2014)
  4. Siehe: Ignatius Donnelly, "Atlantis, the Antediluvian World", New York (Harper & Brothers), 1882

Bild-Quelle:

1) Artists bei Wikimedia Commons, unter: File:Helios the Sun God.JPG
2) Ignatius Donnelly, "Atlantis, the Antediluvian World", New York (Harper & Brothers), 1882