Zur genetischen Kompatibilität von Homo neanderthalensis und Homo sapiens
(Archeological Institute of Northern America)
Zum ersten Mal ist DNA eines prämodernen Menschen wiederentdeckt worden. Svante Pääbo von der Universität München und Kollegen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten extrahierten erfolgreich die DNA aus einem rechten Humerus (Oberarm-Knochen) eines Neandertalers. Ihre Befunde, die in der Juli-Ausgabe [1997; d. Red.] des Journals Cell präsentiert wurden, liefern wichtige Informationen darüber, wann Neandertaler und Moderne Menschen sich von einem gemeinsamen Vorfahren abspalteten, über die Natur der Interaktion zwischen Neandertalern und Modernen Menschen sowie über das letztliche Schicksal der Neandertaler.
Der Humerus wurde 1856 von Steinbruch-Arbeitern in der Feldhofer-Höhle bei Düsseldorf in Deutschland zusammen mit dem Dach eines Cranium, zwei [...] Oberschenkel-Knochen, einem rechten Radius und Ulna (Unterarm-Knochen), einem Teil des linken Ilium (Hüftknochen) und Fragmenten eines Schulterblatts und von Rippen gefunden. Das Neandertal, in welchem die Höhle liegt, wurde später zum Namensgeber für den Früh-Menschen, der durch diese und andere Überreste repräsentiert wird. Man glaubt, dass die Feldhofer-Fossilien [aus einer Zeit] vor zwischen 40 000 und 50 000 Jahren datieren. Sie befinden sich heute im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, das der Entnahme einer Probe von 3,5 Gramm aus dem Humerus für Analysen zustimmte.
Als Eingangs-Test wurden Amino-Säuren aus dem Knochen untersucht, um zu bestimmen, ob DNA in der Probe erhalten geblieben war, oder nicht. Der Abbau von Aminosäuren und der DNA wird von den selben Faktoren, darunter Wasser und Temperatur, verursacht. Somit kann der Zustand der Aminsäuren im Knochen, der leicht zu bestimmen ist, als Hinweis auf den Zustand jeglicher DNA betrachtet werden, die in der Probe erhalten ist. Die Resultate waren ermutigend, und die Wissenschaftler beschlossen, die Wiedergewinnung und Replikation von DNA aus dem Knochen zu versuchen. Um sichere Resultate zu erzielen, wurde jeder Schritt der Analyse in Pääbos Labor wiederholt und dann wurden die Befunde unabhängig von Mark Stoneking und Anne Stone an der Pennsylvania State University dupliziert.
Die Forscher konzentrierten sich auf DNA aus den Mitochondrien [...] Mitochondriale DNA ist reichlicher vorhanden als Nukleus-DNA, und ist somit mit größerer Wahrscheinlichkeit in ausreichender Menge zu finden, um eine Replikation zu erlauben. Zudem wird mitochondriale DNA nur von der Mutter weitergegeben, sodass Veränderungen von Generation zu Generation eher alleine aus Mutationen entstehen als aus einer Rekombination der DNA von Mutter und Vater. Die Wissenschaftler erhielten eine Sequenz von 379 Basis-Paaren von Amino-Säuren durch die Replikation kürzerer, sich überlappender Segmente. Sie identifizierten 27 Unterschiede zwischen der Neandertaler-DNA und einer modernen DNA-Vergleichs-Probe [...]. Im Vergleich dazu kann DNA aus einer beliebigen Probe von einer modernen Population mit der Referenz-DNA an fünf bis acht Stellen variieren.
