Die Entdeckung von Platons Atlantis VI

von unserem Gastautor Radek Brychta


6. Die Suche nach Dilmun

Abb. 1 Eine Karte von Bahrain am Persischen Golf, das heute oft fälschlicherweise mit dem Land Dilmun gleichgesetzt wird

Für die Sumerer war Dilmun nicht nur eine in alten Mythen beschriebene geheimnisvolle Insel, die von dem gläubigen sumerischen König Ziusudra nach der katastrophalen Sintflut besiedelt wurde, sondern auch die Insel, von der ihre Vorfahren einst schon lange nach der Sintflut über den heutigen Persischen Golf segelten und das südliche Mesopotamien bewohnten. Nach den Verwaltungs- und Wirtschaftsdaten der damaligen Zeit existierte Dilmun wirklich und handelte aktiv mit Mesopotamien. Noch andere Länder, die mit Sumer überseeischen Handel betrieben, berichteten in verschiedenem Zusammenhang über Dilmun - Magan und Meluha. Dilmun (manchmal auch Tilmun genannt) hatte die Funktion einer Hauptnabe des Überseehandels ab dem späten 4ten Jahrtausend v. Chr. bis zum 7ten Jahrhundert v. Chr., wie man nach sumerischen, akkadischen, babylonischen und assyrischen Keilschrift-Aufzeichnungen vermutet. In keinen der bisher untersuchten mesopotamischen Keilschrift-Aufzeichnungen wurde eine präzise Position dieser geheimnisvollen Insel gefunden.

Dilmun wird normalerweise mit der Insel Bahrain (Abb. 1) identifiziert, 591 km² groß und im Persischen Golf gelegen. Die Insel ist von sehr niedrigem Relief, mit der höchsten Erhebung Jebel Dukhan (Rauch-Berg), 137 m über dem Meer. Es gibt keine Flüsse auf der Insel. Trinkwasser kommt aus artesischen Brunnen am nördlichen Ende der Insel oder wird durch Entsalzung gewonnen. Ein großer Teil der Insel ist mit einer Wüste aus Kalkstein bedeckt. Das Klima auf der Insel ist trocken, tropisch, mit nur 50-100 mm Niederschlag jährlich. Wenn die jüngsten Kenntnisse von Dilmun betrachtet werden, kann die folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Bahrain ist nicht die von den Sumerern beschriebene Insel Dilmun, weil:

Abb. 2 Diverse antike Wandmalereien aus Bahrain

1) Bahrain nicht zu der Beschreibung von Dilmun in den sumerisch mythologischen Texten paßt, wie in Tabelle 11 auf S. 93 (A) gezeigt) (eine Insel in der Monsun-Region, wo die Sonne aufgeht, Landwirtschaft mit Bewässerung durch Kanäle und Deiche, große Flüsse, Berge auf der Insel, Wälder, geeignet zur Bauholz-Herstellung, große Gebiet auf der Insel, viele Tiere, Erz, Bergbau usw.);

2) Bahrain paßt zu der Beschreibung von Atlantis (Dilmun) in den Kritias- und Timaios-Dialogen, wie gezeigt in Tabelle 12 auf S. 94 (A) (eine Insel in der Monsun-Region, Landwirtschaft mit Bewässerung durch Kanäle und Deiche, große Flüsse, Berge auf der Insel, Wälder, geeignet zur Bauholz-Herstellung, große Gebiet auf der Insel, viele Tiere, Erz-Bergbau, Elefanten usw..);

3) beträchtliche Mengen von aus Dilmun kommenden Waren wurden von Kaufleuten ab dem [...] ten Jahrtausend v. Chr. aus Dilmun nach Mesopotamien exportiert, wie in sumerischen Verwaltungsaufzeichnungen angegeben - siehe Tabelle 15 auf S. 98 (A) (Lazurite, Zedern-Bäume, Elfenbeinerzeugnisse und Elfenbein, Korallen, Gold, Kupfer). Diese Güter wurden hingegen nie in Bahrain gefunden.

