Katastrophismus: Unterschied zwischen den Versionen
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([[Das Team|red]]) Der Begriff >'''Katastrophismus'''< (Engl.: >'''Catastrophism'''<) wurde zu Beginn der 1830er Jahre von dem britischen Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whewell William Whewell] '''(Abb. 1)''' eingeführt (der ebenfalls von ihm geprägte Gegenbegriff lautet: '''Uniformitarismus'''). Er bezeichnet eine wissenschaftliche Denkrichtung oder Grundhaltung, welche die überragende Bedeutung katastrophischer Ereignisse für die Geschichte unseres Sonnensystems, der Erde und ihrer Biosphäre, sowie der Entwicklung und Zivilisationsgeschichte der Menschheit hervorhebt. | ([[Das Team|red]]) Der Begriff >'''Katastrophismus'''< (Engl.: >'''Catastrophism'''<) wurde zu Beginn der 1830er Jahre von dem britischen Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whewell William Whewell] '''(Abb. 1)''' eingeführt (der ebenfalls von ihm geprägte Gegenbegriff lautet: '''Uniformitarismus'''). Er bezeichnet eine wissenschaftliche Denkrichtung oder Grundhaltung, welche die überragende Bedeutung katastrophischer Ereignisse für die Geschichte unseres Sonnensystems, der Erde und ihrer Biosphäre, sowie der Entwicklung und Zivilisationsgeschichte der Menschheit hervorhebt. | ||
− | In der modernen [[Geologie - Antipode oder Hilfswissenschaft der Atlantisforschung?| | + | In der modernen [[Geologie - Antipode oder Hilfswissenschaft der Atlantisforschung?|Erdgeschichtsforschung]] - von der [http://de.wikipedia.org/wiki/Lyon_Sprague_de_Camp Lyon Sprague de Camp] pointiert erklärt, sie sei im "''17. und 18. Jahrhundert''" aus "''vagen Spekulationen darüber''" entstanden, "''ob Felsen sich wie Tiere fortpflanzen''" <ref>Quelle: [http://de.wikipedia.org/wiki/Lyon_Sprague_de_Camp Lyon Sprague de Camp], "[http://books.google.de/books?id=U8pWMQAACAAJ&dq=Lyon+Sprague+de+Camp+Versunkene+Kontinente Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria u. anderen untergegangenen Zivilisationen]", 1975, S. 158</ref>, stellte der '''Katastrophismus''' zunächst das vorherrschende [http://de.wikipedia.org/wiki/Paradigma Paradigma] bezüglich der Interpretation geologischer Formationen dar. Außerdem dienten katastrophistische Modelle bereits zur Erklärung fossiler Ablagerungen, bevor die [http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4ontologie Paläontologie] sich unter diesem Namen <ref>Anmerkung: Die Bezeichnung '[http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4ontologie Paläontologie]' wurde 1825 von dem französischen Zoologen und Anatomen [http://de.wikipedia.org/wiki/Henri_Marie_Ducrotay_de_Blainville Henri Marie Ducrotay de Blainville] (1777-1850) eingeführt, und ersetzte allmählich die älteren Bezeichnungen Oryktologie (gr. oryktós – "ausgegraben") und Petrefaktenkunde (gr. Petrefakt "Versteinerung").</ref> zu einer eigenständigen Wissenschaft entwickelte. |
+ | Dabei orientierten sich die geologisch/paläontologisch/anthropologischen Vorstellungen der frühen Pioniere des '''Katastrophismus''' im 18. Jahrhundert - wie praktisch die gesamte westliche Wissenschaft dieser Zeit - noch völlig an den Vorgaben biblischer Weltordnung. So dienten sie z.B. dem englischen Physikprofessor [http://de.wikipedia.org/wiki/John_Woodward John Woodward] (1665–1728) und dem schweizer Naturforscher [http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Jakob_Scheuchzer Johann Jakob Scheuchzer] (1672-1733) zur Bestätigung des alttestamentarischen [[Sintflut|Sintflutberichts]]. | ||
+ | Doch in dem einsetzenden Emanzipationsprozess der sich entwickelnden 'Welt der Wissenschaft' waren es gerade katastrophistisch argumentierende Forscher wie z.B. | ||
