Der Welt älteste Pyramide

Die weiträumige Megalithanlage im indonesischen Gunung Padang sorgt seit einigen Jahren für Diskussion

Mit ihrer Terrassenarchitektur und zyklopischen Gebäuden vor dem Panorama der Anden gilt die ehemalige Inkastadt Machu Picchu als einzigartig. Seit einigen Jahren hat sie jedoch Konkurrenz aus Asien bekommen. Es sind die Terrassen und megalithischen Blöcke von Gunung Padang im Indonesischen West-Java. Liegt hier nicht nur die älteste Pyramide der Welt, sondern auch ein zweites Machu Picchu?

von Bernhard Mackowiak

Abb. 1 Die Megalithe von Gunung Padang in Cianjur, West Java. (Foto: Dominik Bonatz)

Jakarta. Ein mit Gras bedeckter und von wenigen Bäumen bestandener Hügel, auf dem zahlreiche Steinsäulen ungeordnet einzeln oder zu mehreren wie Mikadostäbe verteilt liegen. Das alles ist eingebettet in eine Landschaft aus Vulkanstümpfen, Plantagen sowie dem Immergrün des tropischen Regenwaldes. So zeigt sich dem Besucher die archäologische Stätte Gunung Padang im indonesischen West-Java. Sie liegt 885 Meter über dem Meeresspiegel bei dem Dorf Karyamukti, rund 120 Kilometer südlich von Jakarta, unweit des 2958 Meter hohen Stratovulkans Gede.

An die 400 Terrassen von über 95 Metern Höhe, die von Steinwällen eingesäumt sind, dazu lange, rechtwinklig begrenzte Blöcke aus Andesit, einem dunklen Vulkangestein, sowie eine zentrale Treppe – es scheint, als habe ein Riese ein Monument ähnlich der Großen Pyramide zu Gizeh errichtet, um es danach aus einer Laune heraus wieder zu zerstören. Und wahrscheinlich ist es dieser Gigantismus, welcher Gunung Padang bei der ansässigen Bevölkerung als heiligen Ort gelten lässt. Hier soll einst der halbmythische König Siliwangi in nur einer Nacht einen Palast habe errichten wollen.

Gerade wegen seiner pyramidenartigen Form muss der Hügel von Gunung Padang so auffällig gewesen sein, dass er von der niederländischen Kolonialmacht in den Berichten 1914 erwähnt wurde und noch einmal 1949. Danach jedoch geriet die Entdeckung in Vergessenheit. Erst 1979 unternahmen Archäologen, Historiker und Geologen des National Archaeology Research Centre erste Bestandsaufnahmen in dem schwer zugänglichen, steil-hügligen Gelände. Als Ergebnis ihrer Untersuchungen wurde das 25 Hektar große Areal als kulturelles Erbe eingestuft.

Wirklich ein Bauwerk?

Abb. 2 Dr. Danny Hilman Natawidjaja legte 2011 erste belastbare, mittels geophysikalischen Methoden gewonnene Evidenzen für den artifiziellen Charakter der Struktur von Gunung Padang vor.

Streit gab es über die Frage, ob es sich bei dem riesigen Gebilde um ein von Menschen errichtetes Bauwerk handelt, das von seiner Terrassenstruktur her Parallelen zum peruanischen Machu Picchu aufweist und größer als die ägyptischen Pyramiden wäre – errichtet für rituelle Zwecke, für die Beobachtung des Sternenhimmels. So sieht der einheimische Vulkanologe Sutikno Bronto den Platz nur als Stumpf eines alten Vulkans, die Steine als ein Verwitterungsprodukt, und bei den entdeckten Kammern handle es sich um Lavatunnel.

Kritik kam vor allem von westlichen Forschern und Medien – entweder ignorierten sie die Stätte oder unterstellten den indonesischen Archäologen manipulierte Arbeiten. Daran änderten auch die 2011 von Dr. Danny Hilman Natawidjaja (Abb.2, links) mit geophysikalischen Methoden (Geo-Elektrik, -radar, -magnetik) vorgenommenen Untersuchungen nichts.

