Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis« (2)

Zur Person Karl Gripps und relevanten Bereichen seiner Vita

von Pastor Jürgen Spanuth (editiert von Bernhard Beier)

Abb. 1 Prof. Karl Gripp (1891-1985) Foto: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel

Der nachfolgend wiedergegebene Abschnitt aus Jürgen Spanuths Papier "Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis«" ist von besonderer Brisanz. Immerhin wird hiermit nicht nur vage die Redlichkeit der Motive Prof. Gripps (Abb. 1) im 'Atlantis-Streit' von 1953 in Zweifel gezogen; vielmehr stellt sich angesichts der folgenden Aussagen definitiv die Frage, ob dem Kieler Geologen sowohl in wissenschaftsethischer als auch juristischer Hinsicht massives Fehlverhalten anzulasten ist - und ob die damals Verantwortlichen der Universität Kiel eine Mitschuld an den skandalösen Vorgängen trifft, um die es hier geht. Zur Bestätigung oder Widerlegung der massiven Vorwürfe Spanuths sind nun definitiv professionelle Wissenschaftshistoriker gefragt. Was folgt, ist jedenfalls 'starker Tobak':

"Da ich mir Gripps Verhalten nicht erklären konnte, fuhr ich zu Herrn Professor Dr. Rose, Hamburg, Gallertzstr. 21. Ich fragte Rose, der mich seit vielen Jahren beraten hatte, wie Gripp zu seinen abfälligen und unwahren Behauptungen käme. Prof. Rose sagte mir: >Herr Gripp muss erfahren haben, dass ich sie beraten habe!< Ich antwortete: >Das habe ich Gripp selbst geschrieben! Ich habe Gripp in Wort und Schrift mitgeteilt, dass Sie, Herr Professor Rose, mein 'langjähriger Berater und väterlicher Freund' seien, und dass sie alle Untersuchungen auf geologischem und mineralogischem Gebiet übernommen haben!< Daraufhin Prof. Rose: >Da haben sie aber ins Fettnäpfchen getreten! Ja wissen Sie denn nicht, was zwischen mir und Gripp bzw. zwischen der Universität Hamburg und Gripp gewesen ist?< Ich hatte keine Ahnung von diesen Dingen. Prof. Rose berichtete: Gripp war a.o. Professor am Geologischen Institut der Universität Hamburg. Als solcher hat er die Vorlesungen des Prof. Dr. Siegfried Passarge besucht. Gripp hat dann ein Werk herausgegeben, in dem er die Forschungsergebnisse Passarge's, o h n e dessen Namen zu nennen, als seine eigenen Forschungsergebnisse veröffentlichte. Daraufhin bezichtigte Passarge Herrn Gripp des Plagiates. Gripp klagte nun gegen Passarge beim Hanseatischen Oberlandesgericht und erklärte bei der Verhandlung am 20. Oktober 1933 an Eidesstatt, dass er, Gripp, die Vorlesung Passarges n i c h t gehört habe. Daraufhin wurde Passarge >bei Vermeidung einer Geldstrafe in unbeschränkter Höhe oder der Strafe der Haft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, gegen Gripp die Behauptung aufzustellen, er habe sich der Entlehnung schuldig gemacht und das wissenschaftliche Ansehen des Klägers (Gripp's) baue sich danach auf einer unfairen, ihn als Gelehrten erledigenden Handlungsweise auf<.

N a c h dem Bekanntwerden dieses Urteils gegen Passarge meldeten sich Zeugen, darunter Professor Dr. Carl Heinz, damals Hamburg, später Ordinarius für Geologie an der Universität Leipzig, die Gripps eidesstattliche Erklärung vor dem Hamburger Oberlandesgericht als unwahr bezeichneten und bezeugten, dass sie zusammen mit Gripp in den Vorlesungen Passarges gewesen seien. Nunmehr kam es zu einem Verfahren vor dem Disziplinargericht der Universität Hamburg. Das wissenschaftliche Gutachten hatte Professor Dr. Rose anzufertigen. Gripp wurde überführt, sich des Plagiats, der unwahren Aussage vor Gericht und der Erschleichung eines Stipendiums für eine Spitzbergen-Expedition schuldig gemacht zu haben. Gripp wurde durch den Spruch des Disziplinargerichtes der Hamburgischen Universität sofort suspendiert. [1] Soweit Professor Roses Bericht. Rose fügte noch hinzu: >Seither sieht Gripp in mir seinen Todfeind!< >Sie sind das ahnungslose Opfer dieses Hasses geworden!< >Gripp behauptet heute, er sei wegen seiner antifaschistischen Einstellung von der Hamburger Universität entfernt worden. Das ist absolut unwahr. Politische Erwägungen haben bei seiner Suspendierung nicht die geringste Rolle gespielt!<" [2]

