Spurensuche im Mittelmeerraum: Historische Zoo-Geographie im Einsatz

1. Der mediterrane Raum als erdgeschichtlicher `Zankapfel´

(bb) Eine ganze Reihe schulwissenschaftlich ausgerichteter Atlantologen des 20. Jahrhunderts hat das historische Vorbild für Platons Atlantis im mediterranen Raum gesucht, wobei man sich auf den Zeitraum der kretisch-minoischen Epoche sowie die Periode der >Ersten Völkerwanderung< konzentrierte (siehe dazu: Jungzeitler). Erst in jüngerer Zeit entstanden auch Theorien, die von einem `megalithischen Atlantis´ im westlichen Mittelmeer ausgehen (siehe dazu z.B.: Mittelzeitler; oder: Malta im Focus der Atlantisforschung), das durch einen rezenten Bruch der Landbrücke von Gibraltar bzw. durch die somit ausgelöste Flutwelle aus dem Atlantik zerstört worden sei.

Abb. 1 Die Affen von Gibraltar - wanderten sie vor vielen Jahrtausenden über eine Landbrücke von Afrika nach Iberien ein?

Das Mittelmeer scheint - das ist wohl unumstritten - im Laufe einer Jahrmillionen dauernden Entwicklung wiederholt weitgehend ausgetrocknet zu sein. Prof. Dr. Axel Hausmann, der Aachener Physiker und Atlantologe, stellt zu den Gründen für dieses Phänomen fest: "Auch heute ist das Mittelmeer ein Defizitmeer, dem auf Grund des niederschlagsarmen Klimas weniger Wasser aus den umliegenden Ländern zufließt als durch die Sonneneinstrahlung verdunstet. Dieser Verlust wird durch einen kräftigen Zufluss von Atlantikwasser durch die Straße von Gibraltar ausgeglichen." [1] Genau dieser Ausgleich war offenbar in ferner Vergangenheit wiederholt und über lange Zeiträume hinweg nicht möglich. Dabei gilt zwischen "konformistischen" und "alternativen" Forschern als umstritten, wann die jüngste der daraus resultierenden Trockenlegungen erfolgt ist, bzw. unter welchen Umständen dies geschah.

Während die meisten, schulwissenschaftlich argumentierenden, Forscher derzeit annehmen, diese Periode habe vor mehreren Millionen Jahren stattgefunden, kommt eine kataklysmisch argumentierende Minderheit zu der Schlussfolgerung, das Mittelmeer sei mit dem Absinken der Meeresspiegel während der jüngsten Eiszeit vom Atlantik isoliert worden, um danach zunächst in Folge aktualistischer Prozesse zum großen Teil trocken gelegt zu werden. Mit dem Ende des Glazials sei dann der Meeresspiegel im Atlantik wieder gestiegen, bis die Landbrücke bei Gibraltar dem gewaltigen Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten konnte.

Weshalb kommen alternative Erd- und Menschheits-Geschichtsforscher hier zu völlig anderen Erkenntnissen als etwa 'orthodoxe' Geologen? Vermutlich hat dies nicht zuletzt auch mit unterschiedlichen Forschungsansätzen zu tun. Im Gegensatz zu den meist fachzentristisch [2] ausgerichteten Spezialisten für Erdgeschichte arbeiten sie häufig inter-, bzw. multidisziplinär. Das heißt, es wird ihrerseits nicht nur geologischen, sondern etwa auch archäölogischen, zoologischen, ethologischen, usw. Erkenntnissen Rechnung getragen, die sie konsequent in einen ganzheitlichen Forschungsansatz einbeziehen. Eine Reihe historisch zoo-geographischer Befunde aus dem mediterranen Raum lässt sich beispielsweise mit den Annahmen konventioneller Geologie nur schwer in Einklang bringen. Diese Befunde geben im Gegenteil sehr deutliche Hinweise auf eine rezente Flutung des Mittelmeers.

Abb. 2 Loxodonta africana - Elefanten in Europa? Noch in historischen Zeiten lebten die Dickhäuter auf der iberischen Halbinsel.