+ | der britische Theologe und Physiker [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston William Whiston] (1667-1752), die trotz ihres eindeutigen Bekenntnisses zur christlichen Religion unter dem Eindruck neu entdeckter Evidenzen auf Distanz zu einer fundamentalistischen Auslegung der Bibel gingen, und geradezu 'aufrührerische' Gedanken in den Diskurs einbrachten. | ||
− | + | [[Bild:William Whiston.jpg|thumb|'''Abb. 2''' Wlliam Whiston (1667-1752) erweiterte den Katastrophismus um eine kosmologische Komponente.]] | |
− | '' | + | So bemerkt etwa der Wissenschaftshistoriker [[Dr. Horst Friedrich]]: "''[http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whiston] war ein Schüler [http://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_Newton Newtons], der ihn zunächst sehr schätzte und als sein Promotor fungierte. Später brach [http://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_Newton Newton] jedoch mit ihm, weil er meinte, [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whistons] Katastrophismus würde letztlich alle traditionellen Vorstellungen über die Ordnung des Kosmos, ja sogar die Existenz Gottes in Frage stellen.'' <ref>Anmerkung von [[Dr. Horst Friedrich|Horst Friedrich]]: Hierzu Augen öffnend von [http://en.wikipedia.org/wiki/Livio_Catullo_Stecchini Livio C. Stecchini]: "[http://www.quantavolution.org/QUANTAVOL/va_docs/va_2.pdf The Inconstant Heavens]" [hier als PDF-File, 232,59 KB - oder als [http://grazian-archive.com/quantavolution/QuantaHTML/vol_15/velikovsky_affair_03.htm HTML-Fassung]; d. Red.], in [http://www.velikovsky.info/Alfred_de_Grazia Alfred de Grazia] (Ed.): "[http://books.google.de/books?id=TdYlAAAAMAAJ&q=The+Velikovsky+Affair&dq=The+Velikovsky+Affair The Velikovsky Affair], London, 1966, S. 91-96"</ref> ''Aus eben diesem Grund bekam [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whiston] später sogar Schwierigkeiten mit der [http://de.wikipedia.org/wiki/Church_of_England Church of England], die sich wohl bereits mit der 1681 publizierten These [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whistons], ein [http://de.wikipedia.org/wiki/Komet Komet] habe die biblische [[Sintflut]] verursacht, nicht hatte anfreunden können. ''<ref>Anmerkung von [[Dr. Horst Friedrich|Horst Friedrich]]: Whiston hatte also gewissermaßen, wenn auch nicht in den Details, das [[Sintflut]]-Buch der [[Atlantis, der Sintflut-Impakt und Nostradamus: Die Theorien von A. und E. Tollmann|Tollmanns]] [siehe: "[http://books.google.de/books?id=O3nvPgAACAAJ&dq=Und+die+Sintflut+gab+es+doch Und die Sintflut gab es doch: vom Mythos zur historischen Wahrheit]", Droemer Knaur, 1993; d. Red.] schon vorweggenommen, worin ein [http://de.wikipedia.org/wiki/Komet Komet] als [[Sintflut]]-Verursacher um -7553 postuliert wird.</ref> ''Diese [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whiston]-Episode ist sehr lehrreich, zeigt sie doch drastisch, wie spannungsgeladen - weil sakrosankte Weltbilder berührend! - die Atmosphäre schon damals wurde, sobald der '''Katastrophismus''' ernsthaft ins Spiel gebracht wurde. Die Verbreitung solcher ketzerischen, revolutionierenden Lehren tat nach Ansicht der Obrigkeiten den >Untertanen< und Kirchen->Schafen< nicht gut.''" <ref>Quelle: [[Dr. Horst Friedrich]], "[http://books.google.de/books?id=w_X0AgAACAAJ&dq=Jahrhundertirrtum+Eiszeit Jahrhundertirrtum Eiszeit]", [http://www.efodon.de/ EFODON] (Edition Meson), 2. Auflage 2006, S. 50</ref> |