4) die ersten zuverlässig dokumentierten sumerischen Aufzeichnungen des Handels mit Dilmun datieren auf die frühdynastische Periode. Erst um 2500 v. Chr. wird Dilmun von Urnanshe, König von Lagash (Abb. 2), als Lieferant von Holz bezeichnet. Seine Nachfolger Lugalanda und Uruinimgina, Monarchen der Lagash-Dynastie um 2358-2342 v. Chr. erwähnten die Einfuhr von Kupfer-Erz aus Dilmun und den Export von Wolle, Tüchern, Silber, Fett und Harz. Im Gegensatz dazu entwickelte sich eine städtische Zivilisation und ein überseeischer Handel auf Bahrain nicht früher als nach 2200 v. Chr.

Abb. 3 Fragment einer Stele des Königs Urnanshe von Lagash aus der Stadt Girsu

5) Von Dr. Hussain Mohammed Hussain durchgeführte genetische Studien bestätigten, daß die Errichtung einer entwickelten städtischen Kultur in Bahrain in Verbindung mit Einwanderungswellen der Industal-Kultur-Bevölkerung nach Bahrain um 2000-1600 v. Chr. liegen müßte. Dr. Hussain studierte genetische Veränderungen, die Thalassämie und Fathalassämie verursachen. So bewiesen seine Studien der sogenannten "Dilmun-Gene", die verantwortlich für Thalassämie sind, gegenwärtig insbesondere bei der Bevölkerung, die in dem Gebiet von Kuwait über das östliche Saudi Arabien nach Bahrain und in Indien leben, vorkommen. Das Vorkommnen dieser Mutation ist sehr selten außerhalb dieses Gebietes, mit Ausnahme des Mittelmeeres. Gemäß Hussain trugen Gruppen von Kolonisten der Industal-Kultur genetische Mutationen und könnten sich in Bahrain während zwei Einwanderungwellen um 2000-1800 v. Chr. und 1800-1500 v. Chr. angesiedelt haben. Die Angaben über die Übertragung der Gene steht in Zusammenhang mit der Periode des Untergangs der Industal-Kultur.

Der Zufluss von Siedlern aus Indien korrespondiert gut mit der Periode des sogenannten 'frühen Bahrain' (2200-1600 v. Chr.), gekennzeichnet nur von der Herkunft einer entwickelten städtischen 'Sepulchral-Mound'-Kultur, die den Überseehandel zwischen Mesopotamien, Indien, Oman und dem südöstlichen Afrika kontrollierte. Dies wird außerdem bestätigt durch archäologische Funde von Artefakten der Industal-Abstammung in Bahrain. Ein höhere Bevölkerungsdichte auf Bahrain und ihre mögliche Ausdehnung an die Küste von Kuwait über das östliche Saudi Arabien könnte erst nach dem Jahr 2000 v. Chr. geschehen sein. Die Sumerer zogen in ihr neues Heimatland im südlichen Mesopotamien irgendwann während der Uruk-Periode (3500-3200 v. Chr.), was auch durch die Analyse der heldenhaften sumerischen Mythologie von S. N. Kramer bewiesen wird. Trotzdem, dem damaligen Bahrain fehlte jede geordnete Gesellschaft, die fähig wäre, zum südlichen Mesopotamien vorzudringen und hier die ursprüngliche Proto-Euphrat-Bevölkerung teilweise zu integrieren oder durch militärische Gewalt zu befrieden.

Bei ihrer Suche nach Dilmun verweisen einige Wissenschaftler auf die Inschriften von Sargon II, dem König von Assyrien, um 721-705 v. Chr. In eine seiner Inschriften proklamierte Sargon II, daß er Abgaben bekam, unter anderem auch von Uperi, dem König von Dilmun, dessen Wohnung in der Mitte des Meeres läge, wo die Sonne aufgeht, in einer Entfernung von dreißig Doppelstunden. Nach andere Inschriften kontrollierte Sargon II. das Gebiet bis an die Küste des "salzigen Meeres", der Grenze von Dilmun. Aufgrund der Inschriften von Sargon wird die Existenz von Dilmun manchmal nach Bahrain plaziert, weil Bahrain ungefähr dreißig Doppelstunden vom der persischen Golfküste entfernt läge (Doppelstunde = 10,8 km). Diese Ansicht ist wahrscheinlich unzutreffend. Sargon II. wollte, wie Sargon von Akkad, die ganze Welt einschließlich Dilmun erobern. Aller Voraussicht nach wußte Sargon II. noch nichts über die Lage von Dilmun.

