Der zweite Perserkrieg (480-449 v. Chr.)
(bb) Mochte der Konflikt mit den Griechen für Dareios zuvor eine geo- politische Nebensache gewesen sein - nach der Schlappe von Marathon war er es mit Sicherheit nicht mehr: "Der siegreiche Widerstand musste in persischen Augen die Bedeutung des Gegners heben und damit eine echte Herausforderung enthalten. Vor allem hätten jedoch die >Gesetze< der politischen Psychologie außer Kraft treten müssen, wenn das Gefühl, >bla- miert< zu sein, und der Wille, die Scharte auszuwetzen, sich nicht zu Wort gemeldet hätten. Diese nahe liegende Reaktion zeigt sich noch bei dem alten Dareios. Er beantwortete Marathon mit gewaltigen Rüstungen." (+22)
Lediglich der Ausbruch eines Aufstands in Ägypten und Dareios´ Tod im Jahr 485 v. Chr., der einige Wirren um die Thronfolge nach sich zog, ver- hinderten zunächst einen weiteren Feldzug im Westen. Die Athener nutzten diese Atempause, um unter Leitung des Staatsmanns Themistokles (um 527-460 v. Chr.) ihre Kriegsflotte um einhundert neue Dreiruderer zu erwei- tern. "Im Gegensatz zu seinen Mitbürgern, die die neue, noch bedrohlichere Gefahr nicht sehen wollten, war er sich des ganzen Ernstes der Lage bewußt und erkannte die Zwecklosigkeit eines Widerstandes zu Lande dem zahlen- mäßig vielfach überlegenen Feind gegenüber." (+23)
Dareios´ Sohn Xerxes, der ihm auf dem persischen Thron nachfolgte, übernahm auch die Schmach von Marathon als Erbe, und er gedachte, die Revanche zu vollziehen, die sein Vater zuletzt geplant hatte. Vier Jahre lang bereiteten Xerxes und der wieder zu Ehren gekommene Feldherr Mardonios sich auf diesen Feldzug vor. Der Großkönig "sammelte von allen Teilen des Landes Truppen, aus den verschiedensten Natio- nen zusammengewürfelt, vielsprachig und je nach Landesweise gekleidet und als Fußsoldaten, Reiter, Streit- wagenlenker, Elephantenführer gerüstet. Die Bewegungen der Truppen sollten von See her durch die Flotte unterstützt werden.
Nach Abschluß der Vorbereitungen wurde die Riesenarmee in Kappadokien zusammengezogen und mar- schierte über Phrygien nach Lydien, wo sie die Winterquartiere bezog. Um diese Zeit schickte Xerxes Weisungen an die Karthager, das persische Unternehmen durch einen Vorstoß gegen die Griechen Siziliens zu fördern. Im Frühjahr 480 v. Chr. erreichte der Heerzug bei Abydos den Hellespont. Xerxes hatte über die Meerenge eine Schiffsbrücke schlagen lassen. Ein Sturm zerstörte sie in der Nacht. Nach Wiederherstellung setzte das Heer setzte das Heer ohne Schwierigkeiten in sieben Tagen und Nächten über." (+24)
Angesichts der persischen Bedrohung hatten sich die meisten Griechischen Staaten zu einem Bündnis zusam- mengeschlossen und vorläufig alle bisherigen Zwistigkeiten untereinander hintangestellt. Thessalien, Theben und Argos, die zur Unterwerfung bereit waren, verweigerten sich dem Bündnis jedoch und auch die Verhandlungen der Bundesgenossen "mit Kerkyra, Kreta und Syrakus wegen einer Hilfeleistung blieben erfolglos. Der mächtige Tyrann von Syrakus, Gelon, war selbst in Erwartung eines bevorstehen- den Angriffs der Karthager." (+25)
Xerxes, der persönlich an diesem Feldzug teilnahm, verfügte mit seinem für damalige Verhältnisse gewal- tigen Heer von etwa sechzigtausend bis hunderttausend Mann nebst seiner Flotte von ca. 700 Kriegsschiffen über eine enorme Streitmacht, die zudem insgesamt höchst mobil war, und der das vergleichsweise unorgani- sierte Hellenen-Bündnis zu Lande kaum etwas entgegen zu setzen hatte: "Die griechischen Milizaufgebote ließen sich nicht einfach in ihrer Gesamtheit frei hin- und herschieben. Ihre aufrichtige Verteidigungsbereit- schaft bedurfte des räumlichen Eindruckes, vor den Mauern der eigenen Stadt oder wenigstens in ihrer Nähe zu stehen." (+26)
Und natürlich zögerten auch die Befehlshaber der verbündeten Hellenen-Städte, ihre Truppen in dieser unsicheren Gesamt-Situation weitab von der eigenen 'Haustür' in den Kampf zu schicken: "Auf diese Weise kam eine Halbheit heraus. Das Gros des Heeres blieb auf dem Isthmos stehen, und nur ein mäßiger Teil, etwa 10 000 Mann, wurde wurde für die Erfüllung der strategischen Aufgabe, die den gesamten Einsatz erforderte, detachiert. Wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, wurden dabei auch noch zusätz- liche Fehler gemacht.