− | [http://de.wikipedia.org/wiki/ | + | Es erscheint jedenfalls bei einer wissenschaftsgeschichtlichen Betrachtung durchaus bedeutsam, dass [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whiston] das argumentative Arsenal des '''Katastrophismus''' um eine kosmologische Komponente erweiterte - ein Aspekt, der auch in den Arbeiten späterer Kataklysmiker des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle spielen sollte. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt [http://www.velikovsky.info/Johann_Gottlieb_Radlof Johann Gottlieb Radlof] (1775-1846), ein Sprachforscher, der 1823 '''(Abb. 3)''' ein z.T. verblüffend modern anmutendes katastrophistisches Szenario für einen prähistorischen, interplanetaren [http://de.wikipedia.org/wiki/Kataklysmus Kataklysmus] entwickelte. <ref>Siehe: [http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Radlof,_Johann_Gottlieb Radlof, Johann Gottlieb]: "[http://books.google.de/books?id=qRI5AAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=Johann+Gottlieb+Radlof+Zertr%C3%BCmmerung+der+groe%EF%B8%A3n+Planeten+Hesperus+und+Phaeton,+und+darauf&lr=#v=onepage&q=&f=false Zertrümmerung der grossen Planeten Hesperus und Phaethon und die darauf folgenden Zerstörungen und Ueberflutungen auf der Erde; nebst neuen Aufschlüssen über die Mythensprache der alten Völker]", G. Reimer, Berlin, 1823.</ref> |
− | [http:// | + | Bei [http://www.pibburns.com/pib.htm Philip R. Burns] heißt es dazu: "''In a remarkable display of prescience, Radlof essentially enunciates Velikovsky's theories almost 130 years before Velikovsky. Radlof suggests that a planet between Mars and Jupiter exploded after being struck by a comet. One fragment collided with the Earth, giving rise to the legends of Phaeton, deluges, and combat myths with cosmic monsters like Typhon. Another fragment, taking on a cometary orbit and appearance, encountered the planet Mars and later settled down into its current orbit as the planet Venus. Radlof, a philogist, tries to support his contentions with mythological evidence -- including some of the very same material Velikovsky, among others, later used. This book appears to have been mostly ignored, although the theme of the fragmented fifth planet as Phaeton informed a number of later authors.''" <ref>Quelle: [http://www.pibburns.com/pib.htm Philip R. "Pib" Burns], [http://www.pibburns.com/catastro.htm Cathastrophism], unter: [http://www.pibburns.com/catasbib/othercat.htm Annotated Bibliography for Catastrophism: Other Catastrophists]</ref> |
+ | [[Bild:Radlof 1.gif|thumb|'''Abb. 2''' Das Titelblatt von Johann Gottlieb Radlofs katastrophistischem Werk aus dem Jahr 1823]] | ||
+ | Schon einge Zeit vor [http://www.velikovsky.info/Johann_Gottlieb_Radlof Radlof] hatte sich auch der italienische [http://de.wikipedia.org/wiki/Polyhistor Polyhistor] [[Giovanni Rinaldo Carli]] (1720-1795) mit kosmischen Ursachen irdischer Großkatastrophen befasst, und in seinen 'Amerikanischen Briefen' <ref>Siehe: Carli, Comte Giovanni Rinaldo. Lettres Americaines. | ||
+ | Buisson, Paris: 1788</ref> die biblische [[Sintflut]] quasi entmythifiziert. [http://www.pibburns.com/pib.htm Burns] bemerkt dazu: "''Carli baut auf den Ideen [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston Whistons] auf und vermutet, dass die Begegnung mit einem großen Kometen die zuvor kreisförmige Umlaufbahn der Erde'' [um die Sonne] ''in einen elliptischen Orbit verändert hat. Jedes Jahr wurde um zehn Tage, eine Stunde und dreißig Minuten verlägert. Die Nahbegegnung mit dem Kometen hob die Ozeane zu einer acht Meilen hohen Flutwelle an, die zusammen mit atmosphärischer [http://de.wikipedia.org/wiki/Kondensation Kondensation] die [[Sintflut]] verursachte.''" <ref>Quelle: [http://www.pibburns.com/pib.htm Philip R. "Pib" Burns]: [http://www.pibburns.com/catastro.htm Cathastrophism], unter: [http://www.pibburns.com/catasbib/othercat.htm Annotated Bibliography for Catastrophism: Other Catastrophists]</ref> | ||
