Die Glyphen der Guanchen und die 'Urschrift' der Menschheit
Das Rätsel der Guanchen (Teil III)
(bb) Wie bereits festgestellt, lassen sich auch aus der Sprache der Guanchen einige Schlüsse zu ihren Ursprüngen und frühen Kontakten zu anderen Völkern östlich und westlich des Atlantik ziehen. Gilt dies schon für die gesprochene Sprache, dann muss die Schrift, über die sie verfügten, mindestens ebenso aufschlussreich sein. (Abb. 14) Höchst interessante Anmerkungen dazu finden wir bei Gernot L. Geise u. Reinhard Prahl, die in "Auf der Suche nach der Mutterkultur" (2005) zudem einige Überlegungen zu gemeinsamen Ursprüngen der diversen, klassischen Schrift-Systeme Europas und Amerikas anstellen. So heißt es bei ihnen: "Schrift gehört nicht nur zu den intelligentesten Erfindungen, sondern ist vielleicht auch die wichtigste.
Abb. 14 Die Felszeichnungen der Guanchen auf den Kanarischen Inseln weisen die
Verwendung eines uralten Schriftzeichen-Systems durch dieses geheinmisvolle Volk nach.
Relikt und Erbe einer vergessenen Urkultur, von der die Alt-Kanarier abstammten?
Nur durch sie wurden effektive Verwaltung, Architektur und die meisten kulturellen Errungenschaften einer modernen Zivilisation möglich. Bisher glaute man, die älteste aller Schriften stamme aus Mesopotamien oder Sumer. In den letzten Jahren gibt es Indizien, die dafür sprechen, dass es möglicherweise eine sehr frühe Schrift lange vor den Sumerern und Ägyptern gab. Diese Entdeckung könnte die Geschichte der menschlichen Zivilisation revolutionieren und der wirklich erste greifbare Beweis dafür sein, dass es einst einen Urkontinent gab, den manche Menschen heute noch Atlantis nennen! Als wäre dies nicht genug, stammen die ältesten Beispiele dieser möglichen Schrift, die wir Ihnen nachfolgend vorstellen möchten, ausgerechnet von dem Kontinent, der nach Lehrmeinung als letzter von Menschen besiedelt wurde: Amerika! Auch die Theorie, wonach Amerika über die Beringstraße Richtung Süden besiedelt wurde, könnte erheblich ins Wanken geraten, sollten sich diese Entdeckungen als richtig erweisen." [1](+1) Halten wir dazu fest, dass rund um den Globus massive Anzeichen dafür existieren, dass es die von Prahl u. Geise vermutete Urschrift (mit möglicher Weise atlantidischem Ursprung) tatsächlich gab. Allerdings scheinen ihre Spuren schon weit früher nachzuweisen sein als die beiden Autoren annehmen, und es erscheint uns fraglich, ob die ältesten Funde dazu tatsächlich in der 'Neuen Welt' gemacht wurden (vergl. dazu: Streit um die Urschrift von R. Cedric Leonard sowie Die Kiesel aus dem Azilien von William R. Corliss). Davon abgesehen ist das offizielle Beringstraßen/Clovis-Paradigma zur rezenten Besiedlung Amerikas auch ohne die neuen Evidenzen zur Entwicklung der Schrift reif für den 'Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte' (siehe dazu: Farewell, Clovis! - Vom langsamen Sterben eines Paradigma). Doch hören wir weiter, was Geise und Prahl zur Urschrift zu berichten haben: "1961 entdeckte der Archäologe Dr. N. Vlassa vom Historischen Museum im transsylvanischen Tartaria drei Tontafeln, die einen Ruck durch die Reihen der Archäologie gehen ließen und für Kontroversen sorgten, die auch bis heute noch nicht beendet sind. [...] Obwohl die meisten Archäologen bis heute bestreiten, dass es sich bei den Tartaria-Tafeln um echte Schrift handele, waren [andere Forscher wie] Vlassa und Falkenstein ganz anderer Ansicht. Falkenstein schrieb in 'Antiquity': >Die Zeichen auf den Tartaria-Tafeln, besonders jene auf der runden Nummer 2, sind denen auf den frühen Tafeln von Uruk so ähnlich, ... um geradezu mit Sicherheit davon ausgehen zu können, dass sie irgendwie miteinander verbunden sind<." (+2)[2]
Die Tartaria-Tafeln stellen keineswegs das einzige Relikt dieser früheuropäischen Urschrift dar: "Die >Gradesnica-Plakette< wurde in Vratsa in Westbulgarien 1969 ausgegraben und weist ebenfalls Zeichen auf, die den oben genannten ähnlich sind. Ein scheibenförmiges Stempelsiegel, welches in Karanovo in Mittelbulgarien ausgegraben wurde, wird auf mindestens 5500 Jahre geschätzt. Mittlerweile ist man sich sicher, dass die Zeichen auf den Tartaria-Tafeln älter als die sumerischen Schriftzeichen [und auch als die ägyptischen Hieroglyphen; bb] sind.
Abb. 15 Die acht Grundelemente der Vina-Schrift nach Rudgley (S. 109) - die ältesten Schriftzeichen der Welt?
Rudgley schreibt: >Wie Schmandt-Besserat die weitgehend einheimische Entwicklung der mesopotamischen Schrift nachgewiesen hat, so haben andere mit den Vina-Zeichen als einer Neuerung des südöstlichen Europa geareitet, die bis mindestens 4000 v. Chr. zurückreicht.< (Allerdings ist die Datierung der prähistorischen Kulturen der Region noch umstritten, manche Archäologen meinen, die Zeichen seien um -5500 entwickelt worden.)" (+3)[3]
Geise und Prahl erwähnen zudem die Arbeit der litauischen Archäologin Marija Gimbutas. Die Wissenschaftlerin, "die für ihre kontroversen Theorien bekannt ist, versuchte, für die osteuro-päischen Zeichen Lesart zu entwickeln. Sie nimmt aufgrund ihrer Untersuchungen zwei ver-schiedene Entwicklungsperioden an: Die erste, frühe Phase war etwa zwischen -6000 und -5300, die zweite zwischen -5300 und -4000.Auch der Gelehrte Shan Winn arbeitete daran. Er stellte den bis heute umfangreichsten Katalog von Vina-Zeichen zusammen und kam auf acht Grundformen. Winns Analyse führte zu dem Schluss, >diese Dualität [in der Anwendung der Zeichen; R.P.] könnte ihre Rolle in häuslichen und religiösen Angelegenheiten reflektieren.< [Rudgley, S. 111]. Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit einer ausgeklügelten Schrift zu tun." (+4)
Auf diesen acht Grundzeichen (Abb. 10) beruhen, wie etwa Winn, Gimbutas, W.M.F. Petrie und Prof. T.R. Jones feststellen, folgende alte Schriften (zitiert n. Geise u. Prahl): Altägyptisch (zu-mindest die Determinative), sumerische Bilderschrift, Industal-Schrift, Linear-A, Linear-B, Zy-priotisch, Protosinaitisch, Phönizisch, Iberisch, Etruskisch, Griechisch (westl. Zweig), Römisch und die Runenschrift. "Zu diesen Schriften gesellt sich", wie es in unserer Quelle schließlich heißt, "noch eine weitere Gruppe", nämlich die "libysch-berberischen Schriften", womit wir wieder bei den Guanchen angelangt wären: "Entsprechende Inschriften wurden auf allen Kana-reninseln entdeckt, die nach Werner Pichler weder einwandfrei entziffert, noch datiert werden können.
Zwar gibt es mehrere Transkriptionsweisen, Pichler selbst stellt in seinem Aufsatz >Libysch-berberische Inschriften auf Fuertoventura< eine vor und beschreibt eingehend die Forschungs-geschichte dieses Schrifttyps sowie die zahlreichen Versuche, die Schrift der Kanaren irgend einem anderen libysch-berberischen Alphabet zuzuordnen. Datierungsvorschläge reichen dabei von etwa -238 bis über +138 und ins Mittelalter hinein." Aber, wie Prahl und Geise zu Recht zu bedenken geben: "Die Guanchenkultur selber ist wahrscheinlich wesentlich älter als 3000 Jahr-e, und es ist verwunderlich, dass die Möglichkeit, diese Schrift könnte wesentlich älter und ei-genständig sein, nicht ins Kalkül gezogen wurde.