Die DNA-Datierung basiert auf der Annahme (die von Genetikern debattiert wird), dass Mutationen in einer konstanten Rate auftreten. [1] Die in der DNA akkumulierten Mutationen können gemessen werden, und die für ihr Auftreten notwendige Zeit ist kalkulierbar. Die Größenordnung der Differenz zwischen Neandertaler- und menschlicher DNA legt nahe, dass unser gemeinsamer Vorfahre [2] vor etwa 550 000 bis 690 000 Jahren existierte. Obwohl diese Datierung noch bestätigt werden muss (sie basiert nur auf einem Spezimen, und die DNA-Uhr könnte so akkurat sein wie wir annehmen, oder auch nicht), steht sie in Übereinstimmung mit den fossilen Belegen. Osteologische Charakteristika der 300 000 Jahre alten Überreste aus der Sima de los Huesos im nördlichen Spanien (siehe: "Faces from the Past", ARCHAEOLOGY, Mai/ Juni 1997) und einem 400 000 bis 500 000 Jahre alten Kiefer aus Mauer, Deutschland, indizieren, dass diese Menschen, die allgemein als Homo heidelbergensis klassifiziert werden, Vorfahren der Neandertaler sind. Dies legt nahe, dass die Aufspaltung zwischen den Vorfahren der Modernen Menschen und der Neandertaler sich bereits früher ereignet hat, etwa zu der Zeit, die durch die neue DNA-Datierung angezeigt wird.
Das Verhältnis zwischen Neandertalern und modernem Menschen, von dem man annimmt, er habe sich vor etwa 120 000 bis 150 000 Jahren in Afrika entwickelt [3], und der Untergang der Neandertaler hinge mit ihm zusammen. Beide koexistierten für einen langen Zeitraum in Südwestasien. [4] Ausgrabungen an Stätten in Israel haben Überreste moderner Menschen in den Skhul- und Qafzeh-Höhlen ergeben, die bis zu zwischen 120 000 und 90 000 Jahren alt sind, und Neandertaler-Überreste aus der Kebara-Höhle, die auf ein Alter von 60 000 Jahren datiert werden sowie aus der Amud-Höhle, datiert auf 40 000 bis 50 000 Jahre.
In Westeuropa überlebten die Neandertaler bis vor 30 000 Jahren und möglicherweise auch noch länger [5]. Die Frage erhebt sich: Bis zu welchem Grad interagierten beide im Sinne eines kulturellen Austauschs oder [bezüglich] Handel und [biologischen] Kreuzungen? Wurden die Neandertaler von modernen Menschen verdrängt oder von ihnen ausgerottet, oder wurden sie ihre Bevölkerung absorbiert und genetisch 'überschwemmt'? Bei Arcy-sur-Cure in Frankreich sind Stein-Werkzeuge und individuelle Ornamente gefunden worden, die jenen ähneln, die man anderswo zusammen mit [den Überresten von] modernen Menschen entdeckt hat, zusammen mit 34 000 Jahre alten Neandertaler-Überresten, die einen Handel zwischen den beiden Gruppen nahelegen [...] Trotz dieser Evidenzen für Kultur-Austausch indiziert eine Studie von Schläfen-Knochen aus Arcy-sur-Cure und anderen Stätten signifikante Unterschiede zwischen Neandertalern und modernen Menschen, welche die Annahme zulassen, dass keine [biologische] Vermischung stattfand. [6]
Wenn die Neandertaler einen signifikanten genetischen Beitrag zu den Modernen Menschen leisteten, sollten Ähnlichkeiten zwischen der DNA der Neandertaler und der von Menschen aus Europa existieren, wo die Neandertaler am längsten überlebten. Pääbo und seine Kollegen verglichen die Neandertaler-DNA mit der von fünf modernen Populationen, aber das bewies keine größere Nähe zur DNA von modernen Europäern als zu der von anderen Gruppen. Während dies die Möglichkeit einer Vermischung von Neandertaler und Modernem Menschen nicht ausschließt, legt es nahe, dass der genetische Beitrag des Neandertalers zum Gen-Pool des Modernen Menschen, wenn überhaupt, klein war.