An der Nordgrenze Thessaliens, im Tempepaß, sollte ursprünglich der Sperriegel errichtet werden. Als das griechische Korps aber dort Posten fassen wollte, stellte es sich heraus, daß wegen der dortigen Steilküste keine Verbindung mit der Flotte herzustellen war und daß sich vor allem der Paß umgehen ließ. Infolgedessen wurde das ganze Manöver unter Preisgabe von Thessalien an seine Südgrenze verlegt, an den Paß von Thermopy- lai. Das Kommando hatte der spartanische König Leonidas." (+27)
Mit einer Koalitions-Streitmacht von 7000 Mann und seinen dreihundert lakedaimonischen Elite-Soldaten konnte Leonidas den Hohlweg auf den Thermopylen zunächst auch gegen die vielfache Übermacht halten: "Vergeblich rannte der Feind gegen diese Stellung an; erst als durch Verrat der Paß umgangen war, fiel Leonidas mit seinen Getreuen auf verlorenem Posten. Unterdessen feierten die Griechen nach alter Gepflogenheit in Olympia ihre Festspiele." (+28) Mit seinem Opfergang hatte der Spartaner-König der Hauptmacht seines Heeres einen mehr oder weniger geordneten Rückzug ermöglicht, aber trotzdem "blieb das Ganze eine militärische und strategische Katastrophe. Erst als der Krieg vorbei war, wurde das Empfinden für die Größe der Tat geweckt und sehr bald in einen bis heute wirksamen Leonidasmythos umgesetzt.
Etwa zur selben Zeit kam es zur See, und zwar in der Nachbarschaft von Thermopylai, zum ersten persisch-griechischen Zusammenstoß, an der Nordspitze von Euboia, am Vorgebirge Artemision. Diese Seeschlacht wurde zwar keine griechische Niederlage, war jedoch auch weit davon entfernt ein Sieg zu sein", und letztlich war die griechische Flotte dazu "gezwungen, sich nach Süden zurückzuziehen, und gab damit den persischen Schiffen den Weg frei. Die Situation der Griechen hatte sich ungemein verschlechtert, Mittelgriechenland war verloren, Delphi geriet in persische Hände [...] Die Thebaner traten offen zu den Persern über, und Athen war verloren." (+29)
Die Stadt wurde vor dem herannahenden Feind evakuiert und der Staatsmann Themistokles musste seinen ganzen Einfluss aufbringen, um zu verhindern, dass man sie völlig aufgab und sich im Westen eine neue Heimat suchte. "Das leere Athen machten denn die Perser zu ihrem Hauptquartier und führten dort ihre Land und Seestreitkräfte zusammen. Mit der Bilanz des bisherigen Feldzugs konnten sie zufrieden sein. Es war genauso gekommen, wie Xerxes berechnet hatte: das nördliche und mittlere Griechenland befand sich in seinen Händen, ohne daß er auf massierten Widerstand gestoßen wäre. Nun fehlte noch die Auseinan- dersetzung im offenen Feld, um durch deren siegreichen Austrag den Feldzug und damit die Unterwerfung des griechischen Festlandes zu beenden. Zum Optimismus bestand berechtigte Ursache." (+30)
Tatsächlich stand der Krieg jedoch vor einer völlig überraschenden Wende. Eingeleitet wurde sie durch Xerxes´ Versuch, die zahlenmäßig weit un- terlegene Flotte der Hellenen zu eliminieren, die er bereits in der verhältnis- mäßig engen Meeresbucht zwischen Salamis und Athen eingekesselt hatte. Da die Griechen keine Anstalten machten, sich seiner Marine auf hoher See, im Saronischen Golf, zur Entscheidungsschlacht zu stellen, befahl der Großkönig seiner Flotte, in die Bucht einzulaufen und die feind- lichen Schiffe in den Grund zu bohren. "Das Vernichtungsschauspiel ge- dachte er persönlich vom Ufer und einer Aussichtsestrade aus anzusehen.
