Los Millares - eine atlantische Metropole im Land des Gadeiros

von Helmut Tributsch

Abb. 1 Die Ruinen der Megalith-Fundstätte von Los Millares: nach Helmut Tributsch Überreste einer bedeutenden Stadt der Gadeirischen Atlanter-Provinz.

[...] Die Siedlung liegt auf einem spornartigen Plateau, dessen Flanken durch die Vereinigung der Flüsse Andarax und des meist trockenen Rambla de Huechar abgegrenzt werden. In etwa 50 m Höhe über dem Flußbett liegt sie in einer strategisch günstigen Position gelegenen. Von den höheren Lagen dieser Siedlung hat man an klaren Tagen einen grandiosen Ausblick auf das offene Meer, das am Horizont vom Cap da Gata begrenzt wird. Der Fluss Andarax mündet bei der Stadt Almeria ungefähr 20 km abwärts ins Mittelmeer.

Die Archäologen vermuten, daß in prähistorischen Zeiten das Meer rund 10 km flußaufwärts bis zum heutigen Ort Pechina reichte und daß einst der Fluß Andarax bis nach Los Millares schiffbar war. Im heute weitgehend versteppten, trockenen Gebiet um Los Millares gedeihen nur auf den Schotterflächen am Fluß Andarax schöne Örangen- und Zitronenhaine. Zur Megalithzeit war das Klima etwas feuchter.

Das Plateau von Los Millares ist rund 1,5 km lang und zeigt eine Ausdehnung von rund 19 ha. Die Stadt selbst, auf deren Gelände schon viele Siedlungsspuren gefunden wurden, drängt sich mit 4 ha Ausdehnung auf der östlichen Plateauspitze zusammen. Die Überreste von mehr als 70 Gräbern bedecken den Rest der Fläche. Sie sind in runder Form mit gangartigem Zutritt gebaut. meist weisen sie eine falsche Kuppel aus großen Steinblöcken auf. In ihrem Inneren fanden sich allerlei Beigaben.

Diese Stätte dichter Besiedlung aus dem 3. Jahrtausend vor Chr. lieferte ihrem ersten Erforscher, L. Siret, gegen Ende des letzten Jahrhunderts [des 19.; d. Red.] und seit 1953 den Archäologen L Almagro und A. Arribas viele Überraschungen [1] Eine gewaltige gekurvte Mauer von 310 m Länge mit vielen Bastionen zum besseren Schutz kam zum Vorschein, dazu ein großes Haupttor mit einer birnenförmig vorgeschobenen Verteidigungsanlage. Näher zur Stadt hin wurde eine zweite ringförmige Mauer entdeckt und noch eine dritte Verteidigungslinie.

Abb. 2 Die freigelegten Ruinen-Reste von Los Millares vermitteln nur einen vagen Eindruck von der einstigen Größe dieser befestigten Stadt des Neolithikum.

Die äußerste der drei Ringmauern erreichte eine Stärke bis zu 4,30 m. Man erkennt, daß sie in verschiedenen Etappen verstärkt worden ist. In einzelnen Abschnitten mißt sie noch eine Höhe von 2,30 m. Bisher wurden die Reste von 19 angegliederten Verteidigungsbastionen freigelegt. Das scheint den Herren von Los Millares aber nicht genügt zu haben.

Auf den Hügeln südlich der Megalithstadt findet man Spuren von insgesamt neun Forts, die in einer ringförmigen Kette an den strategisch wichtigsten Punkten angelegt worden sind. Das größte von ihnen liegt etwa 1 km von der Stadt entfernt und 90 m höher. Die aus drei Mauerringen und fünf äußeren Bastionen bestehende Anlage ist zudem von einem in den Fels gehauenen Graben umgeben. Die Gesamtfläche des Forts mißt 1121 qm.

Die archäologischen Funde, die in den hochgelegenen Forts gemacht worden sind, stimmen mit denen aus der Stadt überein. Meist handelte es sich um grobe Gebrauchskeramik (Abb. 3), eiförmige Töpfe, Tiegel, Schüsseln und auch Teller. Dazu kamen Beile, Hauen, Messer, Pfeilspitzen und Bohrer aus sorgfältig gearbeitetem Stein, sowie Tonspindeln und Tonplatten zum Weben. Auch Kupferwerkzeuge fehlten nicht. Kupfermeißel und Kupferahlen tauchten neben Schlackenresten und Schmelztiegeln mit Kupfergußtropfen auf.

