Megalithisches Recycling in Gavrinis

von William R. Corliss (1985)

Abb. 1 Skizze einer verzierten Stele, die aus mehreren Fragmenten aus Megalith-Gräbern in der Bretagne rekonstruiert wurde.

Bei Restaurierungsarbeiten an einem Schluss-Stein am Grab von Gavrinis, das sich auf einer Insel direkt vor der Küste der Bretagne, entdeckte C.-T. Le Roux Gravuren, die lange Zeit verborgen gewesen waren. Die Gravuren und der Felsblock selber passen perfekt zum Schluss-Stein des 'Table des Marchands', eines anderen berühmten Megalith-Monuments in etwa vier Kilometern Entfernung.

Beflügelt durch diese Entdeckung wurde ein dritter Schluss-Stein in einem anderen nahegelegenen Monument gefunden, der wie ein Puzzle-Stein dazu passte. Zusammengesetzt ergeben sie eine gewaltige Stele von 14 Metern Höhe, 3,7 Metern Breite und 0,8 Metern Stärke. Die gesamte Stele würde etwa 100 Tonnen wiegen. Auf einer Seite ist sie mit Tierbildern (Boviden) und anderen Motiven verziert. Offenbar stand diese Stele einst neben einem noch größeren Exemplar, genannt 'Grand Menhir Brise' oder auch 'Er-Grah'. Der 'Grand Menhir Brise' ist ebenfalls in Stücke zerbrochen.

Augenscheinlich ging der Periode des megalithischen Grabbaus, die vermutlich um 5200 Jahren begann, eine Periode voraus, in welcher gigantische, verzierte Stelen errichtet wurden. Diese Stelen wurden später niedergerissen und in Stücke gebrochen, um sie für die Konstruktion von Grabstätten zu verwenden. Über die Zivilisation, welche diese Stelen errichtete, ist kaum etwas bekannt, und man fragt sich, warum solch beeindruckende Monumente abgerissen und ihre Gravierungen versteckt wurden [1]. Nebenbei wiegt der auf Gavrinis gefundene Stelen-Klotz etwa 20 Tonnen und wurde vier Kilometer weit und über mehrere Wasserläufe hinweg transportiert. [2]


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von William R. Corliss (© 1985-2000) erschien zuerst unter dem Titel: "MEGALITHIC RECYCLING" bei Science Frontiers Nr. 40, Juli / Aug. 1985. Übersetzung ins Deutsche nach: http://www.science-frontiers.com/sf040/sf040p02.htm durch Atlantisforschung.de

Fußnoten:

  1. Redaktionelle Anmerkung: Sofern wir tatsächlich voraussetzen, dass die Stelen von Menschen zerstört wurden (welche Indizien oder Belege gibt es überhaupt für diese Hypothese?), so erscheint die Fragestellung etwas naiv. Eine Gegenfrage drängt sich auf: Warum haben Juden bei der "Landnahme" die Tempel aller anderen Religionen geschleift? Warum haben Christen die Swantewit-Säule und alle anderen "heidnischen" Heiligtümer in Europa zerstört, oder warum haben Muslime die Buddha-Statuen in Afghanistan gesprengt? Religiöser Fanatismus und Intoleranz sind Phänomene, die es vermutlich zu allen Zeiten - und in den meisten Kulturen - gegeben hat. Warum sollten die megalithischen Dolmen-Bauer der Bretagne davor gefeit gewesen sein? Einen zweiten möglichen Lösungsansatz lässt C.-T. Le Roux jedoch außer Acht: Die Stelen - und die küstennahe Kultur ihrer Erbauer - können durchaus auch den Naturgewalten zum Opfer gefallen sein, z. B. dem, von einer Reihe von Katastrophisten vermuteten 'megalitischen Kataklysmus' vor ca. 5500 Jahren. Doch auch ein "simples", regional begrenztes, Erdbeben könnte dazu ausgereicht haben. Nach einer gewissen Zeit wurde die heutige Bretagne dann wieder von Menschen einer anderen, neu aufblühenden und expandierenden Kultur besiedelt, deren Angehörige nun mit der größten Selbstverständlichkeit etwas taten, was ebenfalls typisch für die menschliche Natur zu sein scheint: Sie verwendeten brauchbares Material aus den alten Ruinen für ihre eigenen Konstruktionen!
  2. Quelle: Paul G. Bahn, "Megalithic Recycling in Brittany," Nature, 314:671, 1985.

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