− | [http://de.wikipedia.org/wiki/ | + | Tatsächlich waren die Repräsentanten dieses quasi 'kosmologischen Katastrophismus' jedoch eher eine Minderheit innerhalb des Spektrums der frühen Kataklysmiker. Die meisten anderen "''Katastrophisten, wie [http://www.kalkriese.de/L%C3%A9once_%C3%89lie_de_Beaumont.html Léonce Élie de Beaumont] (1798-1874), unterstrichen die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen und Erdbeben auf die Gestalt der Erde''" <ref>Quelle: [http://www.kalkriese.de/index.htm Kalkriese.de], Stichwort: [http://www.kalkriese.de/Katastrophismus.html Katastrophismus]</ref>, oder betonten, wie [http://de.wikipedia.org/wiki/Alcide_Dessalines_d%E2%80%99Orbigny Alcide Dessalines d’Orbigny] (1802-1857) die Bedeutung gewaltiger Flutereignisse für die Geschichte der Erde und der auf ihr lebenden Organismen. |
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+ | Dieser [http://de.wikipedia.org/wiki/Paradigmenwechsel Paradigmenwechsel] erfolgte innerhalb weniger Jahrzehnte: "''From around 1850 to 1980, most geologists endorsed uniformitarianism (the present is generally the same as the past) and gradualism (geologic change occurs slowly over long periods of time) and rejected the idea that cataclysmic events such as earthquakes and volcanic eruptions played any significant role in the formation of the Earth's surface. In part, the geologists' rejection was fostered by their impression that the catastrophists of the 19th century believed that God was directly involved in determining the history of Earth. Catastophism of the 19th and early 20th centuries was closely tied to religion and catastrophic origins were considered miraculous rather than natural events.''" | ||
+ | Quelle: [http://www.experiencefestival.com/a/catastrophism/id/1948386 Catastrophism: Encyclopedia - Catastrophism] | ||
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− | + | ''Mit dieser Abkehr vom Katstrophismus allerdings entstand gewissermaßen ein neuer, antireligiös und streng naturwissenschaftlich gemeinter, letztlich aber ebenso erkenntnisbehindernder Dogmatismus, der allein allmähliche evolutionäre Übergänge für natur- und erdgeschichtliche Prozesse anerkannte. Die Kränkung des Menschen, nicht mehr die Krone der Schöpfung, sondern lediglich der Abkömmling eines prähistorischen Affen zu sein, wurde gewissermaßen dadurch kompensiert, dass für die Anthropogenese extrem lange Zeiträume angenommen wurden, so dass der Mensch nun gewissermaßen als die Krone, ja als das Ziel der Evolution erscheint.''" <ref>Quelle: '''Eckhard Rohrmann''', [http://books.google.de/books?id=WdIYkB0yUGAC&pg=PA3&dq=Mythen+und+Realit%C3%A4ten+des+anders-seins:+Gesellschaftliche+Konstruktionen+seit+der+fr%C3%BChen+Neuzeit#v=onepage&q=&f=false Mythen und Realitäten des anders-seins: Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit], VS Verlag, 2007, S. 70 --- Anmerkung von '''E. Rohrmann''': In jüngerer Zeit scheint sich dagegen wieder die Auffassung durchzusetzen, dass der darwinsche Weg des graduellen Gleitens der Evolution immer wieder auch dramatisch unterbrochen, teilweise auch beschleunigt werde durch katastrophische Einflüsse... --- Red. Anmerkung: In diesem Sinne vergl. auch die evolutionsbiologische Definition von '''Katastrophismus''' bei [http://www.kryptozoologie.net/glossar/index.php/Hauptseite Lit Lex]: "''Unter dem Begriff Katastrophismus versteht man in der Evolutionsbiologie die These, dass wichtige Entwicklungen und Änderungen auf evolutionärer Basis durch verschiedene Katastrophen (z.B. Vulkanausbrüche, Supervulkane, Meteoriteneinschläge, u.a.) ausgelöst und vorangetrieben wurden. Laut der These des Katastrophismus kommt es immer nach großen Katastrophen, denen meist ein Massensterben in der Tier- und Pflanzenwelt folgte, zu besonders schnellen Anpassungen an die veränderten Bedingungen im Zuge der Evolution.''" Quelle: [http://www.kryptozoologie.net/glossar/index.php/Hauptseite Lit Lex], Stichwort: [http://www.kryptozoologie.net/glossar/index.php/Katastrophismus Katastrophismus]</ref> | |