Was er zu sehen bekam, war jedoch seine Flotte, fest eingekeilt in den engen Raum und ohne Manövrierfähigkeit, und die athenischen Schiffe in schnei- digem Angriff auf seinen rechten Flügel losrudernd - dort standen seine be- sten Schiffe, die phönikischen. Ehe sich diese dessen versahen, waren sie in den Nahkampf verwickelt, ausweichen konnten sie nicht, und den Ver- zweiflungsmut der athenischen Kämpfer, für die alles auf dem Spiel stand, zu brechen vermochten sie auch nicht, trotz der Nähe des Großkönigs, der gerade in diesen Teil der Schlacht genaue Einsicht hatte. Als sie nun auch noch in der Flanke gefaßt wurden, wurden sie ihrer eigenen Flotte auf dem linken Flügel in den Rücken gedrängt und brachten dort alles durcheinander." (+31)
Die Schlacht von Salamis geriet für die Perser zum absoluten Debakel: "Nach zwölfstündigem Kampf war die See übersäht von Schiffstrümmern und Leichen. Eine geschlagene und stark dezimierte persische Flotte fand sich am Abend im attischen Hafen Phaleron ein. Sie hatte ihre materielle Überlegenheit eingebüßt, noch schlimmer war der Verlust der moralischen. Unter solchen Bedingungen den Kampf wieder aufzunehmen, hätte der Persönlichkeit eines Kyros, Alexanders oder Caesars erfordert, einen Mann, der die unvermeidlichen Folgen der Niederlage durch seine übermenschliche [sic!; bb] Kraft hätte kompensieren können.
Da Xerxes aus solchem Holz nicht geschnitzt war, dies selbst auch am besten wußte und deshalb von vorneherein den Feldzug auf die automatisch wirkende technische Zuverlässigkeit gestellt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als für dieses Jahr - es war schon Herbst, Ende September - das ganze Unternehmen abzubrechen und darauf zu hoffen, im nächsten Jahr mit einer wiederhergestellten großen Flotte Griechen- land erneut anzugreifen. Dann konnte auch die stets im Zusammenhang mit der maritimen Operation vor- gesehene Entscheidung zu Lande erfolgen. Für den Moment war sie nicht mit sicherer Erfolgsaussicht zu erreichen." (+32)
Das persische Landheer zog sich daraufhin ins Winterlager nach Thessalien zurück, wo es von den ver- bündeten Thebanern verproviantiert werden konnte (Mittelgriechenland war völlig verwüstet, dort konnten die Soldaten nicht mehr verpflegt werden), die Flotte wurde auf Samos stationiert und Xerxes selbst ging nach Sardes (Abb. 4), während Mardonios als Oberkommandierender der persischen Streiträfte den Winter zu diplomatischen Aktivitäten nutzte, "mit dem Ziel, Athen, dessen zentrale Bedeutung für den gemein-griechischen Widerstand er inzwischen erkannt hatte, aus der griechischen Front heraus- zubrechen." (+33)
