Señor Kon-Tiki - Teil 5

Stigmatisiert

von Andreas Delor

Abb. 1 Die "Scheuklappen des Spezialistentums" waren dem Autodidakten und Generalisten Thor Heyerdahl wesensfremd - und u.a. dies machte ihn zu einem krassen Außenseiter im 'Real existierenden Wissenschaftsbetrieb', und zu einem 'Roten Tuch' für all jene Fachidioten und 'Paradigmen-Reiter', die es sich dort recht gemütlich gemacht haben und den Erkenntnisprozess nach wie vor ausbremsen.

Am Wenigsten hat man Thor Heyerdahl verziehen, dass er nie ein Examen in Archäologie oder Ethnologie abgelegt hat – vielleicht wären ihm dann seine Flausen ja schon im Studium ausgetrieben worden. Für solche „Autodidakten“ gilt grundsätzlich, was bereits der mittlerweile ebenso geschmähte (siehe: Señor Kon-Tiki - Teil 4) C.W. Ceram in seinen „Göttern, Gräbern und Gelehrten“ (Hamburg 1949) bemerkt:

Der Mann der gesicherten Lebensbahn verachtet den Schweifenden der unsicheren Zonen, der >sein Sach` auf nichts gestellt< hat. Diese Verachtung ist ungerecht. Betrachten wir die Entwicklung wissenschaftlicher Forschung so weit zurück, wie immer wir wollen, so ist nicht schwer festzustellen, dass eine außerordentliche Zahl großer Entdeckungen von den >Dilettanten< gemacht wurde, den >0utsidern< oder gar >Autodidakten<, die, getragen von der Besessenheit einer Idee, die Hemmschuhe nicht spürten, die Scheuklappen des Spezialistentums nicht kannten und die Hürden übersprangen, die akademische Tradition errichtet hatte. [...] Die Reihe ist endlos. Entfernte man diese Männer und ihr Wirken aus der Geschichte der Wissenschaften, so bräche der Bau zusammen. Dennoch hatten sie zu ihrer Zeit Hohn und Spott zu tragen.

So einer also ist Thor Heyerdahl. So einer, das sollte man nicht vergessen, war z.B. auch Alfred Wegener mit seiner berühmten Kontinentalverschiebungstheorie. Es mag erlaubt sein, an der Zurechnungsfähigkeit nicht „der Wissenschaft“ als solcher, aber eines Wissenschafts-Betriebes, welcher die Kontinentalverschiebung trotz aus heutiger Sicht unwiderlegbarer Beweise fünf Jahrzehnte lang verlacht hat, ein wenig zu zweifeln. Nichts anderes hat auch Heyerdahl getan, als an sakrosankten Lehrmeinungen zur Besiedlung Polynesiens – ist denn Wissenschaft ein Glauben in der Kirche?! – zu rütteln und stattdessen die ihm brennenden Fragen auch ohne Examina mit beispielloser Gründlichkeit selber zu untersuchen – genau deswegen aber ist er bis heute stigmatisiert. Je populärer er in der Öffentlichkeit war, umso mehr wurde er wissenschaftlich totgeschwiegen.


  • Fortsetzung: Tabubruch (Señor Kon-Tiki - Teil 6)


Anmerkungen und Quellen

Bild-Quelle: