Die Herkunft der Philister

von Eckart Kahlhofer

Abb. 1 Kaftor/Kaptara, der "Ort, wo der Himmel aufliegt." In diesem Beitrag befasst der Verfasser sich mit den klassischen Irrtümern bei der Lokalisierung dieser sagenhaften Örtlichkeit - und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Frage nach der Herkunft der Philister.

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, zu Beginn der Neuzeit, fand in Europa parallel zur Reformation der römisch-katholische Kirche eine generelle Wissenserweiterung statt. Dazu gehörte die Erkenntnis des heliozentrischen Weltbildes von Kopernikus, der 1543 mit >De Revolutionibus Orbium Coelestium< (über die Umschwünge der himmlischen Kreise) unser aktuelles Sonnensystem erklärte, in dem sich die Erde in 24 Stunden um die eigene Achse dreht und als Planet in 365 ¼ Tagen um die Sonne bewegt.

Als Martin Luther 1517 das Alte Testament übersetzte, war er noch im guten Glauben in die babylonische Weltvorstellung eingebunden, mit der Erde als Zentrum des Universums, worüber sich Sonne Mond und Sterne am Firmament bewegten. Dieses Firmament wurde von der Himmelssäule getragen, Alt-Testamentarisch kaftor, Alt-Babylonisch kaptara, die (fiktiv, versteht sich) unter dem Nordstern auf einer fernen Insel im atlantischen Ozean stand.

Zur Dokumentation der biblischen Philister, alias der Peleset aus den Schriften des Ramses III., bedarf es einer völlig neuen Denkart. Alte Zöpfe, die Jahrtausende lang die Glaubensschemata der Menschheit bestimmten und sogar heute noch die modernen Wissenschaften blockieren, erweisen sich als nicht mehr tragbar.

Für das Geschichtsverständnis generell, und für die Atlantisforschung insbesondere, ist es ein elementarer Glücksfall, dass die biblische Völkertafel ausgerechnet die Philister und Kaphtoriter gleich mehrmals in einem Atemzug nennt:

In der Genesis (Mose 10, 14) heisst es darüber, >...von dannen sind gekommen die Philister und die Kaphtoriter<. Gleichlautend sagt die Chronik (1. Chron. 1, 12): >...von welchen sind ausgegangen die Philister und die Kaphtoriter<. Bei Amos erscheint Kaphtor definitiv als Ortsbezeichnung: (Amos 9, 7): >...habe ich nicht Israel aus Ägyptenland geführt und die Philister aus Kaphtor<.

Mit i kaphtor macht Jeremia im hebräischen Originaltext (Jer. 47, 4) zur Herkunft der Philister eine Ortsangabe, die von sämtlichen nachfolgenden Bibelautoren falsch übersetzt wurde.

Abb. 2 Das historische Kappadokien - keine Insel, sondern eine Landschaft in Kleinasien

Die älteste durchgehende Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Hebräischen, die griechische SEPTUAGINTA aus dem 3. Jhdt. v. Chr., spricht zur Herkunft der Philister lapidar von >Inseln<; (Plural). Die lateinische Vatikan-Bibel, BIBLIA SACRA VULGATAE EDITIONIS, promotet besagtes >i kaphtor< aus Jeremia 47:4 als eine Insel mit Namen Cappadocia: >...depopulatus est enim Dominus Palaestinos, reliquiis insulae Cappadociae...<

Eine solche Insel aber gibt es nicht und hat es auch niemals gegeben: Der Name Kappadokien leitet sich von dem altpersischen Katpatuka her und bedeutet 'Land der Pferde'; 'Pferdeland'. Phryger, Lyder, Meder, Perser und Makedonen hinterließen dort ihre Siedlungsspuren, bis Cappadocia im Jahr 0017/18 unter der Herrschaft Roms als römische Provinz eingerichtet wurde. Heute ist Kappadokien ein beliebtes internationales Urlaubsziel in Zentralanatolien. (Abb. 2)

Wie wir aus Luthers Vita wissen, lagen ihm zur Übersetzung seiner Bibel die griechische Version von Erasmus von Rotterdam vor, als auch eine lateinische Vulgata. Dazu kam noch eine Reihe von hebräischen Handschriften, den Massoreten, >Überlieferungen aus Tiberia<, bestehend aus Thora (Weissagung), Neviim oder auch Nebiim (Propheten) und den Ketuvim (Schriften).

Als Herkunft der Philister setzte Martin Luther in seiner Reformationsbibel von 1534 eine Insel Kaftor in die Welt, die bis auf den heutigen Tag als Zankapfel der Bibelautoren fungiert: Luther übersetzte besagtes >i kaphtor< aus Jeremia (Jer. 47, 4) fälschlich als eine Insel mit Namen Kaftor: >Der Herr wird die Philister verstören, den Rest derer, die gekommen sind von der Insel Kaphtor<.

Abb. 3 Martin Luther 'erfand' in seiner Bibelübersetzung die "Insel Kaphtor" - ein folgenschwerer Übersetzungsfehler

Luthers >Insel Kaftor< als Herkunftsort der Philister erscheint auch in der SACRA BIBBIA, Editione Marietti, der aktuellen römisch-katholischen italienischen Vatikan-Bibel: >...i Filistei, il resto dell'isola di Chaftor<; >die Philister, der Rest der Insel Kaphtor<.