Was Mardonios mit dem Angebot eines Separat-Friedens an Athen (+34) erreichte, war jedoch eher ein gegenteiliger Effekt, und die erneute Besetzung der Stadt durch seine Armee im Frühsommer des folgenden Jahres (die Athener hatten sie ein zweites mal vor dem Feind räumen müssen) zwang die übrigen Bundesgenossen zum Handeln. Mit dem 'Rücken zur Wand' war man nun sogar bereit, in die Offensive zu gehen: "Auf Grund dieser strate- gisch-politischen Voraussetzungen kam es schließlich im Hochsommer des Jahres 479 zur Schlacht bei Plataiai in Boiotien, wohin sich Mar- donios mit dem persischen Heer von Athen zurückgezogen hatte, um die Griechen nicht in den Rücken zu bekommen und am Ende von seinen rück- wärtigen Abteilungen abgeschnitten zu werden." (+35)
Am Fuß des Khitairon, in der Ebene von Plataiai, stellte Mardonios sich dem griechischen Heer unter Führung des Spartaners Pausanias zum Kampf. "Die Griechen waren ihm mit ihren vierzig- bis fünfzigtausend Mann nahezu gewachsen und hatten eine Streitmacht zusammengebracht, die an Ausmaßen ihresgleichen in der gesamten vorhellenistischen Geschichte nicht mehr fand." (+36) Sie "griffen nach feierlichem Gebet an, obwohl ihre Stellung ungünstig war, und siegten [...] Mardonios fand den Tod, und auf diese Nachricht hin flohen die persischen Trup- pen eilig nach Norden. Hellas war von diesem bedrohlichen Feind frei." (+37)
So entscheidend diese Schlacht für den Kriegsverlauf auch gewesen sein mag, so wenig glorios oder brilliant erscheint das blutige Gemetzel in der Rückschau. Das Treffen bei Plataiai (auch: Platää) ist vielmehr ein militärhistorisches Kuriosum, denn der Sieg der Hellenen war keineswegs des Ergebnis herausragender Strategie oder eines besonderen Feldherrn-Genies des Pausanias. Die Schlacht entwickelte sich nämlich "nicht auf Grund einer einsichtigen Verwendung dieser Truppenmassen. Der Sieg von Plataiai war eine ganz kurzfristige, dem Pausanias aufgezwungene Improvisation während eines taktisch mißglückten Stel- lungswechsels des griechischen Heeres; infolgedessen gingen die griechischen Kontingente nicht in geplanter Ordnung vor, sondern die Schlacht zerfiel in Einzelunternehmungen ohne jeden Zusammenhang.
Die Entscheidung fiel bei dem Zusammenstoß der persischen Kerntruppen mit der lakedaimonisch-spartanischen Abteilung, jene unter dem Kommando des Mardonios, diese unter dem des Pausanias. Pausanias hatte das Gelände, das der persischen Reiterei keine Entfaltung erlaubte, für sich, Mardonios, der dies wohl wußte, glaubte über die Gunst der Situation zu verfügen: Verwirrung des Gegners, keine Verfügung über das Gesamtheer (zwei Drittel waren für Pausanias im Moment nicht erreichbar) und infolgedessen herabgesetzte Kampffähigkeit. Aber er hatte die spartanische Disziplin, die Gemütsbewegungen auffing und unabhängig von äußeren Faktoren ein technisch zuverlässiges Funktionieren garantierte, nicht einkalkuliert.
Zudem fiel er schon zu Beginn der Schlacht, weit sichtbar auf seinem Schimmel, und damit war ein strate- gischer Ausgleich der taktischen Unterlegenheit für die persische Seite ausgeschlossen (hier gab es Truppen, die gar nicht in die Schlacht eingegriffen hatten). Die Niederlage wurde so, wider Erwarten, total, zumal die Athener [...] zu den Spartanern gestoßen waren und sie nun gemeinsam das persische Lager stürmten. Die Perser vermochten nur noch die Reste ihrer Truppen zu sammeln und sich schleunigst auf den Rückzug nach Kleinasien zu machen." (+38)
Mit dieser Niederlage und dem Tod des Mardonios waren die persischen Pläne zusammengebrochen wie ein Kartenhaus und die Kampfmoral des Expeditions-Korps war dahin. Dies galt auch für die nach wie vor handlungs- fähige Flotte der Perser, die auf Samos (Abb. 5) vor Anker lag: "An sich wäre es Sache der Perser gewesen, den Kampf wieder aufzunehmen. Von solcher Initiative war jedoch nichts zu spüren, offenbar ein Zeichen erlah- mender Energie. Im Gegenteil, als die griechische Flotte sich in Bewegung setzte und ebenfalls bei Samos vor Anker ging, gaben die Perser den gan- zen Seekrieg auf und rüsteten die Flotte ab.
Die phönikischen Schiffe wurden nach Hause geschickt, um sie nicht zu gefährden, und die Schiffe der Ionier an Land gezogen [...] Damit war der Seekrieg von den Persern selbst abgeblasen. Es war nur noch die Bestä- tigung dieses Faktums durch die Griechen, wenn sie an Land gingen und das persische Lager samt den Schiffen verbrannten (Schlacht bei Mykale)." (+39) Um das Debakel für Xerxes perfekt zu machen, erhoben sich nun die griechischen Städte Ioniens erneut - und diesmal erfolgreich - gegen die persische Herrschaft, und auch die letzten Bastionen des Großkönigs in Thrakien fielen in der Folgezeit. Dort "konnte der athenische Feldherr Kimon, der Sohn des Miltiades, in der Mitte der siebziger Jahre sich [...] kriegerische Lorbeeren holen. Die Einnahme von Eion an der Mündung des Strymon wurde eine Ruhmestat, die daheim außerordentlich gefeiert wurde." (+40)
Kaum schwand die akute Bedrohung durch eine persische Invasion dahin, brach in Griechenland wieder die alte Rivalität zwischen Sparta und Athen durch. Interessant ist ein kurzer Blick auf das weitere Schicksal von zwei zentralen Persönlichkeiten des bisherigen Kampfes: Pausanias und Themistokles. Der spar- tanische General Pausanias verließ seine Heimat, um sich in Byzantion zum Tyrannen aufzuschwin- gen. "Sparta hatte gegen diese Eskapade nichts einzuwenden, weil damit die Athener geärgert wurden und es vielleicht auch seine Vorteile haben konnte, wenn sie innerhalb der von ihnen verlassenen Sphäre wenigstens inoffiziell einen Verteter hatten, der sie zu nichts verpflichtete." (+41)
Pausanias´ Tyrannen-Karriere begann vielversprechend, aber er "beging anscheinend die Dummheit, sich den Persern zu unterstellen - möglicherweise war er auch dazu gezwungen -, und benahm sich obendrein wie ein Satrap, kleidete sich modisch und nahm persische Sitten an. Daraufhin hatte Athen einen legiti- men Grund, nun gegen ihn vorzugehen, und Sparta mußte es dulden. Pausanias fand dann in der Troas ein Unterkommen, aber sein Ehrgeiz zielte ganz woandershin. Er beabsichtigte nichts Geringeres als eine Revolution in Sparta". (+42) Ob und in welchem Umfang er dabei mit den Persern im Bunde war, bleibt letztlich unklar. Jedenfalls war er sich seiner Sache so sicher, dass er sogar einer Vorladung zu einer Ge- richtsverhandlung in Sparta Folge leistete. Dies erwies sich für ihn als verhängnisvoller Fehler: man verur- teilte ihn trotz fehlender Beweise für irgendeinen Verrat zum Tode mauerte ihn lebendigen Leibes in einem Tempel ein, in den er sich geflüchtet hatte.