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(1) '''Dr. David C. Bossard''', [http://www.geology.19thcenturyscience.org/book-index.html Library of 19th Century Science - The Golden Age of Geology] | (1) '''Dr. David C. Bossard''', [http://www.geology.19thcenturyscience.org/book-index.html Library of 19th Century Science - The Golden Age of Geology] | ||
− | (2) [http://www.pibburns.com/pib.htm Philip R. "Pib" Burns]: [http://www.pibburns.com/catastro.htm Cathastrophism], unter: [http://www.pibburns.com/catasbib/radlof.htm Title Page of Radlof's Book] | + | (2) [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite Wikipedia - Die freie Enzyklopädie], unter: [http://de.wikipedia.org/wiki/William_Whiston William Whiston] |
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+ | (3) [http://www.pibburns.com/pib.htm Philip R. "Pib" Burns]: [http://www.pibburns.com/catastro.htm Cathastrophism], unter: [http://www.pibburns.com/catasbib/radlof.htm Title Page of Radlof's Book] | ||
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+ | (4) [http://www.macroevolution.net/index.html macroevolution.net], unter: [http://www.macroevolution.net/georges-cuvier.html Baron Georges Cuvier] |
Version vom 14. September 2009, 05:25 Uhr
Der Beitrag ist in Arbeit!
Begriffsbestimmung und Geschichte
(red) Der Begriff >Katastrophismus< (Engl.: >Catastrophism<) wurde zu Beginn der 1830er Jahre von dem britischen Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker William Whewell (Abb. 1) eingeführt (der ebenfalls von ihm geprägte Gegenbegriff lautet: Uniformitarismus). Er bezeichnet eine wissenschaftliche Denkrichtung oder Grundhaltung, welche die überragende Bedeutung katastrophischer Ereignisse für die Geschichte unseres Sonnensystems, der Erde und ihrer Biosphäre, sowie der Entwicklung und Zivilisationsgeschichte der Menschheit hervorhebt.
In der modernen Erdgeschichtsforschung - von der Lyon Sprague de Camp pointiert erklärt, sie sei im "17. und 18. Jahrhundert" aus "vagen Spekulationen darüber" entstanden, "ob Felsen sich wie Tiere fortpflanzen" [1], stellte der Katastrophismus zunächst das vorherrschende Paradigma bezüglich der Interpretation geologischer Formationen dar. Außerdem dienten katastrophistische Modelle bereits zur Erklärung fossiler Ablagerungen, bevor die Paläontologie sich unter diesem Namen [2] zu einer eigenständigen Wissenschaft entwickelte.
Dabei orientierten sich die geologisch/paläontologisch/anthropologischen Vorstellungen der frühen Pioniere des Katastrophismus im 18. Jahrhundert - wie praktisch die gesamte westliche Wissenschaft dieser Zeit - noch völlig an den Vorgaben biblischer Weltordnung. So dienten sie z.B. dem englischen Physikprofessor John Woodward (1665–1728) und dem schweizer Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) zur Bestätigung des alttestamentarischen Sintflutberichts.
Doch in dem einsetzenden Emanzipationsprozess der sich entwickelnden 'Welt der Wissenschaft' waren es gerade katastrophistisch argumentierende Forscher wie z.B. der britische Theologe und Physiker William Whiston (1667-1752), die trotz ihres eindeutigen Bekenntnisses zur christlichen Religion unter dem Eindruck neu entdeckter Evidenzen auf Distanz zu einer fundamentalistischen Auslegung der Bibel gingen, und geradezu 'aufrührerische' Gedanken in den Diskurs einbrachten.