Wenn wir die Besonderheiten dieser neuen Studie beiseite lassen, stellt die Tatsache, dass es möglich war, Neandertaler-DNA wiederzugewinnen, an sich einen Durchbruch dar und eröffnet viele Möglichkeiten für ähnliche Untersuchungen. Mammut-Überreste, die im sibirischen Permafrost erhalten geblieben sind, haben 50 000 bis 100 000 Jahre alte DNA ergeben, aber eine Erhaltung von mehr als 100 000 Jahre alter DNA wird für unwahrscheinlich gehalten. Während DNA einer prä-neandertalen Form, wie vom Homo heidelbergensis aus Atapuerca, vermutlich niemals wiedergefunden werden kann, wäre es interessant, die DNA des frühen Homo sapiens und von Neandertalern aus Südwestasien zu vergleichen, wo die beiden während solch eines langen Zeitraums koexistierten.
Eine andere faszinierende Möglichkeit würde darin bestehen, spätere Homo sapiens und die letzten Neandertaler, mit einem Alter von 30 000 Jahren, zu vergleichen, die an westeuropäischen Stätten wie der Zafarraya-Höhle in Südspanien gefunden wurden. Die Feldhofer-Fossilien gehören irgendwo in die mittlere Periode der Neandertaler. Kann DNA aus verschiedenen Regionen und Perioden die Resultate bestätigen, die aus dieser Studie hervorgingen, oder würde sie andere Grade der Wechselwirkung nahelegen? Die jüngste Annahme, dass der Homo erectus bis vor zwischen 53 000 und 27 000 Jahren in Südostasien vorkam [7], macht es vorstellbar, dass DNA dieser Spezies ebenfalls wiederzufinden sein könne.
Anmerkungen und Quellen
Quelle: Archaeology (Archaeological Institute of America), 29. Juli 1997. Online unter Neandertal DNA; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de
Fußnoten:
- ↑ Redaktionelle Anmerkung: Aus katastrophistischem Blickwinkel erscheint diese Annahme fragwürdig, da sie - im Sinne des Uniformitarismus - koninuierlich gleichförmige Rahmenbedingungen voraussetzt. Solche "stabilen" Rahmenbedingungen hat es im Verlauf der Menschheitsgeschichte jedoch vermutlich nicht gegeben, sondern es ist in Erwägung zu ziehen, dass kosmische und irdische Groß-Katastrophen möglicherweise wiederholt für Phasen verstärkter Mutation gesorgt haben.
- ↑ Redaktionelle Anmerkung: Auch die Existenz eines "gemeinsamen Vorfahren" von Homo sapiens sapiens und Neandertaler kann bisher keineswegs als zweifelsfrei bewiesen gelten.
- ↑ Redaktionelle Anmerkung: Der "afrikanische Ursprung" der Menschheit steht ebenfalls weiterhin zur Diskussion, auch wenn er als typische Mainstream-Position in den Medien derzeit massiv "hochgejubelt" wird, wobei alternative Positionen offenbar unerwünscht sind und unerwähnt bleiben.
- ↑ Siehe: "The Peopling of Eurasia", ARCHAEOLOGY, January/February 1996
- ↑ Red. Anmerkung: Siehe dazu bei Atlantisforschung.de z.B.: Das Hypogäum von Hal Saflieni
- ↑ Siehe: "Neandertal News," ARCHAEOLOGY, September/October 1996
- ↑ Siehe "Homo erectus Survival," ARCHAEOLOGY, March/April 1997; Redaktionelle Anmerkung: Aktuelle Funde in Indonesien haben ergeben, dass zumindest eine isolierte Population des Homo erectus (der Homo erectus florensis) dort noch bis vor ca. 12 000 Jahren (!) existiert hat, als eine vulkanische Katastrophe diese Sub-Spezies auslöschte. Siehe z. B.: http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=sij52-5
Bild-Quellen:
- 1) http://www.bbc.co.uk/beasts/evidence/prog6/page5.shtml (nicht mehr online)
- 2) Yuliya S. / Victuallers bei Wikimedia Commons, unter: File:Gib neanderthals.jpg