Timaios

Textstellen zum Thema Atlantis in Platons Timaios

Abb. 1 In seinem Dialog Timaios gab Platon nur wenige fragmentarische Details in Sachen 'Atlantis' preis.

(red) Im Dialog Timaios (lat.: Timaeus) beschreibt Platon (Abb. 1) seine Kosmologie und Naturphilosophie. Timaios wird als ca. 70 Jahre alter Philosoph und Staatsmann, der aus Lokroi in Süditalien stammt, beschrieben. Geschichtlich ist eine Person mit Namen Timaios nicht nachweisbar.

Folgende, nach der Stephanus-Paginierung gekennzeichnete, Textstellen beschäftigen sich mit Atlantis:


22c

Davon aber liegt darin der Grund: Viele und mannigfache Verrichtungen der Menschen haben stattgefunden und werden stattfinden, die bedeutendsten durch Feuer und Wasser, andere geringere durch tausend andere Ursachen. Denn das, was auch bei euch erzählt wird, dass einst Phaethon, der Sohn des Helios, der seines Vaters Wagen anschirrte, was auf der Erde war, verbrannte, weil er die Bahn des Vaters nicht einzuhalten vermochte, selbst aber, vom Blitz getroffen, seinen Tod fand.


24e-25d

Abb. 2 Auszug aus einer lateinischen Übersetzung des Dialogs Timaios, 15. Jahrhundert

Von vielen großen Taten, die ihr [Athener] und eure Stadt [Athen] vollbracht habt, liest man hier mit Bewunderung; doch eine ragt unter allen durch ihre Größe und Heldenhaftigkeit hervor. Die Aufzeichnungen berichten nämlich, wie eure Stadt einst einer gewaltigen Macht das Ende bereitet hat, als diese vom Atlantischen Meer aufgebrochen war und in ihrem Übermut gegen ganz Europa und Asien zugleich heranzog. Damals konnte man nämlich das Meer dort noch befahren; denn vor der Mündung, die ihr in eurer Sprache die Säulen des Herakles nennt, lag eine Insel, und diese Insel war größer als Libyen und Kleinasien zusammen. Von ihr gab es für die Reisenden damals einen Zugang zu den anderen Inseln, und von diesen auf das ganze Festland gegenüber rings um jenes Meer, das man wahrhaft so bezeichnen darf. Denn alles, was innerhalb der erwähnten Mündung liegt, erscheint wie eine Hafenbucht mit einer engen Einfahrt; jenes aber kann man wohl wirklich als ein Meer und das darum herum liegende Land in Tat und Wahrheit und in vollem Sinne des Wortes als ein Festland bezeichnen.

Auf dieser Insel Atlantis nun gab es eine große und bewundernswerte Königsherrschaft, die sowohl über die ganze Insel als auch über viele andere Inseln und über Teile des Festlandes ihre Macht ausübte; zudem regierten diese Könige auf der gegen uns [Ägypten] liegenden Seite über Libyen, bis gegen Ägypten hin, und über Europa bis nach Tyrrhenien. Diese ganze Macht also versammelte sich einst zu einem Heereszug und machte den Versuch, sich das ganze Gebiet bei euch und bei uns und alles, was diesseits der Mündung liegt, in einem einzigen Ansturm zu unterjochen. Damals nun, Solon, wurde die Kraft eurer Stadt mit ihrer Tüchtigkeit und Stärke vor allen Augen sichtbar; sie tat sich vor allen anderen durch ihren Mut und durch ihre Kriegskunst hervor, und so stand sie zuerst an der Spitze der Griechen; als dann aber die anderen abfielen und sie notgedrungen auf sich allein gestellt war und dadurch in die äußerste Gefahr geriet, da zeigte sie sich den herannahenden Feinden überlegen und konnte ein Siegeszeichen errichten; jene, die noch nicht unterworfen waren, bewahrte sie vor der Unterwerfung, und uns anderen allen, die wir diesseits der Säulen des Herakles wohnen, schenkte sie großzügig die Freiheit wieder. In der darauffolgenden Zeit aber gab es gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen; es kam ein schlimmer Tag und eine schlimme Nacht, da eure ganze Streitmacht mit einem Male in der Erde versank, und ebenso versank auch die Insel Atlantis ins Meer und verschwand darin. Deswegen kann man noch heute das Meer dort weder befahren noch erforschen, weil in ganz geringer Tiefe der Schlamm im Wege liegt, den die Insel, als sie sich senkte, zurückgelassen hat.

[aus: Platon: Spätdialoge 2. Übers. von Rudolf Rufener, Zürich / München 1974]


Bild-Quellen

1) Wikimedia Commons, unter: File:Delphi Platon statue 1.jpg
2) Wikimedia Commons, unter: File:Plato Timaeus.jpg