Themistokles, der Athener Staatsmann, der den Stadtstaat zu d e r hellenischen Seemacht gemacht hatte, stürzte schließlich auf Grund seiner extrem anti-spartanischen Politik, "denn die fand Ablehnung in den an alter Überlieferung festhaltenden Adelsklassen. Er wurde durch ein Scherbengericht verbannt, floh nach Argos und wollte dort zum Widerstand gegen Sparta aufrufen. Die Spartaner brachten ihn mit dem Hochverrat des Pausanias in Verbindung und warfen ihm hinterhältige Beziehungen zum Perserkönig vor.
Seine Gegner griffen diese Anschuldigungen auf und verurteilten ihn zum Tode. Themistokles flüchtete über Kerkyra zum Molosserkönig Admetos in Epirus und von dort weiter in abenteuerlicher und gefahr- voller Fahrt nach Kleinasien." (+43) Dass die Anschuldigungen gegen Themistokles möglicherweise nicht aus der Luft gegriffen waren, legt das glückliche Ende seiner Flucht nahe: "Artaxerxes, der Nachfolger von Xerxes, nahm ihn auf und gab ihm die Stadt Magnesia (+x) zum Wohn- sitz, aus deren Einkünften er seinen Lebensunterhalt fürstlich bestreiten konnte. Er ist in Magnesia 459 v. Chr. gestorben." (+44)
Im Streit um die dominante Position in der hellenischen Welt befand Athen sich nun zweifellos in einer besseren Position als seine Rivalin Sparta: "Die Griechen Kleinasiens hatten sich an Athen gewendet, die Führung zur See im Kampfe gegen Persien zu übernehmen, weil die attische Hauptstadt schon bisher über die mächtigste Flotte verfügt hatte. Dadurch wurde Athen zur Vorkämpferin der mutterländischen und kleinasiatischen Grie- chen. Die Vormachtstellung nützte Aristides, indem er mehr als zwei- hundert griechische Städte zum Zusammenschluß führte und den De- lisch-Attischen Bund gründete (477 v. Chr). Der Bund umfaßte Atti- ka, Platää, Euböa, die Inseln des Ägäischen Meeres, die Grie- chenstädte der Halbinsel Chalkidike und der thrakischen Küste." (+45)
Die Aufgabe des Delisch-Attischen Bundes bestand in ökonomischer Hinsicht der Förderung des Handels zwischen den Bündnispartnern, in militärischer im Schutz gegen neue persische Vorstöße, wobei man bei den Hellenen offenbar Angriff als die beste Verteidigung betrachtete: "An diesen Bund verloren die Perser Zypern, Lykien, Karien und den thrakischen Chersones." (+46) Athen, das seine Flotte Jahr für Jahr weiter ausbau- te, dominierte den Bund immer mehr und bestimmte bald völlig dessen Politik.
Nach Aristides´ Tod im Jahr 465 v. Chr. kam in Athen Kimon, der Sohn des Miltiades, an die Macht, der zwanzig Jahre lang die Geschicke des Stadtstaats in Händen hielt. "Er führte mit der großen Flotte des Delisch-Attischen Bundes die Verteidigung Griechenlands in den Angriffskrieg gegen Persien über. In Thrakien fiel eine persische Besitzung nach der anderen in die Hand der Griechen, und an der Strymonmündung wurde die rasch erblühende Stadt Amphipolis gegründet." (+47) Nach seinem Tod schlug das athenische Geschwader die persische Reichsflotte noch einmal entscheidend bei Salamis und vernichtete 449 v. Chr. auch die Landtruppen des Großkönigs in einer Doppelschlacht.
Kimons Nachfolger Perikles (499-429 v. Chr.) sah jedoch ein, dass zu weitreichende Eroberungen an der Südküste Kleinasiens und auf Zypern von den Truppen des Delisch-Attischen Bundes nicht dauerhaft zu halten sein würden. Daher war er weitsichtig genug, den Bogen nicht zu überspannen und sein Friedensangebot an die Perser wurde von Artaxerxes umgehend angenommen. Der Friedensschluss, der einen vorläufigen Schlußstrich unter die militärische Konfrontation zog, kam beiden Seiten mehr als gelegen: der junge Großkönig hatte genug damit zu tun, sich auf dem Thron zu halten, und Athen brauchte seine militärischen Machtmittel nun auch, um seine immer erdrückendere Kontrolle über den Delisch-Atti- schen Bund auszuüben, und um gerüstet zu sein für eine Konfrontation mit hellenischen Konkurrenten, wie Sparta oder Theben.