Seitens der 'Konformisten' unter den Erdgeschichtsforschern wird vehement die Annahme bestritten, dass in 'vorsintflutlicher Zeit' eine feste Landbrücke zwischen dem süd-iberischen und nordafrikanischen Festland bestanden habe, die den Zufluss von Atlantikwasser ins Mittelmeer unterband. Oppositionelle Stimmen halten dagegen. Hausmann beispielsweise geht davon aus, dass auch im Verlauf der jüngsten Eiszeit ein solcher Damm aus Sand und Geröll entstanden sei: "Er muss auf Grund der geografischen Gegebenheiten [...] an seiner Basis eine Breite von fast dreißig Kilometern besessen haben und mindestens hundertfünfzig Meter hoch gewesen sein. Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, bis das Bollwerk dem Druck des Atlantikwassers auf seiner Westseite nachgeben und sich eine gewaltige Flutwelle vom Atlantik ins Mittelmeer ergießen würde." [3]

Mit dem Sinken der Meeresspiegel waren zuvor nämlich gravierende topographische Veränderungen im gesamten Mittelmeerraum vor sich gegangen: "Als er rund 150 Meter unter das heutige Niveau gefallen war, bildeten sich die ersten Landbrücken aus. Sie lagen zwischen Europa und Afrika bei den Dardanellen und zwischen Italien und Dalmatien, so wie zwischen Sizilien und Süditalien. Große Teile des Meeres in Nordgriechenland fielen trocken und die Halbinsel Attika war durch festes Land mit der Insel Euböa und mit dem Peloponnes verbunden. Auch eine riesige ebene Landschaft östlich von Tunesien und westlich der großen Syrthe war nicht länger vom Meer bedeckt. Im Südosten von Sizilien erstreckte sich das Plateau von Malta als eine weite Ebene bis hin zum maltesischen Archipel und noch weit darüber hinaus. Die Balearen müssen damals ebenfalls durch trockenes Land miteinander in Verbindung gestanden haben." [4] (Siehe dazu auch: ATLANTIS WAR SIZILIEN - Vom Mythos zur Realität)


2. Befunde zur Fauna des prädiluvialen Mittelmeerraums

Über diese Landbrücken konnten Landtiere - und auch der Mensch - auf ihrer Nahrungssuche trockenen Fußes vom europäischen Norden bis nach Westafrika (und natürlich auch umgekehrt) wandern. Welche Argumente kann nun die Historische Zoo-Geographie liefern, mit denen sich diese These untermauern lässt? Der Biologe und Katastrophist François de Sarre liefert dazu in einer EFODON-Dokumentation aus dem Jahr 1999 bemerkenswerte Angaben, von denen hier einige wiedergegeben werden sollen:

Abb. 3 Blanus cinereus, ein typisches Beispiel für atlanto-mediterrane Faunenelemente.

"Als erstes Beispiel sei hier ein Kriechtier erwähnt, und zwar ein echter Wühler, Blanus cinereus (Abb. 3), der nicht in Verdacht kommt, sein Areal belanglos auszudehnen. Dieses zu den Amphisbenidae (auf deutsch: "Doppelschleichen") gehörende Reptil gleicht einem dicken Wurm und bewohnt unterirdische Gänge. Blanus cincereus gibt es auf der iberischen Halbinsel, südlich vom Ebro, und im nördlichen Marokko. Das ist ein typisches Beispiel für ein atlanto-mediterranes Faunenelement. Einziger Passageweg für das träge Tier scheint die einst bestehende Landenge bei Gibraltar gewesen zu sein." [5]

"Interessant ist auch der Fall des Frosches Rana ridibunda (Abb. 4), der in Spanien wie in Marokko die gleiche Subspezies Rana ridibunda perezz aufweist. Das würde heißen, daß beide Populationen vor nicht allzulanger Zeit noch in Kontakt standen." [6]

