Vom Hebe-Experiment von Lennestadt zur ABORA IV-Expedition

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Die Hebe-Technik hilft, eines der Rätsel des Pyramidenbaus zu lösen

Abb. 1 Zwei Bilder von der Wiederholung des ersmals im April 2015 durchgeführten Hebe-Experiments von Lennestadt am 22. und 23. August des selben Jahres. Links: Dominique Görlitz 'dirigiert' auf dem Betonblock die Durchführung; rechts: Die sich entwickelnde Patina auf dem Betonblock stützt Dr. Görlitz´ Interpretation der Magnetit-'Zungen' an der Decke der Königskammer.

(dg und bb) Um die Verwendung von Eisen beim Bau der Pyramiden der alten Ägypter in der 4. Dynastie nachzuweisen, führte der Chemnitzer Experimental-Archäologe Dr. Dominique Görlitz mit dem Privatforscher Stefan Erdmann 2013 eine Expedition ins Innere der Großen Pyramide von Gizeh durch. Dort konnten sie an der Decke der Königskammer an 18 Stellen die Reste einer eisenoxidhaltigen Patina nachweisen. Diese schwarzen, zungenförmigen Eisenoxidbeläge auf den Granitsteinen stellen vermutlich die Reste von Hebewerkzeugen dar, so wie sie Herodot überlieferte.

Im darauffolgenden Jahr gelang Görlitz mit einem Team von Spezialkonstrukteuren der Firma Tracto-Technik Lennestadt GmbH die Übertragung des archäologischen in einen technologischen Befund. Dafür wurden eigens ein fast 20 Tonnen schwerer Betonklotz in Form eines Granitbalkens, 6 hölzerne und eiserne Keile sowie weiteres technisches Material im Werk V ides Unternehmens in Saalhausen bereitgestellt. In einem aufwendigen Hebe-Experiment (Abb. 1) konnte Görlitz seinen Befund experimentalarchäologisch untermauern. Mit nur zwei Mitarbeitern der Tracto-Technik hob Görlitz den massigen Betonblock unter wechselseitigem Eintreiben der Keile in nur wenigen Minuten beinahe mühelos an. Und dass dieser 'Fahrstuhl der Antike' sogar mit einfachen Holzkeilen sogar besser als mit den eisernen funktionierte, liefert einen weiteren Hinweis, dass die Abdrücke in der Pyramide einen technischen Hintergrund zu scheinen haben. Dennoch weisen viele Ägyptologen diese Ergebnisse des Hebe-Experiments voreilig ab, und verunglimpften Görlitz´ Arbeiten als „Phantasie-Archäologie“, weil es für Eisengegenstände aus dem Alten Reich angeblich überhaupt keine Beweise gebe. Doch stimmt das überhaupt?

Abb. 2 Eine Dokumentar-Aufnahme der 1837 von J. R. Hill in der Großen Pyramide entdeckten Eisenplatte

Die im Jahre 1989 veröffentlichte Studie von El Sayed El Gayar und M.P. Jones untersuchte die schon länger bekannte, aber wenig thematisierte Eisenplatte (Abb. 2), die während der berühmten Howard Vyse-Expedition durch seinen Kollegen J.R. Hill im Jahr 1837 zu Tage gefördert worden war. Die rechteckige Platte hat eine Größe von ca. 26 cm mal 8,6 cm. Ihr Gewicht beträgt etwa 750 g. Sie wurde von J.R. Hill nahe dem Ausgang des südlichen Luftschachtes aus der Königskammer in einem dort befindlichen Spalt entdeckt. Die Untersuchung von El Gayar und Jones (1989) lieferten vor Dr. Görlitz Arbeiten den bemerkenswertesten Befund für das Vorhandensein von Eisen im Alten Reich. Ihre Arbeit hat überzeugend dargelegt, dass die Platte aus geschmiedeten Eisen besteht, welche aus mehreren Schichten relativ fachmännisch durch Hämmern zusammengeschmiedet wurde. Damit lagen bereits vor dem Cheops-Projekt 2013 gut erforschte Belege vor, dass in der 4. Dynastie Schmiedeeisen verwendet wurde. Der Vergleich der Untersuchungsergebnisse zeigt, dass beide Funde in einem Zusammenhang stehen und charakteristisch für die 4. Dynastie sind.

Wie die Filmaufnahmen zum Cheops-Projekt aufdecken, besteht an einer ergebnisoffen betriebenen Ägyptologie im offiziellen Wissenschaftsbetrieb scheinbar wenig Interesse. Zudem liegt der Schwerpunkt der ägyptologischen Forschung heute offenbar vor allem in der Untersuchung verwandtschaftlicher Beziehungen verschiedener Mitglieder der Pharaonendynastien, während Industriearchäologie oder Grundlagenforschung zur Materialgeschichte kaum noch eine Rolle spielen. Ansonsten wären die Kenntnisse über Eisenfunde aus dem Alten Reich wohl kaum wohlgehütetes Insider-Wissen weniger Spezialisten, die sich mit der Eisennutzung im alten Ägypten abseits der großen Foren und Tagungen beschäftigen. Getreu dem Sprichwort: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ bemüht man sich nicht im Geringsten darum, dieses wichtige Thema dorthin zu bringen, wo es hingehört: In das Zentrum der aktuellen Forschung zum alten Ägypten!

