Malta und Tsunamis

Auf Malta nach Atlantis reisen, Kap. 10

von Dr. Christiane Dittmann

“Monsterwellen sind kein Märchen“ schreibt die SZ am 28. 05. 08. Seriöse Wissenschaftler fürchten aber Mythen und Religion wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb darf ein Geograph erst seit dem 21. 05. 03 sagen, dass es im Mittelmeer tektonische Tsunamis gibt, ohne sich lächerlich zu machen. Damals forderte ein Erdbeben bei Algier 30 000 Menschenleben und die nur 1,5 Meter hohe Mini-Flutwelle zerlegte etliche Yachten auf Mallorca. Vorher galt die offizielle Lehre, dass das Mittelmeer für eine solche Katastrophe zu klein sei.

Man hätte nur in historischen Schriften nachlesen müssen. Am 09. 11. 1692 zerstörte ein schweres tektonische Beben die alten Hauptstädte von Malta und Gozo. Gleichzeitig wurde eine Serie gewaltiger Ätna-Ausbrüche ausgelöst, der dann mit seinen Aschewolken tagelang den Himmel verdunkelte. Durch Felsstürze in den untermeerischen Grabenbruch entstand ein Tsunami, der auf Südgozo bei Xlendi über einen Kilometer ins Land schwappte und das Dorf auslöschte.

Bei Mythen ist die Aussage schwieriger, denn es geht nicht um Information, sondern um religiöse Erziehung durch Angst vor göttlicher Strafe. Der verhinderte Weihbischof von Linz, Pfarrer Wagner, argumentiert in dieser Jahrtausende alten Tradition, wenn er den Tsunami vom 26. 12. 04 in Ostasien als Strafe für die vergnügungssüchtigen Touristen bezeichnet und auch den Hurrican Katrina als Warnung vor Sittenlosigkeit, speziell in New Orleans, ansieht. Der Papst beklagt den Relativismus der Neuzeit, so dass selbst bei Gläubigen diese wohlmeinenden Mahnungen schlecht ankommen. Flutmythen gibt es in jeder Religion, denken wir nur an die Sintflut aus dem Alten Testament.

Weniger bekannt ist der griechische Mythos von der Deukalionischen Flut. Zeus sieht das genauso wie Pfarrer Wagner: Das sündige Menschengeschlecht, sexuell ausschweifend und von Gott abgewandt, muss vernichtet werden. Das ist jetzt gar nicht lächerlich, denn ein Flutmythos wirkt nur glaubwürdig, wenn er sich auf eine reale Katastrophe bezieht. In der ägyptischen Manetho-Chronik findet man einen Hinweis, dass sich die Deukalionische Flut in der Regierungszeit von Pharao Thutmoses III. ereignet hat, also um 1450 v. Chr. Diese Datierung entspricht exakt den Forschungen über die Vulkaninsel Santorin. Nach etlichen Eruptionen kollabierte der Berg in die entleerte Magmakammer. Die Flutwelle zerstörte Griechenlands Küsten, vernichtete die Flotte, die Häfen und Siedlungen der Minoer auf Kreta, deren Kultur sich von diesem Schlag nicht mehr erholte. Nun konnten die mykenischen Griechen ihren Rivalen unterwerfen.

1000 Jahre früher war das maltesische Megalithvolk plötzlich weg. Zu dieser Zeit gab es im Mittelmeerraum noch keine Schriftgelehrten und Archive, um ungewöhnliche Ereignisse aufzuzeichnen. In Ägypten etablierte sich gerade das Alte Reich. Pharao Djoser errichtete die ersten Steinbauten.

Alle seriösen Wissenschaftler, die über Maltas Steinzeit forschen, sind überzeugt, dass es keinen Hinweis auf eine Naturkatastrophe gibt. Die Menschen sollen die Inseln verlassen haben, weil die Böden ausgelaugt oder versalzt waren, eine Überbevölkerung zu Nahrungsmangel führte oder weil sie aus religiöser Hysterie die Landwirtschaft vernachlässigten. Diese Argumente sind nicht schlüssig, denn die Funde widersprechen einer geordneten Abwanderung und normalerweise ziehen nur einzelne Gruppen weg, nicht alle gleichzeitig. Man schätzt, dass etwa 10 000 Menschen auf den Inseln lebten. Hunderte von Booten wären für eine plötzliche Evakuierung nötig, nicht durchführbar ohne langfristige Planung.