"Bei den Molchen gibt es das bemerkenswerte Beispiel von Pleurodeles waltlii [7] mit ausgesprochen aquatiler Lebensweise, der aus Galizien, Portugal, Andalusien und Nordmarokko bekannt ist. In Algerien und Tunesien gibt es, getrennt von P. Waltlii (Abb. 6), die vikariante Art, Pleurodeles poireti, vielleicht auch eine simple Subspezies von P. waltlii. Es sieht so aus, als ob eine einst einheimische Population, wahrscheinlich vom Osten der iberischen Halbinsel kommend, über eine breite Landbrücke, wo Süßwasser reichlich vorhanden war, nach Nordafrika ins Rif- und Atlasgebiet eintrat. Die Gebietstrennung zwischen Pleurodeles waltlii und poireti erfolgte nach dem Entstehen eines temporären Meeresarms am Südfuß des Rif-Gebirges, der während einer gewissen Zeit (und vor der Öffnung der Straße von Gibraltar) Salzwasser vom Ozean ins Mittelmeer führte." [8]

"Erwähnenswert ist ein Fisch aus der Familie der Cobitidae (Schmerlen), Acantophthalmus (Abb. 5), der in Marokko vorkommt, obgleich alle anderen Vertreter dieser Guppe in Eurasien zu suchen sind.

Abb. 4 Rana ridibunda - Seine Subspezies 'perezz' kommt ebenfalls in Spanien und Marokko vor.

Der einzige Weg nach Nordafrika scheint wohl über eine dauerhafte, mit einem Binnengewässersystem reich versehene, massive Landverbindung im Bereich von Gibraltar erfolgt zu sein, wie wahrscheinlich auch im Fall der Barbus-Arten (Bärblinge), die von Spanien kommend, sich einst über ganz Nordafrika ausgebreitet haben." [9]

Eidechsen sind als Indikatoren für eine Landbrücke eigentlich wenig geeignet, da sie extrem neugierig sind und sich auch heutzutage häufig als "Blinde Passagiere" auf Boote schmuggeln. Auf diese Weise sind sie in der Lage, ihren Lebensraum auch passiv zu erweitern. "Doch führen kleinere Arten, die auf bestimmte Sandbiotope angewiesen sind, und die als besonders scheu gelten, zu interessanten Fakten. Dies betrifft die heutige Verbreitung von Acanthodactylus erythrurus und Psammodromus algirus, die in Portugal, Spanien und Nordafrika beheimatet sind. Psammodromus algirus wurde auch deswegen so benannt, weil sie zuerst aus Algerien bekannt wurde. Beide Eidechsenarten scheinen eher von Afrika aus, über die Landbrücke von Gibraltar, bis in die iberische Halbinsel vorgestoßen zu sein, wo sie nach und nach, vielleicht durch die Klimaänderungen bedingt [...], ihre Gebiete ausgedehnt haben." [10]

Abb. 5 Acantophthalmus kuhnlii - wieso finden wir ähnliche Schmerlen in Marokko vor, obwohl alle anderen Vertreter dieser Gruppe in Eurasien beheimatet sind?

"Die [...] Blindschleiche (Anguis fragilis) scheint den umgekehrten Weg gewählt zu haben, vielleicht zu einer Zeit, in der die artspezifischen Bedingungen (feuchte Schatten) in Nordafrika für sie günstiger waren. Ihr Gebiet reicht bis Algerien, aber nicht darüber hinaus. In Tunesien fehlt die Blindschleiche vollkommen, was eine einst holomediterrane Verbreitung [11], mit Reliktvorkommen in Marokko und Algerien ausschließt. Eher scheint die Blindschleiche, von Westeuropa kommend, die Landbrücke von Gibraltar im Lauf feuchter Perioden durchquert zu haben." [12]

Auch bei Säugetierarten können wichtige, historisch-zoogeografische Befunde gemacht werden: "Von den Elefanten (Loxodonta africana) (Abb. 2) weiß man, dass sie in historischen Zeiten Spanien und Nordafrika bewohnt haben. Sie sind bekanntlich von den Karthagern gezähmt worden. Es besteht zwar die Möglichkeit, daß sie zu Hannibals Zeiten mit Booten befördert wurden, um die Meerenge zu überqueren. Doch erscheint es plausibel, daß Elefanten in vor-historischen Zeiten Spanien über die noch bestehende Landbrücke erreicht haben, und darüber hinaus Südfrankreich. Sogar auf vielen Mittelmeerinseln gab es damals Elefanten.

Abb. 6 Pleurodeles waltl drang vermutlich vom Osten der iberischen Halbinsel über eine breite Landbrücke nach Nordafrika ins Rif- und Atlasgebiet vor.