Abb. 16 Drei Beispiele für Variationen der vermuteten Urschrift: Links: Steintafel mit Schriftzeichen aus
Burrows Cave, Illinois USA. Mitte: Steintafel aus dem Unterwassertempel Gebel Gol Bahar vor der Küste
Maltas. Rechts: Steintafel mit Schriftzeichen aus Glozel, nähe Vichy, Südfrankreich. (Fotos: H. Zeitlmair)
Viele Forscher lehnen heute die Möglichkeit, dass es sich um eine rein kanarische Schrift han-deln könne, kategorisch ab. Diese wäre dann natürlich den Guanchen zuzuschreiben. Damit müssten die Kanaren in der Forschung eine wesentlich größere Rolle spielen, als man dieser Inselgruppe bisher zugestehen möchte. Pichler machte aber sehr kompetent deutlich: eine Zu-weisung zu anderen bekannten Alphabeten kann nicht aufrecht erhalten werden, so dass man wohl oder übel den Guanchen eine eigene Schrift zubilligen müsste." (+5)
Die sich aus einer solchen Annahme ergebenden Konsequenzen erscheinen konventionellen Philologen, Historikern und Archäologen offensichtlich zu brisant, und so flüchtet sich z.B. auch Pichler in die wenig erhellende Aussage, "dass das Grundgerüst der kanarischen Zeichen in seiner phonetischen Wertigkeit identisch ist mit dem des >klassischen< nordafrikanischen Al-phabets der libysch-berberischen Schrift." [Pichler, Almagoren, Bd. 27, S. 44]" (+6) Zumindest wird heute weithin akzeptiert, dass die Guanchen tatsächlich über eine Schrift verfügten, wäh-rend Dr. Bolleter 1910 noch im Brustton der Überzeugung über die kanarischen Urkulturen re-ferierte: "Die Schrift war unbekannt. Wohl fand man auf einzelnen Inseln merkwürdige Felsen-inschriften, die berberischen Schriftzeichen sehr ähneln; sie rühren von den Nichtguanchen her. Wir dürfen aber annehmen, daß der Gebrauch der Schrift nur ein vorübergehender war und daß sie dieselbe mit Annahme der Guanchensprache verlernten." (+7)
Prahl und Geise kommentieren jedenfalls völlig zu Recht: "Hier zeigt sich leider wieder einmal in ganzer Bandbreite das leidige Problem der modernen Archäologie: Heutige Forscher denken immer noch zu einseitig und schauen nicht über den Tellerrand ihrer Disziplin hinaus. Denn ein Vergleich des Guanchen-Alphabets mit den oben genannten Schriften hätte dem Fachmann eindeutig gezeigt, dass diese das selbe Muster aufweisen und also auf die selbe Basis zurück-gehen müssen." Gerade am "Guanchen-Alphabet ist gut ersichtlich, dass viele Symbole auch in den anderen genannten Schriftsystemen vorkommen, was ein Zeichen dafür ist, dass dieses Schriftsystem in großen Teilen der Welt Anwendung gefunden haben muss.
Linguisten sind sich schon lange über eine einzige Ur-Muttersprache (+8) einig, aus der alle heute gesprochenen Sprachen entstanden sind. [...] Die Entstehungszeit der Schrift kann bis-her nicht festgelegt werden, da es sich nach aller bisherigen Erkenntnis um eine Mischung von Alphabet und Silbenschrift zu handeln scheint, uns hier andererseits offenbar ein voll ent-wickeltes System vorliegt. Also muss die Schrift sehr alt sein und von einem hoch entwickelten Volk stammen. Klar ist nur eines: Wir haben es mit einer voll entwickelten Schrift und somit nicht mit dem Anfang, sondern mit dem Ende einer langen Entwicklung zu tun." (+9)
Spuren dieser, offensichtlich von den Guanchen übernommenen, Urschrift lassen sich, so Gei-se u. Prahl, sowohl in Amerika (+10) als auch "in weiten Teilen der Alten Welt bis mindestens -6000 nachweisen. Besonders interessant ist, dass wir dieselben Zeichen auch auf den Kana-ren finden. Somit könnte es wahrscheinlicher werden, dass die Kanaren einer der wichtigsten atlantisch-amerikanischen Außenposten zur Alten Welt waren. Doch das wäre noch näher zu beleuchten." (+11)
Fortsetzung:
F Weitere Anhaltspunkte für kulturelle Diffusion: Mumifizierungs-Techniken bei den Guanchen (bb)
Anmerkungen und Quellen:
Dieser Beitrag von Bernhard Beier © wurde 2006 für atlanisforschung.de erstellt.