Deshalb gaben die Behörden eine unabhängige internationale Studie in Auftrag. Unter Leitung des Prähistorikers Doktor Ali Akbar (Abb. 3) (University of Indonesia) wurden von einem Team, das aus Archäologen, Architekten, einem Geologen, einem Astronomen, einer Ethnologin und einem Experten für Petrographie bestand, weitere Forschungen vorgenommen. „Sie umfassten unter anderem die Auswertung von Satellitenaufnahmen, die Prospektierung und die Erstellung von Höhenmodellen. Dazu kam eine unabhängige Kohlenstoff-14-Datierung durch das ,Miami-based Beta Analytic Lab‘“, erklärte der Wissenschaftler vor kurzem in einem Vortrag am Institut für Vorderasiatische Archäologie der FU Berlin.

Abb. 3 Doktor Ali Akbar von der University of Indonesia leitete ein weiteres, interdisziplinär besetztes Forschungsteam, dessen Befunde die Pyramiden-Hypothese bestätigten.

Schon die Ergebnisse von 2012 galten als Sensation; und die wurde durch weitere bis 2015 durchgeführte Forschungen noch gesteigert: Bohrungen, die drei bis vier Meter unter der Oberfläche vorgenommen wurden und Sand, Erde sowie Holzkohle enthielten, ergaben laut C-14-Analyse ein Alter des Ortes, das ihn auf 6500 vor Christus datiert. Proben aus acht bis zwölf Metern Tiefe sollen ihn sogar auf 14500 und 25000 Jahre datieren. „Somit ist die Struktur um ein Vielfaches älter als die Pyramiden von Gizeh“, betont der Wissenschaftler.

Weiterhin wurde ein Artefakt freigelegt, das mindestens ein Alter von 4800 vor Christus aufweist. Ferner gibt es große Kammern in einer Tiefe von 15 Metern, die mit Geoelektrik und Georadar geortet wurden; dann fünf Steinterrassen auf der Südseite, 100 auf der Westseite von zwei mal zwei Metern Höhe und Breite. „Sie dienten nur zur Stabilisierung der Statik und nicht als Anbauflächen wie in Machu Picchu“, so Akbar. Und es wurde gleichmäßig eingebrachtes Füllmaterial zwischen den steinernen Säulen in ein bis fünfzehn Metern Tiefe gefunden. Es enthält 45 Prozent Eisen, 41 Prozent mineralische Kieselsäure und 14 Prozent Tonmineralien, die wie ein sehr starker Kleber wirken.

All diese Fakten lassen die Diskussion über die Entstehung dieses Hügels doch zugunsten eines von Menschenhand geschaffenen Bauwerks gehen, das als Ganzes einmal freigelegt werden soll. Damit könnte wieder einmal die oft noch vorherrschende Ansicht widerlegt werden, dass das prähistorische Zeitalter primitiv gewesen sei. Zwar müsse man nicht gleich an eine Hochzivilisation im Sinne von Atlantis denken oder [an] Java als die Wiege der Zivilisation, betont Professor Dominik Bonatz vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der FU Berlin, „aber Gunung Padang ist zweifellos eine der wichtigsten Entdeckungen in der südostasiatischen Archäologie, wenn nicht gar weltweit.


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Bernhard Mackowiak (©) wurde am Samstag, 30. Januar 2016 in der Rubrik FORSCHUNG UND TECHNIK (S. 7) der Tageszeitung Frankfurter Neue Presse erstveröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er am 29. März 2016 mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Frankfurter Neuen Presse in einer redaktionell bearbeiten Online-Fassung.

Bild-Quellen:

1) Dominik Bonatz, via Bernhard Mackowiak / Frankfurter Neue Presse, op. cit. (2016)
2) Links: Gunung Padang Site, unter: Danny Hilman Natawidjaja is the chief geologist in charge of excavations at Gunung Padang.
2) Rechts: Mohammad Fadli bei Wikimedia Commons, unter: File:Gunung Padang Site.jpg
3) Links: erick ridzky, Gunung Padang-Beyond Imaginations: The Mountain Of Light (Screenshot - Bild-Auschnitt)
3) Rechts: Beeyan bei Wikimedia Commons, unter: File:Gunung Padang 4th and 3rd terrace.jpeg