Nachfolgend (S. 8-11) gibt Spanuth den Text seiner längeren Pressemitteilung vom 14. September 1953 zur Kontroverse mit Gripp wieder, den wir an anderer Stelle dokumentieren. [3]. Zu diesem Statement merkt er an: "Diese Erklärung ging in 300 Exemplaren an die verschiedensten Zeitungen, von denen die meisten die Erklärung brachten. Von einem mir befreundeten Professor an der Universität Kiel erfuhr ich, dass meine Erklärung an der Universität >ausserordentliches Aufsehen< erregt hat." [4] Danach geht es weiter im Text mit zusätzlichen Aussagen über Person und Aktivitäten Karl Gripps:

"Ende September 1953 traf bei mir Herr Professor Dr. Carl Heinz, Leipzig, ein. Heinz hatte meine Erklärung ebenfalls gelesen. Heinz teilte mir folgendes mit: Gripp hatte nach dem Zusammenbruch 1945 erklärt, er sei >Opfer des Faschismus< und sei wegen seiner antifaschistischen Einstellung in Hamburg suspendiert worden. Gripp sei aufgrund dieser falschen Angabe im November 1945 auf den vakanten Lehrstuhl für Geologie an der Universität Kiel berufen worden, er sei dann Chef der Entnazifizierung an der Universität Kiel geworden und hätte ein rücksichtsloses Terrorregiment an der Universität Kiel errichtet. Gripp habe sogar von Kiel aus Herrn Professor Dr. Heinz bei der sowjetischen Militäradministration denunziert. Heinz sei verhaftet worden, hätte ein Jahr im Zuchthaus unter unmenschlichen Bedingungen zugebracht und seinen Lehrstuhl in Leipzig, auf den er 1936 berufen worden war, verloren. Auch an ihm, Prof. Heinz, habe Gripp ein Plagiat begangen. Gripp sei niemals >Opfer des Faschismus< gewesen, er habe vielmehr als Geologe am >Amt für Westküstenforschung<, das von SA-Obergruppenführer H. Lohse, Gauleiter und Oberpräsident in Schleswig-Holstein, ins Leben gerufen war, gearbeitet. Lohse hätte sicherlich niemals einen Mann, der >Opfer des Faschismus< oder >Antifaschist< gewesen sei, in diesem Amt geduldet." [5]



Fortsetzung: Die Atlantis-'Diskussion' vom 26. Oktober 1953 in Schleswig

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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Das kieler.gelehrtenverzeichnis.de vermerkt dagegen im Lemma "Karl Christian Johannes Gripp" unter "Biographische Notizen": "Im März 1934 wurde Karl Gripp aufgrund des §6 des 'Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' von seinen Pflichten als ao. Professor und Kustos der Universität Hamburg entlassen und in den Ruhestand versetzt." (abgerufen: 18. Oktober 2017)
  2. Quelle: Jürgen Spanuth, "Die Geschichte der Aktion »Gripp contra Atlantis«" (unveröffentlichtes Manuskript), West-Bordelum, 04. 10. 1964 S. 7-8
  3. Siehe: Jürgen Spanuth / red, "Presseerklärung vom 14.9.1953 - Ein Dokument zum 'Wissenschafts'-Streit um den 'Atlantis-Pastor' (Jürgen Spanuth)"
  4. Quelle: Jürgen Spanuth, op. cit. (4. Oktober 1964), S. 11
  5. Quelle: ebd.

Bild-Quelle: