Waren die ersten Menschen Riesen oder Zwerge?

Ein Fallbeispiel aus den USA zum Streit um die Entwicklungsgeschichte der Menschheit und die Frage nach der Historizität von 'Riesen der Urzeit' im 19. Jahrhundert

Abb. 1 Hier eine Titelseite der Zeitung The Wheeling Daily Intelligencer, die in ihrer Ausgabe vom 26. Mai 1871 einen kleinen Beitrag zur damaligen Debatte um die Entwicklungs-Geschichte der Menschheit und der Historizität urtümlicher Riesen präsentierte.

(bb) Wie der Verfasser hervorzuheben pflegt, gehört die Kontroverse hinsichtlich der Vorstellungen zur Entwicklung des Menschen, wie sie von den frühen Verfechtern der Evolutionslehre Charles Darwins und den Anhängern einer christlich-biblischen Schöpfungs- und Entwicklungslehre propagiert wurden, zu den historischen Gründen einer Ablehnung der Annahme prähistorischer Populationen von Riesen in der modernen Wissenschaftsgemeinde. Während man im religiösen Lager häufig erklärte, die Menschheit habe sich, aus einem 'adamitischen Urzustand' riesenhafter Größe kommend, immer weiter von diesem entfernt, stand für die an Darwins Ideen orientierten Wissenschaftler fest, auch der Mensch müsse sich aus kleinen Urformen hin zu immer komplexeren und größeren Variationen entwickelt haben. Für urzeitliche 'Riesenmenschen' war in diesem Modell kein Platz.

Vor diesem wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund ist auch der nachfolgend - ins Deutsche übersetzt - vorgestellte Kurzartikel zu betrachten, der am 26. Mai 1871 in der Zeitung The Wheeling Daily Intelligencer erschien, und Anhängern der Vorstellungen zur Evolution des Menschen auf Grundlage von Darwins Theorien damals gar nicht gefallen haben dürfte:

"Kürzliche Berichte über die Entdeckung in der Erde eingebetteter riesenhafter menschlicher Gebeine scheinen einen Wandel in der Theorie erforderlich zu machen, mit welcher die moderne Wissenschaft sich bemüht, den Ursprung des Menschen nachzuweisen. Autoren, wie der Verfasser von 'The Vestiges of Creation' [1], haben offensichtlich am falschen Ende der Kette begonnen, deren diverse Glieder eine plausible Argumentation zur Stützung ihrer Theorie liefern sollen. Anstelle einer menschlichen Rasse, die sich graduell aus den Austern entwickelt hat, scheint es so, dass der urtümliche Mensch ein Koloss war, und dass er langsam aber sicher zu einer Auster zusammenschrumpft.

Diese Theorie ist sicherlich schmeichelhaft für den Menschen, wenn er über seine Vorfahren nachdenkt, doch minder tröstlich, wenn er seiner Nachkommenschaft entgegensieht. Ein menschliches Skelett, das soeben an den Ufern des Kern River in Kalifornien ausgegraben wurde, maß in der Länge 7 Fuß und fünfeinhalb Zoll [ca. 2,28 m; d.Ü.]; ein anderes dagegen, welches zwölf Fuß [ca. 3,66 m; d.Ü.] unter der Erdoberfläche in Jeffersonville, Indiana entdeckt wurde, maß 12 Fuß. Bezugnehmend auf den kalifornischen Riesen sagt man uns, dass >der Schädel viel größer als ein Cranium von gewöhnlicher Größe war, das sich heute herum bewegt< und dass >eine voll ausgewachsene Person ihren Kopf in den Schädel steckte<." [2]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Gemeint ist mit einiger Sicherheit das 1844 in London veröffentlichte - zuerst anonym publizierte - Werk "Vestiges of the Natural History of Creation" (zu Deutsch: Spuren der Naturgeschichte der Schöpfung) von Robert Chambers.
  2. Quelle: o.A., Unbetitelte Meldung, 26. Mai 1871 in The Wheeling Daily Intelligencer (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach der digitalisierten Version der Zeitung bei CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers)

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