Es muss also etwas passiert sein, denn 500 Jahre lang bleibt das Gebiet unbewohnt. Warum? Ökologische Gründe scheiden aus, denn in phönizischer Zeit schwärmt man vom Reichtum der Bewohner (vgl. Kap. 12: Antike). Hatten die Menschen Angst zurück zu kommen?. Das ist schon möglich, denn auch die Ereignisse vom 09. 11. 1692 erinnern an das Jüngste Gericht. Es kann aber viel schlimmer gewesen sein, denn der untere Teil des Maghlaq Faults gibt Hinweise auf die unvorstellbare Gewalt eines Erdbebens. Wenn riesige Gesteinspakete ins Meer krachen und sich am untermeerischen Steilhang ein Bergsturz ereignet, dann löst das einen Tsunami aus, mindestens vergleichbar mit dem in Ostasien. Man sollte weitere Spuren finden, um diesen Sachverhalt zu beweisen. Da sieht es schlecht aus, weil alle flachen Küstenbereiche dicht bebaut sind. Wenn ein Tsunami vor 4500 Jahren das Land überschwemmte, sind alle Hinweise darauf verschwunden.

Aber in den Tarxien-Tempeln gibt es etwas Merkwürdiges. Die Relikte der Megalithkultur liegen unter einer 75 Zentimeter dicken Schicht aus grauem Feinmaterial, das Archäologen als „silt“, Schlamm bezeichnen. Erst darüber kommen dann die Funde aus der Bronzezeit. Laut offizieller Lehrmeinung hat der Wind das Material in den 500 Jahren, in denen die Inseln unbewohnt waren, hineingeweht, denn außerhalb der Tempel fehlt diese Schicht. Deflation auf einer bewaldeten Insel? Einem Geographen kann man das nicht erzählen. Wenn sich nach einer Flutwelle das Wasser zurückzieht, ist alles dick mit grauem Schlamm bedeckt. Innerhalb der Ruinen kann er liegen geblieben sein, während ihn außerhalb die Erosion im Laufe der Jahre wegspülte.

Leider kann man von diesem Material keine Analyse machen, denn es wurde weggeworfen. Bei früheren Ausgrabungen standen nur Fundstücke im Vordergrund. Es gibt noch einen anderen Hinweis auf eine Flutwelle. Alle Tempel, die tiefer gelegen sind, weisen starke Zerstörungen auf. Orthostaten (umgangssprachlich: Hinkelsteine), sind zerbrochen, es gibt keine aufeinander geschichteten Mauerquader. Ganz anders sehen die Tempel auf den Hochflächen aus. In Hagar Qim und Mnajdra erkennt man sogar den Ansatz des Deckengewölbes. Auch Ggantija auf Gozo ist gut erhalten. Klare Beweise sind das nicht, die Beobachtungen sollten aber zu denken geben.

Auf der Basis von Ereignissen, die tatsächlich im Mittelmeerraum passiert sind, würde Hollywood den Untergang so verfilmen: Dunkles Grollen aus der Tiefe erschreckt die Menschen, mit lautem Krachen bersten Felsen. Der Boden schwankt, Risse bilden sich. Eine Aschewolke aus dem Ätna verfinstert den Himmel. Lavastaub rieselt herunter, Schwefelgase brennen in den Augen und nehmen den Atem. Vögel fallen tot vom Himmel. Im Meer leuchten Lichtblitze, der Feuerschein untermeerischer Vulkane, Dampfwolken steigen auf.

Aus Spalten im Meeresboden quillt heißes Giftgas, Strudel entstehen an der Wasseroberfläche und tote Fische stapeln sich am Strand. Dann bricht ein Stück von der Insel ab und die Flutwelle zerschlägt Tempel und Siedlungen an der Küste. Weil die vielen Toten nicht bestattet werden, brechen Seuchen aus. Doch diesen Weltuntergang haben Menschen auf der Hochfläche überlebt, die von dem verfluchten Platz auf Schilfbooten flüchteten. Niemand wollte wieder zurück. In der Fremde erzählten sie ihre schrecklichen Erlebnisse, eine Bestätigung für den Glauben an das göttliche Strafgericht. So entsteht ein Mythos, der durch mündliche Überlieferung und Übersetzung in verschiedene Sprachen im Laufe der Zeit ausgeschmückt und verändert wird.


Fortsetzung: Atlantis (Kap. 11)