So bemerkt etwa der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich: "Whiston war ein Schüler Newtons, der ihn zunächst sehr schätzte und als sein Promotor fungierte. Später brach Newton jedoch mit ihm, weil er meinte, Whistons Katastrophismus würde letztlich alle traditionellen Vorstellungen über die Ordnung des Kosmos, ja sogar die Existenz Gottes in Frage stellen. [3] Aus eben diesem Grund bekam Whiston später sogar Schwierigkeiten mit der Church of England, die sich wohl bereits mit der 1681 publizierten These Whistons, ein Komet habe die biblische Sintflut verursacht, nicht hatte anfreunden können. [4] Diese Whiston-Episode ist sehr lehrreich, zeigt sie doch drastisch, wie spannungsgeladen - weil sakrosankte Weltbilder berührend! - die Atmosphäre schon damals wurde, sobald der Katastrophismus ernsthaft ins Spiel gebracht wurde. Die Verbreitung solcher ketzerischen, revolutionierenden Lehren tat nach Ansicht der Obrigkeiten den >Untertanen< und Kirchen->Schafen< nicht gut." [5]
Es erscheint jedenfalls bei einer wissenschaftsgeschichtlichen Betrachtung durchaus bedeutsam, dass Whiston das argumentative Arsenal des Katastrophismus um eine kosmologische Komponente erweiterte - ein Aspekt, der auch in den Arbeiten späterer Kataklysmiker des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle spielen sollte. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt Johann Gottlieb Radlof (1775-1846), ein Sprachforscher, der 1823 (Abb. 3) ein z.T. verblüffend modern anmutendes katastrophistisches Szenario für einen prähistorischen, interplanetaren Kataklysmus entwickelte. [6]
Bei Philip R. Burns heißt es dazu: "In a remarkable display of prescience, Radlof essentially enunciates Velikovsky's theories almost 130 years before Velikovsky. Radlof suggests that a planet between Mars and Jupiter exploded after being struck by a comet. One fragment collided with the Earth, giving rise to the legends of Phaeton, deluges, and combat myths with cosmic monsters like Typhon. Another fragment, taking on a cometary orbit and appearance, encountered the planet Mars and later settled down into its current orbit as the planet Venus. Radlof, a philogist, tries to support his contentions with mythological evidence -- including some of the very same material Velikovsky, among others, later used. This book appears to have been mostly ignored, although the theme of the fragmented fifth planet as Phaeton informed a number of later authors." [7]
Schon einge Zeit vor Radlof hatte sich auch der italienische Polyhistor Giovanni Rinaldo Carli (1720-1795) mit kosmischen Ursachen irdischer Großkatastrophen befasst, und in seinen 'Amerikanischen Briefen' [8] die biblische Sintflut quasi entmythifiziert. Burns bemerkt dazu: "Carli baut auf den Ideen Whistons auf und vermutet, dass die Begegnung mit einem großen Kometen die zuvor kreisförmige Umlaufbahn der Erde [um die Sonne] in einen elliptischen Orbit verändert hat. Jedes Jahr wurde um zehn Tage, eine Stunde und dreißig Minuten verlägert. Die Nahbegegnung mit dem Kometen hob die Ozeane zu einer acht Meilen hohen Flutwelle an, die zusammen mit atmosphärischer Kondensation die Sintflut verursachte." [9]
Tatsächlich waren die Repräsentanten dieses quasi 'kosmologischen Katastrophismus' jedoch eher eine Minderheit innerhalb des Spektrums der frühen Kataklysmiker. Die meisten anderen "Katastrophisten, wie Léonce Élie de Beaumont (1798-1874), unterstrichen die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen und Erdbeben auf die Gestalt der Erde" [10], oder betonten, wie Alcide Dessalines d’Orbigny (1802-1857) die Bedeutung gewaltiger Flutereignisse für die Geschichte der Erde und der auf ihr lebenden Organismen.
