Theorie von der Bering-Landbrücke umstritten

Ein Forscher der University of Texas in Austin sagt, dass sie ersten Amerikaner schon früher als bisher gedacht ankamen

von Melissa Ludwig (2007)

Abb. 1 Beringia, die pleistozäne Landbrücke zwischen Asien und Amerika, vor 20000 Jahren. Der Archäologe Michael Collins vom Texas Archaeological Research bezweifelt das vorherrschende Paradigma zur Besiedlung Amerikas auf diesem Weg.

Schulkinder können die Geschichte der ersten Amerikaner auswendig hersagen: Vor etwa 12 000 Jahren übersiedelten prähistorische Menschen aus Sibirien, zogen über die Bering-Landbrücke und durch einen eisfreien Korridor [1] ins Innere Nordamerikas hinunter, wo sie eiszeitliche Elefanten jagten und die Neue Welt bevölkerten... Doch sich anhäufende Evidenzen verwandeln diese Geschichte langsam in eine Fiktion, sagte Michael Collins, ein Archäologe vom Texas Archaeological Research Laboratory an der University of Texas in Austin.

Mehr als 20 Jahre lang haben Collins und andere Wissenschaftler von Chile bis nach Texas Artefakte ausgegraben, die sie davon überzeugten, dass die ersten Amerikaner keineswegs hierher gelaufen sind, sondern dass sie per Boot erschienen, und bereits viel früher ankamen, als man bisher angenommen hat. "Das ist heiß diskutiert worden", sagte Collins. "Die [Beringstraßen-] Theorie ist seit etwa siebzig Jahren im Schwange. Doch ein paar von uns kamen während der letzen 25 Jahre ernsthafte Zweifel an jener Theorie." [...] Jahrzehntelang hat man die Clovis-Leute für die ersten Amerikaner gehalten, die nach einer Fundstätte namens Clovis, New Mexico, benannt wurden, wo in den 1930er Jahren 11 000 Jahre alte gekehlte Projektil-Spitzen gefunden wurden. Seither haben, wie Collins bemerkte, andere Stätten in Pennsylvania, Chile und Virginia noch ältere Funde erbracht.

Collins überzeugte sich erstmals 1967, nach der Entdeckung verbrannter Säugetier-Knochen mit Schlachtungs-Spuren [orig.: "butcher marks"; d.Ü.] auf einer Fundstätte namens Cueva Quebrada im Val Verde County von der Existenz von Vorgängern des Clovis-Menschen. Carbon-Datierungen von Holzkohle ordneten die Knochen bei einem Alter von 14 000 Jahren ein. "Bis zum heutigen Tage haben die meisten anderen Wissenschaftler diese Funde ignoriert", sagte Collins.

In den 1970er Jahren arbeitete er an einer Fundstätte im südlichen Chile, mit Namen Monte Verde, die Artefakte enthielt, die mindestens 1000 Jahre älter als jene von der Clovis-Stätte waren. Zunächst attackierten viele Wissenschaftler die Validität der Evidenzen und klebten an der Theorie, dass die Clovis-Leute zuerst ankamen, sagte Collins. Mit der Zeit, begannen sie die Fundstätte zu akzeptieren und der Scheitelpunkt der Meinungsbildung war erreicht, erklärte er. "Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens damit verbracht, mehr als sonst jemand Prügel für dieses Projekt einzustecken", sagte Collins. "Letztlich hat es, wenn auch nur widerwillig, die Unterstützung einer signifikanten Mehrheit von Archäologen erworben." Doch wenn die Clovis-Leute nicht zuerst ankamen, wer dann waren die ersten Amerikaner? "Das ist wirklich ein Fall, in dem man 'am Ball bleiben' muss", sagte Collins.

Theorien sind angeboten worden, aber keine von ihnen fand, wie er sagte, allgemeine Akzeptanz. Collins selbst glaubt, Amerika sei wahrscheinlich an zwei Fronten besiedelt worden. Vermutlich gelangten küstennahe Gemeinschaften sowohl aus Asien als auch aus Europa auf Booten in die Neue Welt, wobei sie sich nahe an den Schelfen hielten, um Fische zu fangen und Meeres-Säugetiere zu jagen. Auch wenn noch keine alten Boote gefunden wurden, weist Collins zum Beweis darauf hin, dass vor 50 000 Jahren Asiaten von Australien aus, wie, da der der insulare Kontinent nie mit einer anderen Landmasse Verbindung hatte, anzunehmen ist, in Booten nach Amerika reisten. Collins weist auch auf Evidenzen aus Japan hin, die nahelegen, dass prähistorische Menschen vor 30 000 Jahren Hochsee-Fisch aßen [2] und Obsidian [3] besaßen, der nur auf weit entfernten japanischen Inseln zu finden ist, was ebenfalls auf die Verwendung von Booten hinweist.

Auch wenn diese weitschweifigen Evidenzen Collins interessieren, spielen sich seine Anstrengungen, die 'Clovis zuerst'-Theorie zu demontieren, in heimatlicheren Gefilden ab. In jüngsten Jahren hat er die Arbeiten an der Fundstätte von Gault geleitet, einer großen Clovis-Lagerstätte auf halbem Weg zwischen Georgetown und Fort Hood. Bei Gault legt eine reiche Ausbeute an Evidenzen nahe, dass die Clovis-Leute keine hoch mobilen Jäger waren, wie man zuvor gedacht hat. Es ist wahrscheinlicher, dass sie so etwas wie sesshafte Jäger und Sammler waren, die nur ab und an ein Mammut erlegten, sondern zumeist von Pflanzen und kleinerem Wild, wie Fröschen, Schildkröten und Vögeln, lebten. Gault "ist das Aushängeschild dafür, dass Clovis nicht das theoretische Model hineinpasst", sagte Collins.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Melissa Ludwig (EXPRESS NEWS) wurde ursprünglich in englischer Sprache unter dem Titel "Bering land bridge theory disputed" bei MySA.com - SAN ANTONIO´S HOME PAGE from the EXPRESS NEWS and KENS 5 veröffentlicht, und ist seit dem 12. 01. 2007 online unter http://www.mysanantonio.com/news/metro/stories/MYSA011307.04B.FIRST_AMERICANS.2e6a138.html --- bei Atlantisforschung.de erscheint er - ins Deutsche übersetzt - in einer redaktionell bearbeiteten Fassung.

  1. Red. Anmerkung: Dieser "eisfreie Korridor" hat zwar tatsächlich existiert, allerdings öffnete er sich, wie Paläo-Klimatologen festgestellt haben, offenbar erst vor knapp 8000 Jahren - also VIEL ZU SPÄT, um als Migrationsweg für die Besiedlung Paläo-Amerikas durch den Menschen infrage zu kommen! (Siehe dazu: Beringstraßen-Theorie und indianische Überlieferungen (I) von Itztli Ehecatl)
  2. Red. Anmerkung: Siehe dazu auch: Die Clovis-Solutréen-Connection von Peter Marsh
  3. Red. Anmerkung: Obsidian könnte man als 'High End'- oder 'Luxus'-Werkstoff aller so genannten "steinzeitlichen" Kulturen der prähistorischen Welt bezeichnen. Von den frühen Hochkulturen Mittel und Südamerikas (die zumindest in späterer Zeit natürlich auch Metall verwendeten), über die oben erwähnten Prä-Ainu oder Jomon des paläolithischen und neolithischen Südostasien, bis zu den 'jungsteinzeitlichen' Megalithikern des atlantischen, euro-afrikanischen Westens (die ebenfalls schon Metalle wie Kupfer und Gold verwendeten). In allen urtümlichen Gesellschaften mit hochentwickelten Stein-Technologien schätzte man gerade dieses vulkanische, kristalline Material wegen seiner ungeheuren Härte ganz besonders. Daher dürfte Obsidian neben Ocker (der im gesamten vorzeitlichen, panatlantischen Großraum als rituelle Substanz, speziell beim Totenkult vieler Neolithiker, eine wichtige Rolle spielte), Gold, Kupfer, Bernstein, Rauschmitteln (vergl: Das Koks der Pharaonen - oder: was Forensik mit Atlantisforschung zu tun hat) und edlen Pelzen eines der gefragtesten Handelsgüter gewesen sein. Obsidian-Messer und -Werkzeuge hielten bei sachgemäßer Benutzung im Vergleich mit 'Wegwerf-Ware, etwa aus Flintstein, nicht nur 'ewig', sondern sie ermöglichten ihren Besitzern beim Umgang mit Materialien, wie Kolz, Knochen, Horn, Elfenbein, Tierfellen und Webgut, handwerkliche Spitzenleistungen. Obsidian-Dolche fanden nicht nur bevorzugte Verwendung als Kult-Gerät für religiöse Zeremonien (z. B. bei Blutopfern), sondern sie dürften, neben hölzernen, mit Obsidian-Splittern besetzten, Hack-Schwertern und Streitkolben sowie leichten Beilen mit Obsidian-Blättern zu den mörderischsten Nahkampf-Waffen ihrer Zeit gehört haben.


Bild-Quelle

(1) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, Beringia