Abb. 3 Töpfergut aus der megalithischen Siedlung von Los Millares.

Der Großteil der Funde stammte aus einer Periode, in der man bereits an der äußersten der drei Mauern baute. An der Basis einer Verstärkungs-Mauer dieses äußeren Befestigungsringes wurde ein Holzbalken geborgen, an dem man eine Altersbestimmung durchführte. Die Karbon-14-Methode lieferte ein Alter von 2345 plus minus 85 v. Chr. Man weiß heute, daß man die gewonnenen Werte korrigieren muß, daß sie früher liegen. Diese auf der Zählung von Baumringen beruhende Korrektur liefert ein Alter von rund 2800 v. Chr. [2]

Wir befinden uns in der letzten Phase der Megalith-Zivilisation, die rund 600 Jahre später untergehen sollte. Der Megalith-Charakter der Siedlung ist unverkennbar, nicht zuletzt daran, daß ihre Bewohner in Gemeinschaftsgräbern aus großen Steinen die ewige Ruhe gesucht haben. Auffallend sind die "Tholos", die Grabkammern mit falschem Gewölbe und aufgesetzten, größeren Steinplatten besitzen. Aber es gibt auch Gemeinschaftsgräbr in Gangform oder mit trapezförmiger Kammer.

Selbst ins Gestein der umgebenden Hügel und des Plateaus sind Gemeinschaftsgräber vorgetrieben worden. Es gibt keinen Zweifel: Die Bewohner von Los Millares haben die Religion der ersten Megalithbauer bewahrt, auch wenn sie in ihrer Entwicklung schon weit fortgeschritten waren. [3] Gelebt haben sie offenbar recht gut. Neben Knochen von Hirschen und Bären finden sich Überreste von Rindern und Pferden.

Dann aber geschah etwas, was ihrer Kultur und Religion ein dramatisches Ende setzte. Spärliche Keramikfunde aus einer späteren Phase von Los Millares belegen es ganz deutlich. Die Glockenbecher-Leute kamen gegen 2200 v. Chr. und mit ihnen das Ende der Megalithreligion. [4] Dasselbe Schicksal ereilte auch andere iberische Megalithsiedlungen, so zum Beispiel Villa Nova de San Pedro. Es scheint, daß sich die Glockenbecher-Leute dort auf den rauchenden Trümmern des eroberten Forts niedergelassen haben. [...] [5]


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Helmut Tributsch © wurde seinem Buch "Die gläsernen Türme von Atlantis - Erinnerungen an Megalith-Europa" (Abb. 4), entnommen, das 1986 im Verlag Ullstein erschienen ist. Eine ausführliche Rezension dazu finden Sie bei Atlantisforschung.de unter: Atlantis in der Bretagne - Betrachtungen zur Theorie des Helmut Tributsch

Fußnoten:

  1. Quelle: A. Arribas und F. Molina, 'Los Millares', in Madrider Mitteilungen, 23,9 (1982) (Deutsches Archäologisches Institut, Mainz)
  2. Red. Anmerkung: Zur Kritik der Aussagekraft von C 14-Methode, Dedrochronologie und anderen wissenschaftlichen Datierungs-Methoden siehe: Das 'Kreuz' mit den Datierungen
  3. Quelle: J. Briard, L´age du Bronce en Europe barbare, Editions des Hesperides, Toulouse, 1976, S. 42-46
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.

Bild-Quellen:

1) naturworld. net (Seite nicht mehr online)
2) EL MEGALITISMO EN LA PENÍNSULA IBÉRICA (Seite nicht mehr online)
3) Françoise Chapman, INDALO POTTERY, PORT EDWARD B.C. CANADA, MAKING HISTORY (Seite nicht mehr online)
4) helmut-tributsch.it, unter: Die gläsernen Türme von Atlantis: Erinnerungen an Megalith-Europa