Versunkener Kontinent unter Island?

Abb. 1 Ist Island Teil eines versunkenen Mikrokontinents, dessen Ausläufer einst von Grönland bis an den Westrand Europas reichten?

(rmh) Am 22. Juli 2021 meldet Scinexx obige Schlagzeile – untertitelt mit: "'Icelandia'" könnte der Rest einer urzeitlichen Kontinentalplatte sein.

Der Autorin des Artikels, die Wissenschaftsjournalistin, Biologin und Chefredakteurin von Scinexx, Nadja Podbregar, beginnt mit dem Statement:

"Verlorenes Land: Unter Island könnte ein versunkener Kontinent liegen –'Icelandia'. Dieser unter dem Atlantik verborgene Mikrokontinent reicht von Grönland bis zu den Färöer Inseln und wurde bei der Aufweitung des Atlantiks erst gedehnt, dann von Magma überdeckt, wie Geologen postulieren. Indizien dafür sehen sie in der geringen Meerestiefe, der ungewöhnlich dicken Erdkruste, sowie in chemischen Auffälligkeiten der Lavagesteine in diesem Gebiet."

Der nächste Absatz zeigt, dass das Aussehen der Erde einem ständigen Wandel unterzogen ist:

"Die Plattentektonik sorgt dafür, dass sich das Gesicht der Erde ständig verändert. Neue Meere reißen auf, Kontinente kollidieren oder zerbrechen und Krustenteile werden an Plattengrenzen verschluckt. Im Verlauf der Kontinentaldrift wurden auch einige alte Landmassen vom Ozean überflutet und liegen heute am Meeresgrund verborgen – als tektonisches Atlantis. Ein solcher versunkener Mikrokontinent ist unter anderem 'Greater Adria' in Südeuropa oder 'Zealandia', von dem heute nur noch Neuseeland über den Meeresspiegel hinausragt."

Es verwundert, dass Podbregar tatsächlich das verbotene A-Wort in diesem Artikel verwendet, während der oben verlinke Artikel der Welt über die "Greater Adria" das A-Wort typischer Weise in abwertender und verneinender Weise verwendet und den Artikel mit den Worten "Nein, es ist nicht Atlantis" einleitet.

Wir wissen, dass die Mainstream-Geologie die Subduktion von (kleineren) Landmassen durchaus zulässt, ja sie sogar ausdrücklich als mögliche (einzige) Möglichkeit des "Verschluckens" von Kontinentalmasse akzeptiert, aber was ist mit dem Versinken von Mikrokontinenten wie dem oben erwähnten? Derartige Ideen wurden bisher meist abgelehnt.

Dabei handelt es sich beim fraglichen Gebiet um eine Landmasse, die fast dreimal so groß ist wie Großbritannien. Das ist interessant, denn Atlantis wird im Allgemeinen eher kleiner eingeschätzt, es darf aber nicht versunken sein. In Otto Mucks Szenario ist ist beispielsweise Atlantis eher kleiner als die angenommene Landmasse, die Icelandia eingenommen haben soll.

Abb. 2 Darstellung kontinentaler und ozeanischer Kruste an einem passiven Kontinentalrand

Doch gerade eine solche Landmasse will eine Gruppe von Wissenschaftlern um Gillian Foulger von der Durham University jetzt gefunden haben. Ihrer Theorie zufolge liegen unter Island und Teilen des Nordatlantik die Reste eines alten Mikrokontinents verborgen, dem sie – wie oben erwähnt – bereits einen Namen gegeben haben: Icelandia. Ihre Kontinentalplatte könnte sich von Grönland bis nach Nordamerika erstreckt haben, schreiben die Wissenschaftler.

Interessant ist hierbei die (teilweise) Verortung im Nordatlantik, wo auch Atlantis gelegen haben soll.

"Der Kern von Icelandia ist ein 450.000 Quadratkilometer großes Gebiet mit flacher Bathymetrie, das von der Ostküste Grönlands über Island bis zum kontinentalen Färöer-Plateau reicht“, lassen die Forscher weiter verlauten. Dazu käme der sogenannten Jan-Mayen-Komplex, "ein 150.000 Quadratkilometer großer Krustenbereich, der ebenfalls stark kontinental geprägt ist und vom Nordosten Islands nach Norden reicht." Zusammen ergäbe sich ein 600.000 Quadratkilometer großer Bereich, der einst ein über den Meeresspiegel reichender Kontinent war.

Dabei gilt Island als eine "ozeanische Insel" und beispielsweise der mittelozeanische Rücken und die Azoren sollen kein kontinentales Material enthalten. Inseln mit Kontinentalmassen können aber gar nicht (so einfach) untergehen, wie die Geologie (vermutlich richtiger Weise) lehrt. Dazu kommt, dass die San Mayen Insel bisher als eine "Vulkaninsel", eben eine nur aus ozeanischer Erdkruste bestehende Insel, angesehen wurde. Auch unter Mauritius, wurden in neuerer Zeit Hinweise auf einen ehemaligen Mikrokontinent gefunden. Auch Mauritius wurde bisher als reine Vulkaninsel angesehen. Auch die Azoren gelten als durch Vulkanismus gebildete, also ozeanische, Inseln. Nur Muck war sich sicher, dass sie aus Kontinentalgestein bestand und tatsächlich gibt es Hinweise darauf – die heute freilich mehr oder weniger "versteckt gehalten" werden -, dass es im Atlantik eine dünne Kruste aus Kontinentalmaterial gibt.[1]

Die Kruste unter "Icelandia" war wohl tatsächlich eine kontinentale, denn im Scinexx-Artikel steht:

"Indizien für diesen versunkenen Kontinent sieht das Geologenteam unter anderem in der geringen Meerestiefe dieses Gebiets: Während der Nordatlantik in den meisten Bereichen mehr als 2.000 Meter tief ist, liegt der Meeresgrund im Gebiet von Icelandia nur in 500 bis 600 Meter Tiefe. Hinzu kommt, dass die Erdkruste unter Island und seiner Umgebung ungewöhnlich dick ist: Die Kruste unter Island ist mehr als 40 Kilometer dick – fast siebenmal dicker als für ozeanische Kruste typisch", erklärt Foulger. Das Team hat auch ein plattentektonisches Modell auf Lager: "Als Grönland und Europa sich trennten, wurde diese Drift vom Seafloor-Spreading an den Aegir- und Reykjanes-Rücken angetrieben", meinen die Wissenschaftler und fügen hinzu, dass im Norden von Island der mittelozeanische Aegir-Rücken im Süden der Reykjanes-Inseln neuen Ozeanboden produzierte.

Tatsächlich ist auch die Zusammensetzung der Kruste rätselhaft, denn magnetische Leitfähigkeitsmessungen ergaben, dass es in 15 – 25 Kilometern Tiefe unter Island eine besonders leitfähige Schicht gibt:

"Solche hochleitfähigen Schichten sind unter Kontinenten gängig und könnte auf das Vorhandensein kontinentaler Kruste hindeuten. Auch einige andere geologische Messdaten geben Rätsel auf, darunter die hohe Dichte der Kruste, eine teilweise ungewöhnliche Lava-Chemie und Sprünge in den Verwerfungen.", heißt es und Foulger wird mit folgenden Worten zitiert:

"Island sorgt schon länger für Rätselraten bei Geologen, weil die etablierten Theorien, nach denen es aus ozeanischer Kruste besteht und auch von dieser umgeben ist, nicht zu den geologischen Daten passen".

Ihrer Ansicht nach liefern viele dieser Daten Indizien dafür, dass die Kruste unter Island und seiner marinen Umgebung zumindest in Teilen kontinentalen Ursprungs ist.

Abb. 3 Lage und Ausdehnung von Icelandia (magenta) und der möglichen Erweiterung „Greater Icelandia“ (heller).