Fortsetzung:
Parallelen zur platonischen Atlantida? (bb)
Anmerkungen und Quellen
(+22) Quelle: Alfred Heuß, "Die klassische Zeit - Persisch-karthagischer Angriff und griechische Behauptung", Der Ionische Aufstand; in: Propyläen Weltgeschichte - Eine Universalgeschichte, Herausgegeben von Golo Mann und Alfred Heuß, Dritter Band: Griechenland. Die hellenistische Welt, Berlin / Frankfurt a.M. / Wien, 1962, S. 223
(+23) Quelle: Nack & Wägner, "Hellas - Land und Volk der alten Griechen", Bibliothek der alten Kulturen, Wien, 1955 u. 1975, S S. 141
(+24) Quelle: ebd., S. 142
(+25) Quelle: ebd.
(+26) Quelle: Alfred Heuß, op. cit., S. 229
(+27) Quelle: ebd., S. 229-230
(+28) Quelle: Nack & Wägner, op. cit., S. 143
(+29) Quelle: Alfred Heuß, op. cit., S. 230
(+30) Quelle: ebd., S. 231
(+31) Quelle: ebd., S. 232
(+32) Quelle: ebd.
(+33) Quelle: ebd., S. 233
(+34) Anmerkung d. V.: [ Mardonios] ging so weit, den Athenern "den Wiederaufbau ihrer Stadt, Vergrößerung ihres Gebietes, völlige Freiheit und die Oberherrschaft über Griechenland" anzubieten, aber der 'Rat der Fünfhundert' ließ ihm antworten: "Solange die Sonne ihre Bahn am Himmel wandelt, werden wir mit Xerxes keinen Bund schließen, sondern ihm beherzt entgegengehen im Vertrauen auf die Hilfe der Götter und Heroen, deren Heiligtümer er frevelhaft verwüstet hat." (Nack & Wägner, op. cit., S. 144, 145)
(+35) Quelle: Alfred Heuß, op. cit., S. 233
(+36) Quelle: ebd.
(+37) Quelle: Nack & Wägner, op. cit., S. 145
(+38) Quelle: Alfred Heuß, op. cit. S. 233-234
(+39) Quelle: ebd., S. 234
(+40) Quelle: ebd., S. 245
(+41) Quelle: ebd., S. 250
(+42) Quelle: ebd.
(+43) Quelle: Nack & Wägner, op. cit., S. 148
(+x) Anmerkung d. V.: Leider verraten uns Nack & Wägner nicht genau, um welche der beiden in Frage kommenden kleinasiatischen Städte dieses Namens (Magnesia am Mäander oder Magnesia am Sipylos) es sich dabei gehandelt hat. Falls hier jemand mit altgeschichtlichen Spezial-Kenntnissen mitliest, wäre der Verfasser für qualifizierte Informationen dazu dankbar!
(+44) Quelle: Nack & Wägner, op. cit., S. 148
(+45) Quelle: ebd., S. 147-148
(+46) Quelle: ebd., S. 148
(+47) Quelle: ebd., S. 149
Bild-Quellen
(1) http://www.iranchamber.com/history/xerxes/images/xerxes_relief.jpg
(2) http://www.mlahanas.de/Greeks/Bios/images/LeonidasJDavid.jpg
(3) http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Auditorium/AntKrieg/SOKap3/SbSalam.jpg
(4) http://micro.chonnam.ac.kr/LIM/image/turkey_sardes/turkey_sardes07.jpg
(5) http://samos.et.tudelft.nl/samos_iv/img/day2/RDSC_3098.JPG
(6) http://www.khm.at/arch/frame7c01_x.htm (Bild nicht mehr online)