Abb. 4 Relief mit einer Szene aus dem Gilgamesch-Epos

Deshalb entnahm er seine Beschreibung von Dilmun auf dem Epos von Gilgamesch: entsprechend der 11. Tafel dieses Epos segelte Gilgamesch von Dilmun nach Uruk, nachdem er die Pflanze des Lebens von einer Schlange bekommen hatte; der zweite Teil dieser Reise dauerte genau dreißig Doppelstunden. Diese Schlußfolgerung wird von einer anderen Inschrift bestätigt, in welcher Sargon II das "Salzige Meer" als die Grenze von Dilmun erwähnt. Auf seinem Weg zu Utnapishtim, der auf Dilmun lebte, mußte Gilgamesch das sogenannten "Tote Gewässer" kreuzen. Obwohl Sargon II den Ausdruck "Salziges Meer" für das "Tote Gewässer" benutzt (wahrscheinlich aus einer anderen Fassung des Epos von Gilgamesch als diejenige in der Bibliothek des spätassyrischen Königs Ashurbanipal gefundene), wird der Name "Salziges Meer" auch beispielsweise im hebräischen für das "Tote Meer" verwendet. Als Erklärung kann akzeptiert werden, daß der Ausdruck "Totes Gewässer" im sumerischen Mythos von Gilgamesch für einen Teil eines Meer verwendet wird und auf den hochsalzigen Teil des Meeres um die Insel Dilmun verweist.

Außerdem besagt ein anderer Teil des Epos von Gilgamesch, die spätbabylonische Fassung von Uruk (Tafel 4, Zeile 10 bis 14), dass Gilgamesch und Enkidu die Entfernung von 150 Doppelstunden innerhalb von drei Tagen überwanden. Dies entsprach (für einen gewöhnlichen Sterblichen) einer Reise von einem Monat und fünfzehn Tagen, d.h. also etwa 45 Tage. Ein gewöhnlicher Sterblicher wäre demnach fähig eine Reise von lediglich etwas länger als 3,3 Doppelstunden am Tag zu machen. Die Entfernung von dreißig Doppelstunden würde eine Reise von wenigstens 9 Tage bedeuten. Im Epos von Gilgamesch jedoch dauerte die Reise von Dilmun nach Uruk 60 Doppelstunden, was wenigstens 18 Tage auf dem Meer entsprechen würde. Ein sumerisches Schilfboot benutzend, sollte 18 Tage segeln ausreichen um - bei günstigen Wetterbedingungen - von den Mündungen des Euphrats und und des Tigris bis an die Mündung des Indus zu gelangen.

All die oben genannten Fakten widersprechen der Lokalisierung von Dilmun als Bahrain. Dafür legen sie nahe, daß die ursprüngliche Heimat der Sumerer weiter östlich in Indien lag: Im Bereich der ehemaligen Industal-Kultur (siehe Karte Nr. 7 auf S. 103 (A)).


Fortsetzung:

7. Teil: Die Industal-Kultur


Bild-Quellen

1) Vieux têtard bei Wikimedia Commons, unter: File:D119-Archipel de Bahreïn.-L2-Ch5.png (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Ellie Crystal bei crystalinks.com, unter: Dilmun
3) Jastrow bei Wikimedia Commons, unter: File:Fragment Ur-Nanshe Louvre MNB1415.jpg
4) http://www.utexas.edu/courses/archaeology/ARY2002/images/NEjpg/9902210011.jpg (nicht mehr online)