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie dieser – zumindest teilweise aus Kontinentalkruste bestehende – Komplex untergehen konnte. Ihr Modell lautet: "Als Grönland und Europa sich trennten, wurde diese Drift vom Seafloor-Spreading an den Aegir- und Reykjanes-Rücken angetrieben" Und " Im Norden von Island produzierte der mittelozeanische Aegir-Rücken neuen Ozeanboden, im Süden der Reykjanes-Rücken. Beide wuchsen dabei aufeinander zu, konnten sich aber nicht miteinander verbinden – es gab ein Hindernis."

Daraus folgt:

"Zwischen den aufeinander zu laufenden mittelozeanischen Rücken wurde ein Block kontinentaler Kruste eingeklemmt – der isländische Mikrokontinent. Im Laufe der Jahrmillionen wurde dieser Krustenblock auseinandergezogen und ausgedünnt und bildete eine kontinentale Brücke von Grönland bis zum Rand der Färöer-Platte. Gleichzeitig überdeckte der aktive Vulkanismus in diesem Gebiet die kontinentale Kruste mit einer mehrere Kilometer dicken Magmaschicht", und Foulger bekräftigt: "Durch die kontinentale Kruste an ihrer Basis blieb diese Landbrücke bis vor zehn bis 15 Millionen Jahren über dem Meeresspiegel." Erst nach dem Abbrechen der Verbindung an den Färöer-Inseln und dem Aktivwerden von Vulkanismus in diesem Gebiet sanken die kontinentale Kruste mit mehreren Kilometern dicken Magmaschicht ab.

"Durch die kontinentale Kruste an ihrer Basis blieb diese Landbrücke bis vor zehn bis 15 Millionen Jahren über dem Meeresspiegel" sagen die Forscher weiter." Erst als die Verbindung an den Färöer-Inseln brach und der Vulkanismus bis auf den rund 400 Kilometer breiten Streifen am mittelatlantischen Rücken nachließ, sanken die Reste des alten Mikrokontinents ab und wurden bis auf Island überflutet. Die Insel macht etwa 35 Prozent der einstigen Landmasse aus", schreibt Podbregar.

Das Team plant zusammen mit anderen Kollegen aus der Welt bereits Studien und Messungen, die die Existenz von Icelandia überprüfen sollen. Podbregar schreibt, Foulger zitierend: "Es gibt noch einiges zu tun, um die Existenz von Icelandia zu beweisen, aber gleichzeitig eröffnet uns dies eine ganz neue Sicht auf die Geologie unserer Erde", sagt Foulger. Denn nach Ansicht des Geologenteams könnte Icelandia nicht der einzige versunkene Kontinent sein, der bisher unerkannt geblieben ist. Ähnliches könnte an vielen anderen Orten vorliegen, so die Forscherin."

Als Erstes lernen wir, dass es immer Möglichkeiten gibt, wie auch eine kontinentale relativ große Kontinentalmasse untergehen kann und als Zweites, dass Erkenntnisse, dass diese oder jene Insel eine aus reiner ozeanischer Kruste bestehende Vulkaninsel ist, nicht in Stein gemeißelt ist. Warum also auch nicht die Azoren? Warum sollten sie nicht tatsächlich die Berggipfel von Atlantis sein? Ein plausibles Szenario, wie ein Kontinentalkruste besitzendes Atlantis versunken sein könnte, liegt ja - wie oben verlinkt - schon lange vor…


Quellen und Anmerkungen

Podberger Nadja: Versunkener Kontinent unter Island?

nach:

In the Footsteps of Warren B. Hamilton: New Ideas in Earth Science, 2021; doi: 10.1130/2021.2553(04)

und

The Geological Society of America


  1. Horn, Roland M: Atlantis: Alter Mythos - Neue Beweise. Grafing 2009, S. 55; n. Mellis, Otto: Die Sedimentation in der Romanche-Tiefe. (Ein Beitrag zur Erklärung des Tiefseesandes im Atlantischen Ozean.) IN: Geologische Rundschau 1958, S. 233


Bildquellen

(1) © NASA
(2) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Erdkruste.png; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c1/Erdkruste.png; USGS, CC0, via Wikimedia Commons
(3) © Foulger et al./ Durham University/ GSA