Dazu aber, als lapidare Glaubensvorgabe, heisst es in der Konkordanz der selben italienischen Bibel auf Seite 787: >Chaftor e identificata con l'isola di Creta<. Kaftor ist als die Insel Kreta identifiziert. Und die Philister der dänisch-sprachigen Bibel sind als Einwanderer auch von eben da festgeschrieben, aus Kreta (Jer. 47 :4): >Ja, Herren udrydder filistrene, den sidste rest af indvandrerne fra Kreta.<

Luthers Insel Kaphtor aber machte Weltkarriere. Gleich mehrere englisch-sprachige Bibelübersetzungen, die für die USA und das Commonwealth of Nations geschaffen wurden, promoten in Jeremia 47:4 Luthers Kreation einer >Insel Kaftor<: Sowohl in der YOUNG’S LITERAL TRANSLATION von 1898, als auch in der AMERICAN STANDARD VERSION heisst es in Jeremiah 47: 4:

>…for Jehovah will destroy the Philistines, the remnant of the isle of Caphtor<; …die Philister, der Rest von der Insel Kaftor. Die NEW AMERICAN STANDARD BIBLE bezeichnet die Philister in Jeremiah 47:4 als >the remnant of the coastland of Caphtor<; ...die Übriggebliebenen des Küstenlandes des Kaftor. Sehr ähnlich artikuliert sich auch die spanische (Hotel)Bibel: (Jer. 47 :4): >El señor exterminará a los filisteos y al resto de las costas de caftor<. In der ältesten englisch-sprachigen Bibel, der KING JAMES BIBEL von 1611, heisst es in Jeremiah 47: 4: >...the Philistines, the remant of the country of Caphtor<. …die Philister, der Rest vom Lande des Kaftor.

Völlig logisch nachvollziehbar ist mit >i kaphtor< weder von einer Insel die Rede, noch von einem Land mit Namen Kaftor. Das alt-hebräische >i< bezeichnet in diesem Falle die Gegend, Region oder den Ort, wo die (fiktive) Himmelssäule der alten Weltvorstellung steht, (hebr.: kaphtor), die das Himmelsgewölbe trägt; das Firmament. Der Originaltext von Jeremiah 47:4 überliefert mit >i kaphtor< den Schlüssel zur Herkunft der Philister:

Jeremiah 47.4 - i kaphtor.jpg

Zu Deutsch: >Der Tag wird kommen, an dem die Philister vernichtet werden und ebenso Tyrus und Sidon mitsamt ihren Helfern. Denn Gott wird die Philister ausrotten, den Rest vom Lande des Kaftor<.

Abb. 4 Sargon von Akkad, 2292 - 2236 v.Chr.

Der Übersetzungsmodus für >i kaphtor< lässt sich am besten anhand eines syntaktischen Vergleiches mit >Sina-i< sichtbar machen: Bei der Namensgebung des Sinai fungierte der altbabylonische Mondgott Sin als Taufpate. Indem nun das alt-hebräische >i< für Küste, Insel/Halbinsel, Ufer oder ganz einfach für Gegend/Region steht, übersetzt sich Sinai (etwa) als >Sin-Halbinsel<, was der Sinai dann auch de facto ist. Und bei Jeremia war i kaphtor schlichthin der >Ort des Kaphtor<.

Bereits im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung hatten unsere Altvorderen für den Standort dieser (fiktiven) Himmelssäule eine schriftich fixierte Vorstellung: In einem Keilschrifttext heisst es über König Sargon von Akkad (Abb. 4), >...der Ruhm des Königs der vier Himmelsrichtungen hat das Obere Meer und Kaptara erreicht, den Ort, wo der Himmel aufliegt.<

Indem nun auch >das obere Meer< (des Sargon von Akkad), das Nordmeer – der Atlantik – bedeutet, schliesst sich die Beweiskette: Sowohl die als Atlas personifizierte Himmelssäule, die auf einer Insel im Nordmeer den Himmel trägt, als auch Kaphtor, woher die Philister aus der Bibel (als Kaphtoriter) kamen, und auch >Sargons< Kaptara, erweisen sich als völlig identische Accessoires des geozentrischen Weltbildes.

Untersuchen wir nun auch noch den vermeintlich urhebräischen Namen der Philister etymologisch, dann erkennen wir dessen indoeuropäischen Ursprung: Das Wort Pelischti (Plur.: Pelischtim), hebräisch für Philister, leitet sich von griechisch polos (Pfahl) her; von dem griechischen Verbum pelesthai, >sich um die eigene Achse drehen<. Parallel dazu erweisen sich die Philister damit auch etymologisch völlig logisch nachvollziehbar als >aus dem Norden Europas kommend<: Das Volk vom Dreh- und Angelpunkt; (unter dem Nordstern;) denn das bedeutet der Name Philister.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Eckart Kahlhofer (©) wurde im November 2015 bei Atlantisforschung.de veröffentlicht.

Bild-Quellen:

1) Bild-Archiv Eckart Kahlhofer
2) Friedrich Wilhelm Putzger (F.W. Putzgers Historischer Schul-Atlas, 1901) / Oltau bei Wikimedia Commons, unter: File:Putzger Kleinasien.jpg (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) Bild-Archiv Eckart Kahlhofer
4) ebd.