Abb. 3 Die geplante Route der ABORA IV-Expedition von Sotschi durch's Schwarze Meer und die Ägäis. Der Zielhafen steht noch nicht genau fest. Im Gespräch sind derzeit Zypern oder Alexandria. (Für eine vergrößerte Ansicht der Karte bitte das Bild anklicken!)

Gerade deshalb erscheint es dringend erforderlich, die wissenschaftlichen Ziele und Ergebnisse des Cheops-Projekts einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, statt sie lediglich im „akademischen Elfenbeinturm“ zu kommunizieren. Zu der Entdeckung hat Dr. Görlitz im März 2016 die multimediale Ausstellung „Das Eisen der Pharaonen“ im Galileo-Park in Lennestadt organisiert. Zudem wurde öffentlich vorgeführt, wie die mehr als 60 Tonnen schweren Granitblöcke ohne Rampen auf den Pyramidenstumpf transportiert worden sein könnten. Görlitz hat vorgeschlagen, dass die Granitblöcke für die Entlastungskammern mit Hilfe der Keil-Hebetechnik von Schicht zu Schicht auf die Pyramide angehoben wurden.

Das Hebe-Experiment von Lennestadt und dessen Konsequenzen für die moderne Ägyptologie können Interessierte in Buch und Film ausführlich nachvollziehen. Es stellt das Standartparadigma der Ägyptologie in Frage, dass die alten Ägypter schwere Lasten nur ziehen, aber nicht anheben konnten. Außerdem bestätigen der Eisenbefund und deren experimentalarchäologische Anwendung die Überlieferungen des griechischen Geschichtsschreibers Herodot (ca. 500 v.Chr.). Herodot ist der einzige antike Autor, der sich nicht nur umfassend mit dem Bau der Großen Pyramiden von Gizeh beschäftigte, sondern auch Kontakte von Ägyptern mit Anrainern des Schwarzen Meers erwähnte.

Aus diesem Grund wird das Schilfboot ABORA IV diesen Sommer den Versuch antreten, zu beweisen, dass die alten Ägypter in der Tat die Möglichkeit hatten, ihr Schmiedeeisen sowie Bernstein und Zinnbronzen aus dem Schwarzmeerraum zu importieren. Diese Expedition wird maßgeblich durch die Tracto-Technik Lennestadt GmbH gefördert, und um den Kreis zu schließen, ist nun noch auf das Fehlen von Eisenschlacken vor 900 v.Chr. in Ägypten hinzuweisen. Dieser Befund kann nur bedeuten, dass die Pyramidenbauer ihr Schmiedeeisen, so wie es Herodot überlieferte, mit ganzen Flottillen über das Meer ins Niltal importierten.

Die ABORA IV wird ihre Reise von Sotschi quer durchs Schwarze Meer zum Ausgang der Dardanellen antreten, weiter durch die Ägäische See bis Athen. Von dort wird sie durch ein einmaliges 'Insel-Hüpfen'-Experiment über Milos, Santorin und Kreta ihre Manövrierfähigkeit demonstrieren, um ihre Fahrt dann entweder weiter nach Zypern oder aber in die ägyptische Metropole Alexandria fortzusetzen.

Im Galileo-Park Lennestadt wird es Ende November dazu einen Kongress geben, wo der Expeditionsleiter Dr. Dominique Görlitz über die Ergebnisse und Erlebnisse dieser Experimentalfahrt berichten wird. Als Ehrengäste kommen Thor Heyerdahl Jr., der Sohn des berühmten Seefahrtpioniers, vom KON TIKI Museum, Oslo, sowie der ehemalige Vize-Präsident der Weltkartographen-Gesellschaft, Prof. em. Dr. Manfred Buchroithner (vormals Leiter des Instituts für Kartographie der Technischen Universität Dresden) als Co-Referenten.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Dr. Dominique Görlitz (unter Mitarbeit von Bernhard Beier) wurde am 02. Februar 2019 bei Atlantisforschung.de erstveröffentlicht.

Bild-Quellen:

1) Bild-Archiv Dr. Dominique Görlitz
2) Foto © El Gayar und Jones, in: JHMS, 23/2 1989, Abb. 1a, S. 76; nach: Larry Orcutt, "The Iron Plate in the Great Pyramid", bei CATCHPENNY MYSTERIES OF ANCIENT EGYPT
3) Bild-Archiv Dr. Dominique Görlitz