Georges Cuvier (1769-1832)
http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Sylvain_Bailly
http://de.wikipedia.org/wiki/Georges-Louis_Leclerc_de_Buffon
Cuviers katastrophistisches Ideengebäude stellte glei in mehrfacher Hinsicht einen rigorosen Bruch mit der biblischen Sintflut-Überlieferung dar. Zunächst einmal setzte er in der zeitgenössischen Wissenschaft mit Vehemenz die Ansicht durch, dass es in der Erdgeschichte keineswegs nur ein einzige große Flutkatastrophe gegeben habe, sondern dass 'Noahs Flut' bereits viele frühere Umwälzungen voraus gegangen seien. "Tatsächlich hatte, wie es bei Wikipedia heißt, "schon der vielseitige englische Naturforscher Robert Hooke (1635–1703) nachweisen können, dass die zu beobachtenden mächtigen Fossilschichten auf keinen Fall innerhalb einer einzigen, nur 150 Tage andauernden Flut hatten abgelagert werden können." [11]
Der bedeutendste Vertreter des Katastrophismus dieser gilt der französische Naturforscher Baron Georges de Cuvier (1769-1832) mit seiner Kataklysmentheorie. Cuvier vermutete, dass am Ende einzelner geologischer Epochen alle Tiere und Pflanzen in einem bestimmten Gebiet durch riesige Naturkatastrophen ('Revolutionen') vernichtet wurden. Wie die meisten seiner Zeitgenossen dachte er hierbei v.a. an große Überschwemmungen, wie etwa die Sintflut. Die vernichteten Lebewesen würden danach von anderen (neu zugewanderten, oder neu erschaffenen) Arten ersetzt. Hiermit versuchte er, die überall zu beobachtenden, markanten Veränderungen im Fossilbestand der Gesteine zu erklären.
Dieser Paradigmenwechsel erfolgte innerhalb weniger Jahrzehnte: "From around 1850 to 1980, most geologists endorsed uniformitarianism (the present is generally the same as the past) and gradualism (geologic change occurs slowly over long periods of time) and rejected the idea that cataclysmic events such as earthquakes and volcanic eruptions played any significant role in the formation of the Earth's surface. In part, the geologists' rejection was fostered by their impression that the catastrophists of the 19th century believed that God was directly involved in determining the history of Earth. Catastophism of the 19th and early 20th centuries was closely tied to religion and catastrophic origins were considered miraculous rather than natural events."
Quelle: Catastrophism: Encyclopedia - Catastrophism
"Von nun an wurde für lange Zeit jede Möglichkeit katastrophischer Einflüsse auf erdgeschichtliche Entwicklungen kategorisch ausgeschlossen. Der Katastrophismus galt als Ausdruck noch nicht restlos überwundener religiöser Dogmen, insofern Katastrophen auch religiös gedeutet werden konnten, z.B. als punktuelles Eingreifen göttlicher oder dämonischer Kräfte. In der Tat bildete der Katastrophismus für manche Naturwissenschaftler die Brücke zwischen ihrer religiöden Orientierung und ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen [...]
Mit dieser Abkehr vom Katstrophismus allerdings entstand gewissermaßen ein neuer, antireligiös und streng naturwissenschaftlich gemeinter, letztlich aber ebenso erkenntnisbehindernder Dogmatismus, der allein allmähliche evolutionäre Übergänge für natur- und erdgeschichtliche Prozesse anerkannte. Die Kränkung des Menschen, nicht mehr die Krone der Schöpfung, sondern lediglich der Abkömmling eines prähistorischen Affen zu sein, wurde gewissermaßen dadurch kompensiert, dass für die Anthropogenese extrem lange Zeiträume angenommen wurden, so dass der Mensch nun gewissermaßen als die Krone, ja als das Ziel der Evolution erscheint." [12]
Es sollte mehr als sechzig Jahre dauern, bis sich - zunächst außerhalb des universitären Betriebs - eine fundamenale Opposition zu formieren begann, die dem Dogma des Aktualismus/Uniformitarismus den Kampf ansagte: der Neo-Katastrophismus
Anmerkungen und Quellen
- ↑ Quelle: Lyon Sprague de Camp, "Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria u. anderen untergegangenen Zivilisationen", 1975, S. 158
- ↑ Anmerkung: Die Bezeichnung 'Paläontologie' wurde 1825 von dem französischen Zoologen und Anatomen Henri Marie Ducrotay de Blainville (1777-1850) eingeführt, und ersetzte allmählich die älteren Bezeichnungen Oryktologie (gr. oryktós – "ausgegraben") und Petrefaktenkunde (gr. Petrefakt "Versteinerung").
