Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis« (1)

Zur Vorgeschichte der Kontroverse

von Pastor Jürgen Spanuth (editiert von Bernhard Beier)

Abb. 1 Das Frontcover von Jürgen Spanuths Buch 'Das enträtselte Atlantis' aus dem Jahr 1953. Kurz nach seinem Erscheinen begannen die Angriffe von Karl Gripp et al. gegen den Pastor und seine Atlantis-These.

Am Anfang seines bisher unveröffentlicht gebliebenen Papiers "Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis«" befasst Jürgen Spanuth sich zunächst mit der späten Entstehungsgeschichte seines ersten, 1953 erschienenen Buches "Das enträtselte Atlantis" [1] (Abb. 1) Er beschreibt (S. 2-3), dass er das Manuskript vor der Drucklegung einigen professoralen Fachwissenschaftlern (Althistorikern und Geologen) zur Prüfung vorgelegt hatte und von diesen Herren äußerst positive Rückmeldungen erhielt. Auch nach dem Erscheinen des Werks folgten weitere lobende Stellungnahmen von Akademikern, die er ausgiebig zitiert. Da diese Zitate letztlich nicht in direkter Beziehung zum 'Atlantis-Streit' mit Karl Gripp et al. von der Universität Kiel stehen, geben wir sie hier nicht wieder [2], sondern beschränken uns auf die Wiedergabe von Spanuths diesbezüglicher Schlussbemerkung: "Diese Urteile über mein Buch könnten beliebig vermehrt werden. Ich habe seit dem Erscheinen meines Buches über 12.000 Zuschriften, darunter viele von Fachgelehrten aller betroffenen Wissenschaftsgebiete." [3] Erst nach diesem einleitenden 'Umweg' beginnt er mit der Schilderung der Anfänge des 'Atlantis-Streits':

"Nachdem mein Buch erschienen war, unternahm ich im Juni 1953 noch eine Tauchexpedition, bei der der Taucher Eberhard Fries, Siegen, die Ruinenreste auf dem >Steingrund< erneut feststellte und zahhlreiche Steine, darunter Fliesenplatten (Abb. 2) aus dem Ruinenfeld, mitbrachte. Unter diesen Steinen war eine Röhre aus Flintstein, die ich erst achtlos auf Helgoland liegen ließ.

Zufällig kam Herr Dozent Dr. Saeftel, Kiel, nach Helgoland. Als er die Steinröhre sah, sagte er: >Das ist ein grossartiger Fund, Sie können weitere Taucharbeiten aufgeben, denn dies ist eine 'Ofensau'!< [4] Da ich nicht wusste, was eine 'Ofensau' sei, bat ich Dr. Saeftel um seine Erklärung. Saeftel sagte: >Eine Ofensau ist der Schlackenrückstand aus einem Schmelzofen, sie beweist, dass an dieser Stelle Metall geschmolzen wurde.< Ich bat Herrn Dr. Saeftel, der am gleichen Tag nach Kiel zurückfuhr, ins Geologische Institut der Universität Kiel zu gehen und seine Behauptung überprüfen zu lassen. Dr. Saeftel rief mich zwei Tage später an und erklärte am Telefon, seine Behauptung sei richtig und von Fachleuten bestätigt worden. Trotzdem blieb ich dieser Mitteilung gegenüber skeptisch. Ich wollte erst die Untersuchung von Professor Rose, Hamburg, abwarten. Ich bat Herrn Dr. Saeftel, v o r der von mir beabsichtigten Untersuchung nichts von unseren Funden sagen zu wollen. Leider erfuhr die Presse, bevor ich mit der Expedition von Helgoland zurückkehrte, von diesen Funden. Bei meiner Ankunft in Büsum wurden mir Zeitungen übergeben, die von dem >sensationellen Fund einer Ofensau< berichteten.

Einige Tage später erhielt ich von Herrn Professor Dr. Gripp, Kiel, einen Brief, in dem Gripp mich bat, die Funde untersuchen und sein Gutachten abgeben zu können. Ich antwortete Gripp, dass ich die Untersuchung der Funde und ein Gutachten von Herrn Professor Dr. Rose, Hamburg, erbeten hätte, dass er aber einen Teil der Funde bei mir sehen könne.

Gripp kam zusammen mit seinem Assistenten, Professor Dr. Wetzel, Kiel. Ich merkte sofort, dass Gripp keineswegs die Absicht bhatte, eine sachliche Untersuchung vorzunehmen. Er weigerte sich, meiner Einladung zu folgen und in mein Haus zu kommen. Als Professor Wetzel die quadratisch behauene Fliesenplatte aufnahm, untersuchte er und spontan ausrief: >Das ist ja erstaunlich!<, riss Gripp ihm die Fliesenplatte aus der Hand und warf sie ohne sie anzusehen mit den Worten >Ist ja Unsinn!< weg.

Abb. 2 Eine der bearbeiteten Steinfliesen, die bei Spanuths Tauch-Expeditionen am Steingrund geborgen wurden

Ich wusste damals noch nicht, welches Terrorregiment Gripp an der Universität Kiel in jener Zeit ausübte. Ich war aber erstaunt, dass Wetzel wie ein auf frischer Tat ertappter Schuljunge reagierte und sich widerspruchslos diese Behandlung gefallen ließ.

Ich habe den Herren noch ausdrücklich gesagt, dass ich alleine Herrn Professor Rose mit einem Gutachten beauftragte und diesem Gutachten keineswegs vorgegriffen werden dürfe. Aus den Worten der Herren Gripp und Wetzel konnte ich entnehmen, dass keiner der Herren mein Buch gelesen hatte oder eine Ahnung von den historischen Problemen, die in meinem Buch behandelt werden, hatte. Die Herren erbaten sich eine Anzahl von Gesteinsproben, sie versprachen mir ausdrücklich, ihre Untersuchungsergebnisse mitteilen zu wollen. Auch sagte ich ihnen, dass ich n i c h t die Ansicht Dr. Saeftels teile und die Flintsteinröhre nicht für eine 'Ofensau', sondern für ein Naturprodukt hielte.

Wenige Tage später, am 10 September 1953, erschien in vielen Zeitungen ein >Gutachten<, das Gripp und Wetzel der Presse übergeben hatten. Dieses >Gutachten< enthielt eine Reihe von Schmähungen meiner Person und meiner Arbeiten. Am gleichen Tag fand in Flensburg eine Tagung des Westdeutschen Wasserwirtschaftsverbandes statt, zu dem Gripp einen Vortrag hielt. Nach dem Vortrag fragte der Vorsitzende, Dr. Ing. Ramshorn, Essen, Herrn Gripp, was er von meinem Buch halte. Gripp wurde ausserordentlich ausfallend, nannte mein Buch >Phantasterei und Hirngespinste<. Dr. Ing. Ramshorn hat mir in einem Brief vom 11.9.1953 ausführlich über Gripps Äußerungen berichtet. Ramshorn schrieb, dass er Gripp nach dessen unsachlichen Ausfällen gegen mich geantwortet habe, >dass man Ihre sorgfältigen Utersuchungen nicht so ohne weiteres als 'Hirngespinste' abtun könne, dass vielmehr doch einwandfrei feststünde, dass man an der in Frage kommenden Stelle Steine festgestellt habe, welche zweifellos menschliche Einwirkung erkennen liessen. Ich verwies insbesondere auf die Ergebnisse der Vermessungsschiffe des Deutschen Hydrographischen Instituts hin, über welche ebenfalls in den Zeitungen berichtet wurde. Mich persönlich interessieren ihre Forschungen sehr und ich habe ihr Buch mit großem Interesse gelesen. Ich weiss darüber hinaus, dass viele meiner Berufskollegen sich durchaus positiv über ihre Forschungen geäussert haben.<

Am 12.9.1953 erhielt ich einen ausführlichen Brief von Dr. Saeftel, in dem er über einen Besuch im Geologischen Institut in Kiel berichtete. Auch bei diesem Besuch hatte Gripp mich als >Phantasten< und meine in dem Buch >Das enträtselte Atlantis< veröffentlichten Forschungsergebnisse als >Hirngespinste< bezeichnet. Dr. Saeftel hatte Gripp auch gefragt, ob er denn mein Buch gelesen habe. Daraufhin nantwortete Gripp: >Spanuth ist Theologe. Von der Theologie gibt es keinen Weg zur Wissenschaft, sondern nur zur Phantasie. Ich lehne es ab, das Werk eines Phantasten zu lesen!< >Theologen sind Leute, die von aussen her etwas in den Menschen hineinreden, bis er es glaubt. Darum bleibt Spanuths Buch für mich indiskutabel, es ist reine Phantasterei, ich habe keine Zeit, es zu lesen!<

Ebenfalls erhielt ich am 25. 9. 1953 einen Brief des Dipl.-Ing. Kristian Skard, Oslo, Statsguardein am Metallurgischen Institut in Oslo. Er hatte Gripp schon einige Zeit vor meiner Tauchexpedition im Sommer 1953 aufgesucht, hatte mein Buch gelesen, war, wie er mir schrieb, >begeistert von den Ergebnissen Ihrer Forschung< und hatte Gripp nach den in meinem Buch (S. 101 ff.) beschriebenen Kupfererzvorkommen auf Helgoland gefragt. Gripp hatte Skard geantwortet: >Spanuth ist ein Phantast, auf Helgoland hat es nie Kupfer gegeben!< Diese Behauptung hatte Gripp wider besseres Wissen von sich gegeben. In Gripps 1933 (!) im C.Boysen-Verlag, Hamburg, veröffentlichten Buch >Geologie von Hamburg< hatte er auf S. 64 von Helgoland geschrieben: >Zu erwähnen sind noch die mannigfaltigen Vorkommen von Kupfererzen: Gediegen Kupfer, Rotkupfererz und Malachit, die teils in Knollen und dünnen Lagen, teils in kleinen Hohlräumen auftreten. Besonders häufig kommen Kalkspatdrusen vor, deren Kristalle mit Malachit überzogen sind.<" [5]



Fortsetzung: Zur Person Karl Gripps und relevanten Bereichen seiner Vita

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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: Jürgen Spanuth, "Das enträtselte Atlantis", Stuttgart, 1953
  2. Anmerkung: Eine separate Publikation dieses Abschnitts ist unsererseits angedacht.
  3. Quelle: Jürgen Spanuth, "Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis«" (unveröffentlichtes Manuskript), West-Bordelum, 04. 10. 1964, S. 3
  4. Siehe dazu auch: L., "Das Geheimnis der Ofensau - Streit um Pastor Spanuths Atlantis-Theorie", aus: DIE ZEIT, 22.10.1953, Nr. 43
  5. Quelle: Jürgen Spanuth, op. cit. (04. 10. 1964), S. 3-7

Bild-Quellen:

1) Union Deutsche Verlagsgesellschaft / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
2) G. Gadow, "Der Atlantis-Streit", 1973, S. 59