(+1) Quelle: Gernot L. Geise und Reinhard Prahl, "Auf der Suche nach der Mutterkultur", Michaels Verlag (Peiting), 2005, S. 109 (+2) Quelle: ebd., S. 110 (+3) Quelle: ebd., S. 110, 111 (+4) Quelle: ebd., S. 111 (+5) Quelle: ebd., S. 113 (+6) Quelle: ebd., S. 115
(+7) Quelle: Dr. E. Bolleter, "Bilder und Studien von einer Reise nach den Kanarischen Inseln (1910)", Kapitel 6: Die Guanchen, die Urbevölkerung der Kanaren, online unter http://www.zum.de/stueber/bolleter/kapitel_06.html
(+8) Anmerkung: Diese Annahme beruht keineswegs auf einem "heliozentrischen Weltbild" oder auf der Voraussetzung einer "adamitischen Ur-Kultur" und Quelle jeglicher Zivilisation (vergl. dazu: Diffusionismus - zur Diskussion eines umstrittenen Theorems), sondern ergibt sich sich als "Bottleneck-Problematik" aus der Tatsache, dass unsere Spezies während ihrer Entwicklung vermutlich mehrfach durch kataklysmische Ereignisse bis auf kleine Rest-Populationen ausgelöscht wurde. Die Sprache (u. möglicherweise auch Schrift) dieser wenigen Überlebenden wurde danach automatisch zur singulären "Keimzelle" aller späteren - zwangsläufig miteinander verwandten - Folge-Entwicklungen.
(+9) Quelle: Gernot L. Geise und Reinhard Prahl, "Auf der Suche nach der Mutterkultur", Michaels Verlag (Peiting), 2005, S. 115, 116
(+10) Anmerkung: Geise u. Prahl erwähnen in diesem Zusammenhang die Entdeckungen der Archäologin Anne Roosevelt, die im Dschungel Brasiliens Glyphen auf einem Felsbild in der "Caverna de Pedra Pintada" untersuchte, welche den unseren teilweise verblüffend ähneln. Für die archäologisch datierbaren Relikte der Kultur, die sie verwendete, wird ein ungefähres Alter zwischen 13 200 und 12 000 Jahren v.d.G. angesetzt.
Die beiden Autoren bemerken weiter: "Genau die selben Schriftzeichen tauchen auch in Nordamerika auf. 1982 will der Amerikaner Russel Burrows im US-Staat Illinois ein unterirdisches Tunnelsystem entdeckt haben, in dem er zahlreiche Artefakte unbekannten Alters fand. [Diese Fundobjekte und ihre Lagerstätte sind jedenfalls WEITAUS jüngeren Datums als die Relikte aus der Höhle von Pedra Pintada; vergl. dazu: Das Geheimnis von Burrows Cave (bb) sowie Burrows Cave - Mauritanier in Illinois von Frank Joseph; bb] Auf einigen dieser Artefakte sind genau diese Zeichen klar erkennbar verwendet worden. Man weiß bis heute leider nicht, wie alt die Stücke sind und ob sie überhaupt echt sind. Doch gerade der Umstand, dass die Schriftsymbole denen entsprechen, die sich auf der ganzen Welt wiederfinden, lassen die Funde in Burrows Cave glauwürdiger erscheinen." (S. 117, 118)
(+11) Quelle: Gernot L. Geise und Reinhard Prahl, "Auf der Suche nach der Mutterkultur", Michaels Verlag (Peiting), 2005, S. 109
Bild-Quellen:
(1)
(2)
(3)
- ↑ http://www.eglikoe.de/Urlaubsbilder/hshs-bilder/Teneriffa/pages/Guanchen_Schrift2.htm
- ↑ Bildarchiv atlantisforschung.de
- ↑ Bildarchiv Dr. Hubert Zeitlmair