Das passt sehr gut zu der Hypthese, daß vor nicht allzu langer Zeit weite Teile, die nun vom Mittelmeer überflutet sind, trocken lagen. Malta und Sizilien hatten Verbindungen mit Afrika. Kleinere Formen des Elefanten wurden dort subfossil [13] entdeckt: Es wird angenommen, daß die Isolierung die Größe der Dickhäuter vermindert hat. Es könnte auch sein, daß die von Afrika herüber wandernden Elefanten bereits Zwergformen darstellten, die heute noch in Waldgebieten des Schwarzen Kontinents leben (Elephas pumilio). Es würde somit heißen, daß sich von Zentralafrika nach Südeuropa (Sizilien, Malta, Kalabrien) ein durchgehendes Waldgebiet erstreckte!" [14]

"... Affen der Familie der Cercopithecidae, wie etwa der Riesenpavian (Dinopithecus), waren ebenfalls in Europa präsent, zusammen mit Hyänen, Löwen, Nashörnern und Elefanten, während der geologischen Periode, die dem oberen Paläolithikum entspricht, wie aus fossilen Funden geschlossen werden kann. Diese Tiere sind in der parietalen Kunst abgebildet. Sogar ein Riesenpavian wurde in der kürzlich entdeckten Grotte Chauvet erkannt. Sie dürften alle von Afrika her [...] gekommen sein. In umgekehrter Richtung, d.h. von Europa aus, wanderte der Braunbär (Ursus arctus) ein. Er gilt nunmehr als ausgestorben. In historischen Zeiten war er als einziger afrikanischer Bär in den Gebirgen von Marokko und Algerien heimisch." [15]


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: Axel Hausmann, Atlantis - die versunkene Wiege der Kulturen, Aachen 2000, Seite 134
  2. Erklärung: fachzentristisch = nur auf eine Wissenschaftsdisziplin, ihre Forschungsmethoden und Erkennnisse fixiert
  3. Quelle: Hausmann (2000), Seite 135
  4. Quelle: ebd., Seite 134
  5. Quelle: François de Sarre, Als das Mittelmeer trocken war, EFODON DOKUMENTATION, 1999, Seite 33
  6. Quelle: ebd., Seite 41
  7. Anmerkung d. Verfassers: Nach meinen Recherchen heißt der Molch nach seinem Entdecker, Herrn Waltl, "Pleurodeles waltl" - ohne "ii" (nur für den Fall, dass hier ein Zoologe mitliest !!!)
  8. Quelle: ebd., Seite 41
  9. Quelle: ebd., Seite 39
  10. Quelle: ebd., Seite 43, 44
  11. Erklärung: "holomediterrane Verbreitung" bedeutet, dass Tiere auf ihren Wanderzügen das Mittelmeer komplett umrundeten. Daher konnten und können solche Wanderer auch ohne Landbrücke bei Gibraltar von Spanien nach Nordwestafrika gelangen.
  12. Quelle: de Sarre, Seite 44
  13. Erklärung: "subfossil" bedeutet, dass es sich um Knochenfunde aus neuerer Zeit, handelt, die nicht versteinert sind.
  14. Quelle: de Sarre, Seite 49
  15. Quelle: ebd., Seite 48


Bildquellen

(1) GIBRALTAR ROCK TOURS, unter: http://www.gibraltar-rock-tours.com/images/apes.htm/apeeating.jpg

(2) University of Michigan Museum of Zoology, unter: http://animaldiversity.ummz.umich.edu/media/jameson-mammal/loxodonta_africana_7.jpg (Bild nicht mehr online)

(3) ITTIOFAUNA.ORG, unter: http://www.ittiofauna.org/webmuseum/rettili/blanus_cinereus02.htm (Bild nicht mehr online)

(4) skovognatur.dk, unter: http://www.sns.dk/dyrogplanter/images/latterfroe2.jpg (Bild nicht mehr online)

(5) Aquarianen Gent, http://www.aquariana.be/acantophthalmus_kuhlii.htm (Bild nicht mehr online)

(6) bikky & yama-dojou: AMPHIBIANS, unter: http://www.rieo.net/amph/saramand/imori/pleuro/iberia.htm