Athanasius Kircher (Teil 5)

Historisches Forscher- und Autorenportrait (Schluss: Exkurs über Sir Francis Bacon)

von unserem Gastautor Dr. Martin Freksa

Abb, 1 Sir Francis Bacon (Baco von Verulam), * 22. Januar 1561 in London; † 9. April 1626 in Highgate bei London

Mit diesem Argument wird Platons explizite Aussage, dass Atlantis eine (riesige) Insel gewesen ist, nun bestätigt. Kircher hatte für eine solche Bestätigung allerdings eine Veranlassung. Denn zu seiner Zeit ist auch die Menung vertreten worden, daß Atlantis mit dem amerikanischen Kontinent verbunden gewesen sei. Diese Meinung ist von keinem geringeren als Baco von Verulam (Francis Bacon) (Abb. 2) geäußert worden (und sie könnte für eine den hier betrachteten Jahrtausenden richtig sein). Dieser bedeutende englische Gelehrte, der ein glänzender Technologie-Prognostiker war und der das Atlantis-Thema in einer bestimmten Weise berührt hat, soll uns am Rande ein wenig beschäftigen.

Baco hat in der Tat von einer einstigen Landverbindung zwischen Amerika und Atlantis gesprochen, indem er den amerikanischen Kontinent plus Atlantis als >Großamerika< bezeichnet hat. Er hat jedoch nicht, wie gelegentlich behauptet wird, Atlantis mit Amerika identifiziert.
Der Grund, warum Baco von einer solchen Landvernindung ausgegangen ist, scheint mir darin zu liegen, daß er Berichte von solchen Indianervölkern kannte, die noch von der Herkunft uralter Ahnen aus einem Land östlich von Amerika wußten; wahrscheinlich haben solche Berichte bei Baco die Idee einer Landverbindung zwischen Atlantis und Amerika hervorgebracht.
Abb. 2 Hier eine moderne Neuausgabe (2009) von Sir Francis Bacons New Atlantis - irreführend mit A. Kirchers Atlantiskarte als Cover-Illustration
Baco benutzte in seiner fragmentarischen Spätschrift Nova Atlantis ('Neue Atlantis') Atlantis nur als einen Bezugspunkt. Was ihn eigentlich interessierte, waren alte Berichte aus dem pazifischen Raum. Solche Berichte, von denen Baco durch (Süd-) Amerika-Forscher gehört haben muß, hat dieser weitblickende Mann in einer ganz bestimmten Form verarbeitet, nämlich in der Form der Utopie.
Baco schreibt in seiner Utopie in romantischem Stil, europäische Seefahrer seien von Peru aus durch Zufall auf eine unbekannte Insel gestoßen. Das Besondere dieser Insel sei, daß sich dort - ganz unbemerkt - unvorstellbar lange Traditionen erhalten hätten. Auf höchstem Niveau würde auf dieser Insel Forschung betrieben. Die Technologie der Insel kannte optische Verfahren zur Bündelung von Licht, akustische Verfahren zur Übermittlung von Tönen, Unterwasserboote, Flugschiffe, die Nachahmung von Bewegungen in Bildern und verschiedene Verfahren zum Gebrauch von Sonnenenergie.
Was Baco am Ende seines Lebens (gest. 1616) über derartige Technologien schrieb, sieht aus wie ein Blick »zurück in die Zukunft«. Und gerade dies Doppelte macht den Inhalt seiner Utopie bedeutsam. Hätte Baco explizit geschrieben: »solche Technologien hat es in alter Zeit einmal gegeben und es wird sie in einer nicht allzu fernen Zukunft wieder geben«, man hätte es nicht akzeptiert. Darum hat Baco dieses Wissen in einer Utopie verborgen; eine Utopie erscheint als etwas Unverbindliches und ist insofern leicht zu akzeptieren. Baco muß als Quelle seines Wissens über spezifische indianische Überlieferungen verfügt haben, die Informationen über eine pazifische Zivilisation enthalten, welche nach den gleichen Überlieferungen in einem Spannungsverhältnis zur Atlantischen Zivilisation gestanden hatte. Daß dies die Quelle seines Wissens gewesen sein muß, wird im nächsten Kapitel, wo von dieser inzwischen wieder neu entdeckten Quelle im Kontext der indianischen Atlantisüberlieferung die Rede sein wird, nachvollziehbar sein.

Daß Bacon seine zutreffenden technologischen Prognosen in England zu Papier brachte, ist nicht ganz zufällig. Denn England war seinerzeit der Vorreiter der neuen Zivilisation, die später die Kapitalistische genannt wurde. Von England ging die manufakturelle Teilung der Arbeit aus, die sich bald im übrigen Westeuropa durchsetzte, mit Verzögerungen und Modifikstionen dann auch in anderen Teilen Europas. Und von England ging auch die Kolonialisierung Nordamerikas aus, wobei bald andere Westeuroäer und dann auch Nordeuropäer, Mitteleuropäer und Südosteuropäer folgten, während Südamerika unter den älteren Handelsmächten Spanien und Portugal aufgeteilt wurde. Was bei der Kolonialisierung Amerikas mit dessen angestammten Einwohnern geschah, war etwas innerhalb Europas mit den Prußen und den Guanchen bereits Geschehene. Auch die Indianervölker wurden größtenteils vernichtet, ihre alten Schriften (z.B. das Popol Vuh, das nur aus dem Gedächtnis wieder aufgeschrieben werden konnte) verbrannt. Und alles - große Ausnahmen wie William Penn miteingeschlossen - geschah im Namen des Christentums, dessen Erneuerungskraft aus dem 16. Jahrhundert offensichtlich nicht stark genug gewesen war, um den alten Völkern human zu begegnen.

Der Entwicklungsbeginn der neuen Zivilisation, die mitten im 16. Jahrhundert entstanden war und den Atlantik zu umspannen begann, hat ein Interesse an Atlantis mitentwickelt, , wie im letzten Teil dieses Kapitels zu zeigen ist [siehe Buch; d. Red.].


Ende



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Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Martin Freksa (©) wurde seinem Buch Das verlorene Atlantis (Abb. 3) entnommen (S. 115-116), das 1999 in 2. Ausgabe bei Zweitausendeins in Frakfurt, Main publiziert wurde. Die Wiederveröffentlichung des Textes bei Atlantisforschung.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

Bild-Quellen:

1) Dcoetzee (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Francis Bacon, Viscount St Alban from NPG (2).jpg
2) The Floating Press / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
3) Zweitausendeins / Bild-Archiv Atlantisforschung.de