- ↑ Anmerkung von Horst Friedrich: Hierzu Augen öffnend von Livio C. Stecchini: "The Inconstant Heavens" [hier als PDF-File, 232,59 KB - oder als HTML-Fassung; d. Red.], in Alfred de Grazia (Ed.): "The Velikovsky Affair, London, 1966, S. 91-96"
- ↑ Anmerkung von Horst Friedrich: Whiston hatte also gewissermaßen, wenn auch nicht in den Details, das Sintflut-Buch der Tollmanns [siehe: "Und die Sintflut gab es doch: vom Mythos zur historischen Wahrheit", Droemer Knaur, 1993; d. Red.] schon vorweggenommen, worin ein Komet als Sintflut-Verursacher um -7553 postuliert wird.
- ↑ Quelle: Dr. Horst Friedrich, "Jahrhundertirrtum Eiszeit", EFODON (Edition Meson), 2. Auflage 2006, S. 50
- ↑ Siehe: Radlof, Johann Gottlieb: "Zertrümmerung der grossen Planeten Hesperus und Phaethon und die darauf folgenden Zerstörungen und Ueberflutungen auf der Erde; nebst neuen Aufschlüssen über die Mythensprache der alten Völker", G. Reimer, Berlin, 1823.
- ↑ Quelle: Philip R. "Pib" Burns, Cathastrophism, unter: Annotated Bibliography for Catastrophism: Other Catastrophists
- ↑ Siehe: Carli, Comte Giovanni Rinaldo. Lettres Americaines. Buisson, Paris: 1788
- ↑ Quelle: Philip R. "Pib" Burns: Cathastrophism, unter: Annotated Bibliography for Catastrophism: Other Catastrophists
- ↑ Quelle: Kalkriese.de, Stichwort: Katastrophismus
- ↑ Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, Stichwort: Katastrophismus (Stand: 13.09.09)
- ↑ Quelle: Eckhard Rohrmann, Mythen und Realitäten des anders-seins: Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit, VS Verlag, 2007, S. 70 --- Anmerkung von E. Rohrmann: In jüngerer Zeit scheint sich dagegen wieder die Auffassung durchzusetzen, dass der darwinsche Weg des graduellen Gleitens der Evolution immer wieder auch dramatisch unterbrochen, teilweise auch beschleunigt werde durch katastrophische Einflüsse... --- Red. Anmerkung: In diesem Sinne vergl. auch die evolutionsbiologische Definition von Katastrophismus bei Lit Lex: "Unter dem Begriff Katastrophismus versteht man in der Evolutionsbiologie die These, dass wichtige Entwicklungen und Änderungen auf evolutionärer Basis durch verschiedene Katastrophen (z.B. Vulkanausbrüche, Supervulkane, Meteoriteneinschläge, u.a.) ausgelöst und vorangetrieben wurden. Laut der These des Katastrophismus kommt es immer nach großen Katastrophen, denen meist ein Massensterben in der Tier- und Pflanzenwelt folgte, zu besonders schnellen Anpassungen an die veränderten Bedingungen im Zuge der Evolution." Quelle: Lit Lex, Stichwort: Katastrophismus
Bild-Quellen
(1) Dr. David C. Bossard, Library of 19th Century Science - The Golden Age of Geology
(2) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: William Whiston
(3) Philip R. "Pib" Burns: Cathastrophism, unter: Title Page of Radlof's Book
(4) macroevolution.net, unter: Baron Georges Cuvier